Protokoll der Sitzung vom 06.10.2004

(Abg. Drexler SPD: Und was machen sie mit dem Müll? – Gegenruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Wir werden nicht weiterkommen, wenn wir – so, wie Herr Trittin es im Moment beschließt – völlig aus der Forschung aussteigen. Es ist ein absolut kontraproduktives Verhalten, wenn diese Bundesregierung angesichts der gesamten Fördermaßnahmen, die im Moment von zehn Ländern auf dieser Welt vorangetrieben werden, beschließt, dass die Deutschen, die bisher herausragende Arbeit bei der Erforschung der Kernkraft geleistet haben, hieraus aussteigen und sich zurückziehen sollen. In China, in Indien und in Finnland sind gerade neue Kernkraftwerke in Planung.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Nur in Planung, noch nicht im Bau!)

Wir sollten zumindest versuchen, dies wissenschaftlich und technisch zu begleiten.

Meine Damen und Herren, wir haben im Moment sehr hohe Kosten – das hat Frau Brenner bereits angeführt – durch das Energieeinspeisegesetz und durch das Kraft-WärmeKopplungsgesetz. Wir können diese Kosten nicht beliebig erhöhen. Wenn die Grünen sagen, es sei der Bevölkerung völlig egal, ob sie für eine Kilowattstunde 20 Cent oder 40 Cent bezahle, und meinen, die Menschen zahlten das gern, dann bleibt noch immer die Frage offen, wie wir mit der CO2-Belastung, die wir durch weitere Kohle- und Gaskraftwerke automatisch haben, in Zukunft umgehen wollen. Damit rückt Kyoto für uns in weite Ferne. Man kann über die Kernkraft reden, wie man will, es steht fest: Die CO2Belastung ist bei der Kernkraft gleich null.

(Abg. Drexler SPD: Wie lange redet die eigentlich? Ist das nicht zu lang?)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Frau Vogt demnächst hier im Landtag ist. Es ist schon erstaunlich, was sich die anderen Bundesländer beim Emissionshandel herausnehmen: Stillgelegte Dreckschleudern bekommen sehr hohe Emissionshandelsanteile, während wir in Baden-Württemberg kaum Zuteilungen haben, sodass wir Kernkraftwerke, die kein CO2 ausstoßen, stilllegen müssen und kaum eine Förderung erhalten. Ich halte es schon für dreist, wenn nun im Bundesrat von einigen Ländern tatsächlich gefordert wird, dass wir über den Länderfinanzausgleich die Stromnetze, die in Norddeutschland schlecht funktionieren, mitfinanzieren sollen.

Meine Damen und Herren, ich kann uns nur raten: Wir sollten die regenerativen Energien selbstverständlich voranbringen. Wir müssen aber bei der Kernkraft – zumindest bei ihrer Erforschung – dabeibleiben, um zu versuchen, zukünftig eine verträgliche Entsorgung voranzubringen. Meine Damen und Herren, wir dürfen das Preis-Leistungs-Verhältnis bei unseren Unternehmen nicht vergessen.

(Abg. Drexler SPD: Warum haben wir denn so ho- he Strompreise?)

Lieber Herr Drexler, weil wir die Liberalisierung im Grunde genommen schneller vorangetrieben haben als zum Beispiel RWE, Vattenfall und andere Firmen.

(Abg. Drexler SPD: Stimmt überhaupt nicht!)

Selbstverständlich. Wenn der Netzzugang anders reguliert ist, lieber Herr Drexler, dann haben wir die Möglichkeit, den billigen Strom von RWE einzuführen.

(Abg. Knapp SPD: Machen Sie Werbung für RWE?)

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: 100 € pro Jahr würden die bei uns mehr zahlen als oben in Norddeutschland!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Am 28. Mai 1986, wenige Tage nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, hat der heutige Ministerpräsident hier im Landtag folgende bemerkenswerte Aussagen gemacht:

Die Weichen für Alternativen zur Kernkraft müssen heute gestellt werden und nicht erst im Jahre 2000. Jetzt muss erforscht und entwickelt werden, was später in Serie genutzt werden soll. Die Zukunft gehört nicht der Kernkraft, weil kein Mensch mit so großen Risiken leben will.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD)

Aber entgegen dieser Ankündigung hat die Landesregierung die Weichen für den Atomausstieg nicht gestellt. Sie hat es auch versäumt, Vorsorge für die Zeit nach der Kernenergienutzung zu treffen. Die Energiepolitik der letzten Jahre bestand im Wesentlichen darin, dass die Anteile an der EnBW an die französische EdF verkauft wurden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja, das wissen wir!)

Die Landesvertreter im Aufsichtsrat haben zugelassen, dass ein ehemaliges Regierungsmitglied in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der EnBW dieses Unternehmen zu einem Gemischtwarenladen umgebaut und so an den Rand des Ruins gebracht hat. Anfang 2004 hatte die EnBW eine Eigenkapitalquote von gerade einmal 6 %.

(Abg. Schneider CDU: 7 %!)

Das heißt, diese Landesregierung hat es zugelassen, dass der größte Stromversorger im Land heruntergewirtschaftet wurde und damit für die anstehende Neuordnung der Stromversorgung denkbar schlecht gerüstet ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, bis zum Jahr 2020 gehen in Baden-Württemberg Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt etwa 7 Gigawatt vom Netz, und zwar nicht nur Atomkraftwerke. Für die Energiepolitik ist es von entscheidender Bedeutung, wie diese wegfallenden Kapazitäten ersetzt werden.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Auch kostenmäßig!)

Angesichts der beschränkten Redezeit muss ich mich auf drei Punkte beschränken.

(Abg. Drexler SPD: Fünf Minuten!)

Erstens: Der Atomausstieg ist machbar.

(Abg. Hauk CDU: Das wird nicht wahrer!)

Dazu liegt ein Gutachten vor. Herr Hauk, ich kann das jetzt nicht vorlesen. Ich muss Frau Brenner und Frau Fauser eindeutig widersprechen: In dem Gutachten wird nachgewiesen, dass der Atomausstieg möglich ist, und zwar ohne gleichzeitig Klimaschutzziele zu verletzen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es! – Abg. Drexler SPD: Altbau- sanierung müssen wir sowieso machen! – Abg. Hauk CDU: Möglich ist alles!)

Ruhig, Herr Hauk.

Zweitens: Die Zeit der Großkraftwerke ist vorbei. Moderne Energiepolitik bedeutet nicht, alte Großkraftwerke durch neue Großkraftwerke zu ersetzen. Nein, es geht jetzt um eine neue Strategie, eine geschickte Kombination von Energiesparen, Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Wir Grünen wollen das Energiesparen und die erneuerbaren Energien deutlich voranbringen.

(Zurufe der Abg. Scheuermann und Hauk CDU)

Ich sage aber auch klar dazu: Das allein wird nicht ausreichen. Wir werden – zumindest für eine Übergangszeit – auch fossile Kraftwerke brauchen.

(Abg. Hauk CDU: Zusätzlich, Herr Witzel! Das ist doch das Problem!)

Dann sollen diese Kraftwerke hocheffizient mit einem Wirkungsgrad von 70 bis 90 % errichtet werden, und zwar möglichst verbrauchernah.

(Zurufe der Abg. Schneider CDU und Drexler SPD – Abg. Hauk CDU: Und wie wollen Sie dann die Klimaschutzziele bei uns umsetzen?)

Das sind dann keine Großkraftwerke, sondern in vielen Fällen dezentrale kleinere Anlagen, zum Beispiel Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen.

(Abg. Hauk CDU: Wie wollen Sie dann die Klima- schutzziele bei uns erreichen?)

Wenn wir eine solche Politik umsetzen, dann sind nicht nur die Energiekonzerne gefordert, sondern auch Klein- und Mittelbetriebe. Wir wissen, im Bereich von erneuerbaren Energien sind bundesweit schon 140 000 Arbeitsplätze entstanden.

(Unruhe)

Wenn wir eine Energiepolitik der dezentralen effizienten Kraftwerke machen, dann kommen weitere Arbeitsfelder hinzu: Stromeinsparcontracting, Bau und Betrieb von Blockheizkraftwerken, Gasturbinen usw. Das sind Anlagen oder Tätigkeiten, an die auch Mittelständler herankommen, für die es auch hier im Lande Möglichkeiten gibt. Ich meine, diese wirtschaftlichen Chancen sollten wir nutzen. Denn in Baden-Württemberg haben wir gute Voraussetzungen dafür.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren von der CDU, wir müssen auch von der Stromautonomie – das ist mein dritter Punkt – Ab

schied nehmen. In der Begründung Ihrer Großen Anfrage heißt es:

Es muss sichergestellt werden, dass der in BadenWürttemberg benötigte Strom weitgehend im Land produziert wird...