Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

(Abg. Pfisterer CDU: Die brauchen wir nicht!)

Unser vierter Generalkritikpunkt betrifft die Begrifflichkeit. Die Übernahme der Begriffe von Aktiengesellschaften inhaltlich und mit einer Gegenüberstellung der Strukturmerkmale zu begründen, diese Mühe macht sich der Minister

nicht. Er weiß warum. Er kann nicht beschreiben, welches die Aktien sind, wer sie hält oder wann und warum veräußert, wie die Aktionärsgesellschaft aussieht, wer zu den Jahreshauptversammlungen eingeladen wird und wer dann wann wem was berichtet. Nicht einmal der Aufsichtsrat nach Frankenberg’schem Muster stimmt mit dem klassischen Aufsichtsrat überein. Eine Hochschule, Herr Minister, ist keine Schrauben- oder Schuhfabrik,

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Pfisterer CDU: Aber sie muss wirtschaftlich sein!)

dies umso weniger, als sich an Hochschulen sehr differenzierte Wirtschaftsgüter und Gewinne entwickeln. Gut ausgebildete Studierende, wirtschaftlich erfolgreiche Forschung, gelungene Lehre, zukunftweisende Grundlagenforschung, Ausbildung erfolgreicher Eliten, gesellschaftsrelevante Diskurse, Grundlagen für die kulturelle und die ökonomische Entwicklung der Gesellschaft, des Staatswesens und vieles mehr, das sind die Gewinne, die aus unseren Hochschulen herauskommen, das sind die Wirtschaftsgüter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass man diese wirtschaftlich erbringt, beweisen unsere Hochschulen Tag für Tag.

Wennschon, Herr Minister, dann bitte konsequent! Sagen Sie uns, wie Sie die schlechten Hochschulen identifizieren, wie Sie sie aussortieren, letztendlich schließen, die im Wettbewerb versagen! Machen Sie dann den Buy-out-Manager, und die Konkurrenten dürfen sich dann bedienen: bei den Immobilien, bei den Anlagen, am Personal? Man muss dieses Konzept weiterspinnen, um seine Absurdität für die Hochschulen erkennbar zu machen.

(Abg. Pfisterer CDU: Das ist doch Gerede!)

Immerhin gehen nach wie vor – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – mehr Firmen mit Aktiengesellschaftsstrukturen Pleite, als Hochschulen schlechte Leistungen abliefern. Oder?

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Lassen Sie mich noch Bemerkungen zu einem wesentlichen Bereich des Gesetzentwurfs machen, nämlich zu dem Thema Bachelor- und Master-Studiengänge. Mit dem Landeshochschulgesetz sollen die Diplom- und Magisterstudiengänge bis zum Jahr 2010 auf Bachelor und Master umgestellt werden. Der Minister setzt damit den Bologna-Beschluss um, und zwar rigoroser, als es die Vereinbarung gebietet. Fragwürdig bleibt, ob der Bachelor ein berufsqualifizierender, ein berufsbefähigender oder vielleicht auch nur ein beschäftigungsbefähigender Abschluss ist. Nicht die Politiker und die Ministerialbeamten entscheiden, ob die jungen Menschen dann auch eine Chance in Handel und Gewerbe, in der Industrie und im öffentlichen Dienst haben werden.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurden zu dieser problematischen, andere Abschlüsse ausschließenden Regelung – nur darum geht es uns – ernst zu nehmende Bedenken laut. Dass die Landesregierung selbst einschneidende

Bedenken hat, zeigt die Tatsache, dass bei allen Studiengängen mit Staatsexamen, also überall dort, wo der Staat die berufsbefähigenden Qualitätsstandards setzt, alles beim Alten bleiben soll. Dass unsere Mittelständler das nehmen sollen, was der Staat als zu gering qualifiziert ausschließt, ist kein gutes Signal für den Bachelor.

Warum gelten für den Lehrer andere Prinzipien als für den Informatiker? Warum ist der Jurist in Zukunft weiterhin erst mit 20 Semestern berufsqualifiziert, ein Ingenieur aber schon mit 6 Semestern? Darf sich ein Architekt in Zukunft schon nach 6 oder sechseinhalb Semestern „Architekt“ nennen, ein Arzt aber erst nach 14 Semestern „Arzt“? Auch hier wäre die Autonomie, den Hochschulen die Entscheidung zu überlassen, wie sie ihre Studiengänge strukturieren, der bessere Weg.

Zum Schluss noch ein Wort zum zweiten Kapitel des Landeshochschulgesetzes. Mit der späten Aufnahme der Berufsakademien in den Gesetzentwurf haben Sie, Herr Minister, bei den Fachhochschulen Ängste vor weiterer Konkurrenz ausgelöst. Bei den Berufsakademien haben Sie Hoffnungen geweckt, auch sie würden jetzt Schritte auf dem Weg zur Freiheit gehen können. Ängste wie Hoffnungen wurden enttäuscht, denn an der Struktur und am straffen Gängelband des Ministeriums hat sich nichts geändert.

(Abg. Pfisterer CDU: Aber der Wunsch der BAs ist erfüllt!)

Nein, das war nicht der Wunsch der BAs.

Eine für die Zukunftsfähigkeit der Berufsakademien einschneidende Änderung ergibt sich allerdings aus den §§ 78 und 91, in denen die Studiengänge und Abschlüsse geregelt werden. Dem stimmen wir ausdrücklich zu. In Zukunft werden Berufsakademien auch Bachelor- und Master-Abschlüsse verleihen können. Diese Regelung sichert den Absolventen anerkannte Abschlüsse. Wenn diese Studiengänge von der gleichen Akkreditierungsbehörde anerkannt und von der gleichen Evaluierungsagentur bewertet werden wie die der anderen Hochschulen, ist dagegen nichts einzuwenden. Das findet unsere Unterstützung. Dann bleibt allerdings umso unverständlicher, warum die Berufsakademien vom Wissenschaftsministerium auch weiterhin wie untere Sonderbehörden behandelt werden.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt noch viele Details, über die zu reden sich lohnen würde: zum Beispiel den Unsinn, die Esslinger Fachhochschule für Sozialwesen mit der Fachhochschule für Technik zusammenzuzwingen,

(Abg. Rust SPD: Ja!)

während andererseits das Bemühen der Fachhochschulen verhindert wird, sich in Departments zu organisieren.

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

Zu reden wäre über die höchstens mit obskuren, wirklichkeitsfremden Auslastungsberechnungen zu rechtfertigende Androhung von Trimesterregelungen oder über die unbefriedigenden Regelungen über den Hochschulzugang für Berufstätige ohne klassische Hochschulzugangsbefähigung.

(Abg. Zeller SPD: Sehr gut!)

Zu reden wäre auch über die Einschränkung der Prüfungsrechte des Rechnungshofs

(Abg. Zeller SPD: Sehr richtig!)

und darüber, dass zur Frauenförderung an den Hochschulen auch die Verantwortung für Kinderbetreuungsmöglichkeiten für das wissenschaftliche Personal gehört.

(Beifall bei der SPD)

Zu den ausführlicher dargestellten und den eben nur skizzierten Bereichen werden wir im Ausschuss Änderungsanträge einbringen. Wenn die Beratungen dieser Anträge nicht nur eine Farce sein sollen und sich nicht an das anlehnen, was mit den Anhörungsergebnissen passiert ist – diese wurden nämlich in der Regel nur lapidar zurückgewiesen –, dann werden Änderungen im Beratungsverfahren möglich sein. Die SPD-Fraktion wird konstruktiv daran mitarbeiten, dass dieser Gesetzentwurf ein guter Wurf wird.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Bregenzer, wir sind der Auffassung, dass man das Gute, das man von der Wirtschaft lernen kann, auch lernen sollte. Ich teile auch die Auffassung von Frau Bauer nicht, dass wir den Kopf vom Körper trennen würden. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil, wir stärken den Kopf, und dies hat dem Körper immer sehr gut getan.

Im Übrigen möchte ich ganz klar sagen: Die Erfolge, die wir hier in Baden-Württemberg an den Hochschulen haben, kommen nicht von ungefähr. Bereits zu Beginn des Jahres 1996, zu Beginn unserer gemeinsamen Koalition, wurden grundlegende Reformen an den Hochschulen durchgeführt. Ich weiß, dass 1999 viele doch noch Ängste in Bezug auf zu viel Autonomie hatten. Es war ein großer, ein von manchen als zu groß empfundener Schritt zur Stärkung der Autonomie der Hochschulen, verbunden mit der Einrichtung eines für deutsche Hochschulen neuen Steuerungs- und Aufsichtsorgans, nämlich des Hochschulrats.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung haben die Koalitionsfraktionen damals davon gesprochen, dass eine mutige Entscheidung zustande gekommen sei. Zugleich bekundeten sie aber auch ihre Überzeugung, diese Novellierung werde den baden-württembergischen Hochschulen einen positiven Entwicklungsschub geben, um den sie in anderen Bundesländern beneidet werden.

Vor wenigen Tagen, wie Sie alle wissen, am 3. November – das wurde von der Opposition leider noch nicht angeführt –, wurde das jüngste Länderranking des Centrums für Hochschulentwicklung vorgelegt. Wörtliches Zitat:

Besonders bemerkenswert ist... das insgesamt hervorragende Abschneiden der Universitäten des Landes Baden-Württemberg.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Dafür kann man allen Beteiligten nur danken. Sie wissen alle so gut wie ich, dass Bayern die zweite Position im Ländervergleich einnimmt, aber bei dieser Beurteilung erst mit großem Abstand folgen konnte.

Das Centrum für Hochschulentwicklung spricht von einer überlegenen Positionierung der baden-württembergischen Universitäten. Ich finde, dafür können wir Minister Dr. Frankenberg auch einmal würdigen und ihm Dank sagen.

Professor Müller-Böling sagte, wie bereits vorhin erwähnt:

Eine langfristig angelegte... Hochschulpolitik mit Reformelementen zahlt sich aus.

Ich finde es positiv, dass inzwischen auch die Opposition dies etwas mehr anerkennt.

Mit seinen mutigen Reformschritten hat Baden-Württemberg bundesweit eine Vorreiterrolle übernommen. Mittlerweile wissen alle: Wir sind auf dem richtigen Weg. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf konsequent fortführen.

Wir sind davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass die weitere Stärkung der Autonomie der Hochschulen durch den Rückzug des Landes aus der Detailsteuerung, dass die noch klarer definierte strategische Funktion des Hochschulrats, dass die Einführung gestufter Studiengänge mit den Abschlüssen Bachelor und Master, dass die Verbesserungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs – Stichworte Promotionsstudiengänge und Juniorprofessur bei Aufrechterhaltung der Möglichkeit der Habilitation –, dass das durchgängige Leitprinzip des Gender Mainstreaming und die Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie positive Effekte gerade auch für die Frauen haben. Wie Sie alle wissen, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu stärken. Dazu gehört unter anderem, dass der Berufungskommission, wie bereits ausgeführt, eine fachkundige Frau anzugehören hat und dass in Zukunft alle Maßnahmen auf Gender Mainstreaming hin untersucht werden müssen. Dies ist mir natürlich als Frau ganz besonders wichtig.

(Abg. Sieber CDU: Ehrlich?)

Dass all dies und vieles Weitere die Voraussetzungen dafür schafft, Qualität, Leistung und Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen weiter zu verbessern, ist ganz klar.

Gegenüber dem Anhörungsentwurf wurden übrigens 74 wesentliche Änderungen vorgenommen. Hierbei wurde gemeinsam mit den Hochschulen intensiv beraten. Aber bereits vor Einleitung der Anhörung wurde ein enger Kontakt mit den Hochschulen gepflegt.

Meine Damen und Herren, statt vier Hochschulgesetzen plus einem Berufsakademiegesetz werden wir künftig ein einheitliches Hochschulgesetz haben. Es umfasst 97 Paragrafen statt wie früher 550. Von rund 200 Zustimmungsund Anzeigevorbehalten bleiben lediglich noch 30 übrig. Dies sollte man unter dem Gesichtspunkt der Entbürokratisierung einmal besonders hervorheben.