Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

(Abg. Dr. Birk CDU: Schon wieder!)

Ich habe noch neun Minuten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe Sie nicht.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Ich verstehe Sie auch nicht!)

In Berlin gibt es eine B-9-Stelle – Herr Kretschmann hat es gerade gesagt –, und wir muten bei der Zusammenlegung von Ämtern und bei der Verschlankung der Verwaltung jedem alles nur Erdenkliche zu.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir wissen das. Lesen Sie einmal den Denkschriftbeitrag des Rechnungshofs zu unserer Berliner Dependance!

(Abg. Schmiedel SPD: Was macht Freudenberg? – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Selbst wenn man nicht alles unterschreibt, was der Rechnungshof sagt, ist doch klar, dass diese Stelle völlig unnütz ist. Dies gilt im Übrigen, Frau Kollegin Fauser, auch noch für eine andere Stelle.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Also, lieber Herr Drexler!)

Es gibt auch noch eine andere Stelle, die man einsparen könnte.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Ich lasse Frau Fauser jetzt in Ruhe. Ich wollte nur zu ihrem Zwischenruf sagen: Es gibt hier auch noch eine andere aus Proporzgründen geschaffene Stelle, die uns belastet.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Die Legislative muss von allen Parteien besetzt werden!)

Ich sage es noch einmal sehr deutlich: Herr Freudenberg könnte genau diese Aufgaben wahrnehmen.

(Unruhe)

Der Rechnungshof hat deutlich gemacht, Herr Ministerpräsident, dass man überhaupt nicht weiß, was der tut. Herr Freudenberg ist zusätzlich mit Besoldungsgruppe B 9 dort hingekommen. Die Auflagen, die Sie im Haushalt den Beamten und sonstigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst machen wollen, können Sie nicht mehr mit gutem Gewissen machen, wenn Sie jetzt die Ministerstelle neu besetzen. Das geht nicht!

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie würden die Ministerstelle ja am liebsten auch nicht neu besetzen. Wenn ich in Ihre Gesichter schaue, stelle ich fest: Hätten wir hierüber eine geheime Abstimmung, würde unser Antrag eine Zustimmung von 80 % erhalten. Das wissen wir doch.

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Herr Ministerpräsident, nun noch einmal zum Thema „Palmer und Pension“. Ich habe gesagt, dass das Gesetz falsch sei. Wir haben vor einem halben Jahr ein neues Gesetz beschlossen. Damals gab es als Alternativen einen Gesetzentwurf von uns und einen Gesetzentwurf von Ihnen. Sie haben Ihren Gesetzentwurf durchgebracht. Wir haben darauf hingewiesen, welche Auswirkungen das Gesetz haben würde, wenn die Minister Mappus und Palmer aus dem Amt scheiden würden. Diese Auswirkungen sind jetzt in Bezug auf Herrn Palmer eingetreten. Sagen Sie deshalb bitte nicht, meine Aussage sei unverschämt.

Ich kann nicht beurteilen, ob Herr Palmer das, was ihm zusteht, in Anspruch nimmt. Wenn er in die Privatwirtschaft wechselt, müsste er freiwillig darauf verzichten, denn die Pension ist mit Einkünften aus der freien Wirtschaft nicht verrechnungsfähig. Das muss man ja auch wissen. Er kann die Pension auch ablehnen, Herr Ministerpräsident. Aber

der Anspruch besteht. Mich stört schon, dass das Parlament ein Gesetz verabschiedet hat, nach dem es einen solchen Anspruch gibt, zu dem jeder Bürger sagt: „Die Abgeordneten sind nicht ganz dicht, wenn jemand im Alter von 42 Jahren im Laufe von 20 Jahren 1,6 Millionen € erhalten kann, ohne dass er etwas dafür tut.“ Das geht heute nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß, und stimmen Sie unserem Antrag zu. Sie sind ohnehin dafür; das zeigen mir Ihre Gesichter.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Capezzuto SPD: Da gibt’s noch so einen Job: den der dritten stellvertretenden Landtagsprä- sidentin!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher zur Abstimmung über die vom Herrn Ministerpräsidenten beantragte Berufung von Herrn Ulrich Müller zum Minister des Staatsministeriums und für europäische Angelegenheiten.

Wer der Berufung von Herrn Ulrich Müller zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Berufung von Herrn Ulrich Müller zum Minister des Staatsministeriums und für europäische Angelegenheiten wurde mehrheitlich zugestimmt.

Wir kommen nun zur Vereidigung des Herrn Ministers.

Nach Artikel 48 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg haben die Mitglieder der Landesregierung beim Amtsantritt vor dem Landtag den Amtseid zu leisten, der lautet:

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

Der Eid kann auch ohne die religiöse Beteuerung geleistet werden.

Herr Minister, ich darf Sie bitten, zu mir auf das Podium zu treten, die rechte Hand zu erheben und die Worte zu sprechen: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.“

(Die Anwesenden erheben sich.)

Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Vielen Dank. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute in Ihrem Amt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Kretschmann GRÜNE – Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Meine Damen und Herren, damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

a) Regierungserklärung – Stand der Beratungen in der Föderalismuskommission – und Aussprache

b) Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP/DVP und der Fraktion GRÜNE – Reform des Föderalismus – Drucksache 13/3727

Das Wort zur Regierungserklärung erteile ich Herrn Ministerpräsident Teufel.

(Unruhe)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit einem Jahr tagt die gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung.

(Anhaltende Unruhe)

In unzähligen Sitzungen wurde beraten, diskutiert und gestritten. Noch immer haben wir kein Ergebnis. Nicht ein einziger Punkt ist bis zum heutigen Tag unstrittig erledigt. Aber alle sind sich einig, dass die Reform gelingen muss. Sie kann jedoch nur dann gelingen, wenn bis Ende des Jahres eine weiterführende Reform auf dem Tisch liegt. Heute Mittag nehme ich an der Sitzung des Leitungsgremiums teil, das erstmals den Versuch von konkreten Formulierungen unternimmt.

Die nächsten Wochen entscheiden über Erfolg und Misserfolg der Kommission. In dieser Situation kommt es darauf an, dass Baden-Württemberg klare Vorstellungen davon hat, was es erreichen will. Wir werden nicht unsere Idealvorstellung durchsetzen können. Meine Verhandlungsposition ist aber umso besser, je mehr Rückhalt ich im Land habe.

Meine Damen und Herren, die Reform der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland ist überfällig:

Die Landtage sind in ihren Gesetzgebungsbefugnissen ausgeblutet. Sie haben kaum noch eigene Entscheidungsmöglichkeiten in der Gesetzgebung. In mehr als 50 Jahren sind Zuständigkeiten wie in einer Einbahnstraße von den Ländern zum Bund gewandert. Der Bund hat sie an sich gezogen. Die Länder werden mehr und mehr zu Verwaltungsprovinzen; ihr Staatscharakter ist kaum mehr erkennbar.

Deutschland steht im globalen Wettbewerb. Die Notwendigkeit von Reformen wächst. Die Welt verändert sich rasant. Andere Nationen holen auf. Uns gelingt es immer weniger, mit diesem Tempo mitzuhalten. Im Wettbewerb der Standorte muss der Staat schneller entscheiden können. Wir brauchen deshalb klare Zuständigkeiten beim Bund einerseits und den Ländern andererseits, und wir müssen die gegenwärtige Verflechtung und Unübersichtlichkeit überwinden.

Europa ist eine Realität. Mehr als 50 % unseres gesamten Gesetzesrechts – das auch zum vorigen Thema –, mehr als 80 % unseres Wirtschaftsrechts sind durch Vorgaben der Europäischen Union veranlasst.