(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sie sind dem Thema aber nicht gerecht geworden, Frau Kollegin! – Abg. Capezzuto SPD: Minister a. D. e. V.! Eingetragener Verein!)
Mit mehr als 4 Millionen ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern ist Baden-Württemberg tatsächlich das Land, in dem das meiste bürgerschaftliche Engagement umgesetzt wird.
Das ehrenamtliche Engagement hat eine lange Tradition in Baden-Württemberg. Wir haben ein gut ausgebautes Netzwerk bürgerschaftlichen Engagements, das von den kommunalen Landesverbänden und vom Sozialministerium getragen wird. – Kollege Hauk.
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Hauk CDU: Wenn der Herr Präsident mir das Wort erteilt, würde ich eine Zwischenfrage stellen!)
Frau Kollegin Lösch, würden Sie mir, wenn Sie auf die gute Tradition des bürgerschaftlichen Engagements und das gut ausgebaute Netzwerk hinweisen, dann zustimmen, dass das auch mit der guten Tradition der Regierungen hier in Baden-Württemberg zusammenhängt?
(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Kretschmann GRÜ- NE: Nein! – Abg. Capezzuto SPD: Oh, das tut weh! Wie war das mit dem Eigenlob? – Unruhe)
Kollege Hauk, in erster Linie sehe ich keinen Zusammenhang zwischen erfolgreichem bürgerschaftlichem Engagement in Baden-Württemberg und der Landesregierung.
Wir wollen, dass sich die Menschen in Baden-Württemberg engagieren. Bürgerschaftliches Engagement ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Zusammenhalts der Gesellschaft. Bürgerschaftliches Engagement ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Bürgergesellschaft.
Wir wollen, dass die Menschen ihre Interessen selbst vertreten können. Wir wollen, dass Menschen sich als Betroffene zusammenschließen und sich gemeinsam organisieren können, dass von der öffentlichen Hand nicht überreguliert und überbürokratisch organisiert wird
als einziger Lösung nicht mit ein. Wir meinen vielmehr: Das bürgerschaftliche Engagement braucht Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Menschen engagieren können. Daher fand ich auch den Titel der Aktuellen Debatte spannend: „Bürgerschaftliches Engagement vor neuen Herausforderungen“. Auf das Thema „Neue Herausforderungen“ möchte ich in zwei Punkten eingehen:
Der eine Punkt betrifft die zukünftige Rolle der Unternehmen und das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen. Um Anglizismen zu vermeiden, haben wir diesen Antrag „Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen“ überschrieben; neudeutsch heißt das „Corporate Citizenship“.
(Abg. Capezzuto SPD: Das war zu schnell! Können Sie das bitte wiederholen? Das war zu schnell, ich habe es gar nicht verstanden! – Abg. Hauk CDU: Könnten Sie es noch ins Italienische übersetzen? – Abg. Blenke CDU: Und aufschreiben?)
Der zweite Punkt, auf den ich in meiner Rede eingehen möchte, ist das Thema „Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement vor dem Hintergrund veränderter finanzieller Ressourcen“. Es geht darum, dass Sie auf der einen Seite das bürgerschaftliche Engagement hochhalten und es als die Basis der Bürgergesellschaft verkünden und auf der anderen Seite tatsächlich durch zehnprozentige Kürzungen mit Rasenmähermethoden dem bürgerschaftlichen Engagement, dem Ehrenamt und den Selbsthilfegruppen links und rechts eine Ohrfeige verpassen.
Bürgerschaftliches Engagement als Ausfallbürge für den Staat? Das versteht niemand. Damit haben viele Menschen ihre Schwierigkeiten. Doch genau das erleben viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, im Augenblick in Baden-Württemberg. Denken Sie an die vorgeschlagenen Kürzungen im Sozialhaushalt. Da geht es manchmal um ganz kleine Beträge. Mit der Kürzung ganz kleiner Beträge werden Strukturen kaputtgemacht, die einen riesigen Multiplikatoreffekt im ehrenamtlichen Bereich haben.
Ich möchte ein Beispiel zitieren. Durch die zehnprozentige Kürzung bei der Förderung des Landesfrauenrats werden 8 000 € eingespart. Mit dieser Kürzung um 8 000 € zerstören Sie die hauptamtliche Zuarbeit für eine Dachorganisation, in der 2,5 Millionen Frauen organisiert sind,
(Abg. Dr. Christoph Palmer CDU: Das wissen aber die Frauen nicht! – Abg. Capezzuto SPD: Aidshil- fe!)
die seit Jahren mit dem Sozialministerium zusammenarbeitet und gemeinsam mit dem Sozialministerium frauenpolitisch wichtige Themen bearbeitet hat. Mit der Kürzung um 8 000 € wird diese hauptamtliche Zuarbeit zerstört.
Weitere Kürzungen, und zwar um ca. 100 000 €, gibt es im Selbsthilfebereich. Das betrifft Selbsthilfegruppen für suizidgefährdete Menschen, Selbsthilfegruppen für Personen nach Krebserkrankungen, die Familienselbsthilfe, also viele Frauen, die sich seit Jahren ehrenamtlich in der Familienselbsthilfe und in Mütterzentren organisieren. Sie verstehen das nicht. Sie betrachten das als Ohrfeige.
Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf man das ehrenamtliche Engagement und das Bürgerengagement nicht nur in Sonntagsreden hochhalten. Wenn Sie es auf der einen Seite hochhalten, aber auf der anderen Seite Kürzungen vornehmen, dann hat das nur eine Feigenblattfunktion. Viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagiert haben, sind nicht mehr bereit, dies auch in Zukunft zu tun.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte einen Satz aufgreifen, der in dieser Debatte öfter gefallen ist: Wir müssen uns wirklich davor hüten, unsere ehrenamtlich engagierten Menschen als Lückenbüßer für einen sich zurückziehenden Staat zu betrachten. Wir müssen sie vielmehr als Chance begreifen. Ich denke, dass in diesem Auftrag für uns alle eine positive Herausforderung besteht.
Vorweg möchte ich sagen, dass wir in Baden-Württemberg wirklich eine gute Kultur des Miteinanders haben. Vorhin ist erwähnt worden: Von 10,5 Millionen Einwohnern sind 4 Millionen bürgerschaftlich engagiert. Es steht also gut um die soziale Kultur in unserem Land.
Und diese ist nicht erst gestern entstanden, sondern in vielen Jahren gewachsen und besteht bis zum heutigen Tag.
Lassen Sie mich ein Zitat von Johannes Rau anführen. Es umschreibt ganz passend, was ehrenamtliches Engagement und was Aufgabe des Staates und der Gesellschaft ist. Es lautet:
Das Politische ist in einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung... kein Vorrecht der Parlamente und Regierungen und kein staatliches Monopol, sondern Sache aller Bürgerinnen und Bürger...
Ich möchte aber auch betonen, dass wir das Engagement unserer Bürgerinnen und Bürger auch ernst nehmen müssen. Wir dürfen nicht kritisieren, wir dürfen nicht verordnen. Es geht auch gar nicht zu verordnen; denn Engagement kommt aus sich selbst, und die Menschen möchten das tun,
Dazu möchte ich auch sagen: Dort, wo der Staat, die Verbände, die Vereine nichts investiert haben, ist auch diese Ressource nicht abrufbar.
Es wurde gefragt, was wir überhaupt tun: Das Land hat das bürgerschaftliche Engagement schon lange in den Fokus seiner Aktivitäten genommen. Denn wir wissen, was wir an unseren Bürgerinnen und Bürgern haben.