Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine wichtige Erkenntnis habe ich jetzt schon gewonnen: Durch diese Novellierung wird eine bisher total unaussprechliche Abkürzung der Gesetzesüberschrift, nämlich LBodSchG,

(Abg. Capezzuto SPD: Können Sie das wiederho- len?)

durch die Einbeziehung der Altlasten wenigstens etwas leichter aussprechbar. Man muss aber dazusagen: Der Bereich Wasser ist bei der Abkürzung leider sträflich vernachlässigt worden.

Nun zum Thema direkt: Es wurde schon gesagt, dass es das Bundesgesetz bereits seit 1998 gibt. Ich will aber wiederholen, was Kollege Jägel und auch der Herr Staatssekretär angesprochen haben.

(Abg. Rüeck CDU: Hitzler! Kollege Hitzler!)

Hitzler. Pardon! So muss man es lernen. Herr Hitzler, entschuldigen Sie!

(Unruhe – Abg. Blenke CDU: Jetzt haben wir bei- de Namen aktenkundig!)

Jetzt haben wir die Namen wieder memoriert, und beim nächsten Mal kennen wir sie ganz bestimmt.

Kollege Hitzler und auch der Herr Staatssekretär haben schon angeführt, dass wir im Land bereits ein sehr gutes Bodenschutzgesetz hatten und es deshalb nicht die Notwendigkeit gab, sehr schnell nachzuziehen. Die Verzögerung hat sich einfach auch dadurch ergeben, dass im Bundesrecht eine Entschädigung der Landwirte vorgesehen ist. Das hat

die Landesregierung doch eine ganze Zeit zögern lassen. Durch die Umsetzung in den anderen Bundesländern hat sich allerdings gezeigt, dass bisher kaum Entschädigungsleistungen in Anspruch genommen wurden. Deswegen können wir das jetzt auch mit gutem Grund wagen.

Mit dem neuen Gesetz erhalten wir etwas Seltenes, nämlich ein Gesetz „pro Umwelt“, das gleichzeitig eine Entbürokratisierung einleitet. Das sollte eigentlich künftig Zielsetzung jeder Gesetzgebung sein. Das Gesetz ist deshalb pro Umwelt, weil es eine bessere Altlastenregelung bringt und außerdem die Selbstverpflichtung des Landes und der Kommunen bewirkt, dass neue Flächen nur dann ausgewiesen werden können, wenn innerörtlich keine Alternative vorhanden ist. Das ist in § 2 des LBodSchAG – man muss noch eine Weile üben – festgelegt.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Das Ganze liegt übrigens im Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums. Deswegen freue ich mich, dass auch der Wirtschaftsminister hier anwesend ist.

(Abg. Capezzuto SPD: Der kann das aussprechen?)

Was ist der Effekt? Die Innenentwicklung wird gefördert, die Ortskerne werden belebt, und die grüne Wiese wird geschont. Frau Schmidt-Kühner, ich weiß nicht, was Sie sich unter Flächengewinnen vorstellen. Ich verstehe darunter, dass man Flächen, die bisher zwar versiegelt sind, aber nicht mehr genutzt werden können, wieder nutzbar macht. Das ist für den Bodenschutz wirklich ein wesentlicher Gewinn. Ob man aber allein dadurch, dass man Kataster erstellt und weitere Vorschriften erlässt, handlungsfähiger wird, das wage ich zu bezweifeln. Darüber werden wir im Ausschuss mit Sicherheit noch einmal reden müssen.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Das Land wirkt mit dieser Regelung auf jeden Fall als Vorbild. Das Land ist bereit, eine Vorreiterfunktion zu übernehmen. Grenzen setzt – das wurde schon angesprochen – lediglich das Bundesbaurecht.

Das Aktionsbündnis „Flächen gewinnen in Baden-Württemberg“ unter Federführung des Wirtschaftsministeriums ist in diesem Bereich jedoch aktiv, was das Land betrifft, und das ist ein weiterer Baustein zum Sparen und Gewinnen von Flächen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist zudem unbürokratisch und wirtschaftsfreundlich, weil dadurch die Ausweisung so genannter Bodenschutzflächen möglich ist und nicht mehr wie früher jedes Grundstück einzeln parzellenscharf erfasst wird. Damit kann zum Beispiel Bodenmaterial innerhalb dieses Gebiets ohne besondere Genehmigungen transportiert werden. Das heißt, Sanierungen können weit einfacher durchgeführt werden als bisher.

Abschließend zu erwähnen ist das Anhörungsverfahren, das der Kollege Hitzler auch schon erwähnt hat.

(Abg. Rüeck CDU: Den Namen muss man sich merken!)

Denn in diesem Anhörungsverfahren hat die Regierung die betroffenen Verbände wirklich umfassend beteiligt, und es waren auch noch Änderungen möglich, zum Beispiel im Bereich des Anzeigeverfahrens – dies auf Hinweise der Industrie- und Handelskammern und des Verbands kommunaler Unternehmen.

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion gibt ihre generelle Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und erklärt ihre Unterstützung. Wir unterstützen auch das Eintreten der Landesregierung für einen umfassenden Bodenschutz, vor allem, wenn damit gleichzeitig eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Verwaltungshandelns erreicht wird und die Bürger entlastet werden. Dann hat dies für uns einen besonderen Charme.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hitzler CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Boris Palmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der jetzt zu diskutierende Gesetzentwurf hat durchaus Bezüge zu dem, was heute Morgen im „Hauptprogramm“ diskutiert wurde, nämlich zur Frage des Föderalismus. Wir haben hier den klassischen Fall der konkurrierenden Gesetzgebung. Das heißt, der Bund hat, nachdem sich Baden-Württemberg – noch bevor Erwin Teufel Ministerpräsident wurde – mit einem Landesbodenschutzgesetz tatsächlich an die Spitze gesetzt hat, unter Angela Merkel – das war eine ihrer letzten Taten als Bundesumweltministerin – ein Bundesbodenschutzgesetz in der konkurrierenden Gesetzgebung erlassen. Wir beschäftigen uns jetzt – sechs Jahre später! – mit der Ausführung des Bundesbodenschutzgesetzes, indem wir die Materie bei uns im Land neu ordnen. Das zeigt die Probleme des Föderalismus in seiner verkrusteten Form in aller Deutlichkeit auf.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das zeigt die Chancen des Föderalismus auf!)

Sechs Jahre Umsetzungszeit, Frau Berroth, ist nun wirklich nicht Spitze, und der Herr Staatssekretär ist die Antwort darauf, warum es so lange gedauert hat, schuldig geblieben. Sie haben eine Erklärung geliefert. Die Regierung hat noch keine Erklärung abgegeben; vielleicht können Sie das in zweiter Lesung nachholen, Herr Staatssekretär. Spitze ist das jedenfalls sicher nicht.

Über den wesentlichen Gehalt des Gesetzentwurfs gibt es Konsens; anders kann das bei einem Ausführungsgesetz auch nicht sein. Selbstverständlich müssen die Vorschriften des Bundesbodenschutzgesetzes ausgeführt werden. Deswegen ist es auch notwendig, die Altlastenfrage, die bisher im Landesabfallgesetz geregelt war, in diesem neuen Gesetz zusammenzufassen.

Allerdings – und darüber sollte man schon noch einmal diskutieren –: Wenn schon das Parlament mit einem solchen Gesetzentwurf befasst wird, stellt sich doch die Frage, ob die in der Gesetzesmaterie erfassten Güter mit Ihrem Gesetzentwurf adäquat geregelt werden. Ich bin der Auffassung, dass hier wieder viel zu kurz gesprungen wird und dass eine Chance, bei der Neuregelung inhaltlich voranzukommen, vergeben wird. Die beiden Punkte, um die es

geht, sind der Flächenverbrauch und die Frage der Altlasten.

Was den Flächenverbrauch angeht, so haben Sie zwar eine geringfügige Konkretisierung des Sparsamkeitsgrundsatzes bei der Inanspruchnahme unseres Bodens vorgenommen; aber wenn Sie ehrlich sind, so wissen Sie, dass jeder Bürgermeister – es sitzen ja einige hier – Ihnen sagen wird: Was Sie da an Konkretisierungen vornehmen, wurde schon bisher immer beachtet.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Genau!)

Das heißt, zur Reduktion des Flächenverbrauchs wird das neue Gesetz nichts beitragen;

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So gut sind unsere Bürgermeister!)

es ist trivial. Im Übrigen ist es auch ziemlich bedauerlich, dass die wenigen Konkretisierungen, die Sie vornehmen, nur für Planfeststellungen und Plangenehmigungen wirksam sein sollen, nicht aber für die wirklich wesentlich wichtigere Palette der Flächennutzungspläne, der Bauleitpläne und der Regionalpläne. Dort finden die Grundsätze der sparsamen Nutzung des Bodens keine Anwendung, und bei diesem Punkt sollten Sie schon noch einmal erklären, warum es Ihnen nicht möglich war, diese Grundsätze in einem breiteren Ausmaß festzuschreiben.

Richtig ist auch, dass die möglichen Instrumente zur Reduktion des Flächenverbrauchs weiter brach liegen. Ich erinnere erstens an die Diskussion über den Zertifikatehandel, der vom Nachhaltigkeitsbeirat dieser Landesregierung vorgeschlagen wurde. Wir warten noch auf eine Stellungnahme des neuen Ministers – ich meine jetzt nicht den ganz neuen Minister, sondern den neuen Minister, also Herrn Mappus und nicht Herrn Müller – zu der Frage, wie es denn nun eigentlich mit dem Zertifikatehandel weitergehen soll. Jetzt ist der Minister leider nicht da, aber vielleicht kann der Staatssekretär dazu Auskunft geben. Die Frage ist, ob der Vorschlag dieses Nachhaltigkeitsbeirats sofort wieder in das Recyclingverfahren gegeben wird oder ob noch etwas Substanzielles dabei herauskommt.

Offenbar ist auch der Wirtschaftsminister wieder gegangen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Jetzt ist er als Wirtschaftsminister da!)

Ach, da ist er ja jetzt. Jetzt hat er sich auf die Ministerbank gesetzt. – Herr Minister, wie sieht es mit der wirklich völlig kontraproduktiven Förderung von interkommunalen Gewerbegebieten aus, die meistens mitten zwischen den Kommunen und damit in extrem ungünstiger geografischer Lage, was den Bodenschutz angeht, gelegen sind? Wird da vonseiten Ihres Ministeriums weiter gefördert, oder werden Sie endlich einen Schlussstrich unter diese unsinnige Förderung ziehen, die schon lange keine Arbeitsplätze mehr bringt,

(Widerspruch des Wirtschaftsministers Pfister – Abg. Kiefl CDU: Jede Menge Arbeitsplätze!)

sondern nur Leerstände?

(Unruhe bei der CDU)

Sie können es überall im Land besichtigen: Wir haben ein massives Überangebot an leer stehenden voll erschlossenen Gewerbegebieten, häufig gefördert von dieser Landesregierung. Darüber sollten wir wirklich einmal inhaltlich intensiv reden.

Was das zweite Instrument zur Reduktion des Flächenverbrauchs angeht, gibt es ebenfalls ein Versäumnis, Herr Staatssekretär. Was ist denn mit den Altlasten? Wenn Sie vom Aktionsbündnis „Flächen gewinnen in Baden-Württemberg“ reden, denke ich doch insbesondere an altlastenbehaftete Flächen. Was passiert dort? Sie haben innerhalb von sieben Jahren die Förderung der Sanierung von Altlasten von 80 auf 20 Millionen € zurückgeschraubt. Außer bei den begonnenen Projekten können Sie fast gar nichts mehr machen; Neues geht nicht mehr. Mit dieser Haushaltslinie wird also nichts geschehen.

Die Fondslösung, die Wirtschaft in Haftung zu nehmen, haben Sie aus Angst vor der Industrie nicht weiterverfolgt, obwohl sie im Umweltplan festgehalten ist.

Heute Morgen haben wir über die Eigenheimzulage diskutiert. Würde sie abgeschafft, hätten wir im Land 400 Millionen € zur eigenen Disposition und könnten dann zum Beispiel einen Altlastensanierungsfonds auflegen, der gut ausgestattet ist und Bauland für Bauwillige zu kostengünstigen Preisen bereitstellt, ohne in die Flächen, ohne in die Umwelt zu gehen. Würden Sie solche Wege beschreiten, hätten wir alle etwas dabei gewonnen.

Also Strich drunter: technische Abwicklung in Ordnung, wenn auch etwas spät nach sechs Jahren, aber null politischer Ehrgeiz bei den inhaltlichen Zielen, um die es gehen sollte. Deswegen ist es sehr schade, dass wir heute vor leeren Rängen einen solchen Gesetzentwurf, der nichts als die technische Umsetzung von Notwendigkeiten beinhaltet, diskutieren müssen, während die brennenden Fragen weiter bestehen.

(Beifall bei den Grünen)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Vorgeschlagen wird Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Umwelt und Verkehr. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 7 erledigt.