Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Erstens: Evaluation. Wer andere evaluiert, muss sich auch selbst der Evaluation stellen. Auch das neue Institut für Schulentwicklung muss rechenschaftspflichtig sein. Deshalb ist es notwendig, dass auch dessen Entwicklung begutachtet und bewertet wird. Die Ministerin muss eine Antwort darauf geben, wie dies geschehen soll.

Zweitens: die Unabhängigkeit des Landesinstituts. Wichtig ist in der Tat die Unabhängigkeit; das haben Sie, Frau Lazarus, ja auch betont. Denn wer evaluiert, muss den Blick von außen haben. Leider ist es aber tatsächlich so, dass das Institut für Schulentwicklung im Gesetzentwurf sehr eng an das Kultusministerium angebunden wird. Das wird bei der Besetzung des Vorstands deutlich, aber noch stärker bei der Besetzung des Aufsichtsrats.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Richtig!)

Der Aufsichtsrat wird ausschließlich vom Kultusministerium besetzt. Absurderweise ist sogar vorgesehen, dass der Staatssekretär Vorsitzender des Aufsichtsrats werden kann. Das heißt, das halbe Kultusministerium ist in diesen Gremien,

(Abg. Zeller SPD: Genau!)

und der Vorsitzende ist der Staatssekretär. Dann kann man das Landesinstitut gleich als Abteilung des Kultusministeriums führen und braucht nicht so zu tun, als handle es sich hier um eine eigenständige Einrichtung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Caroli SPD: Nichts persönlich gegen den Staatssekretär, aber das muss nicht sein!)

Hier wird ähnlich gehandelt wie im Hochschulbereich, verehrte Frau Kultusministerin, denn auch dort bindet Minister Frankenberg über die Besetzung des Aufsichtsrats die Hochschulen wieder direkt an sich und kann direkt Einfluss nehmen. Folglich steht die Selbstständigkeit der Einrichtungen in beiden Ministerien ausschließlich auf dem Papier.

Wir Grünen schlagen dagegen eine plurale Besetzung des Aufsichtsrats vor, und zwar auch mit jenen, die an der Schule beteiligt sind und die betroffen sind: mit den Abnehmern, zum Beispiel mit Vertretern der Eltern, des Landesschülerbeirats und auch der Wirtschaft. Denn es kann nicht sein, dass diejenigen, die am intensivsten betroffen sind und auch mitwirken sollen, aus diesen Gremien ausgeschlossen sind.

Drittens: Bildungsberichte. Wir als Grüne sind sehr dafür. Aber hierzu gibt es nur vage Aussagen. Deshalb frage ich: Wie oft sollen sie erscheinen? In welcher Form? An wen gehen diese Bildungsberichte? Sind sie öffentlich? Gehen Sie an den Landtag, und werden sie dort öffentlich diskutiert? Das sind ganz wichtige Fragen. Wir können uns nicht mit der Formulierung zufrieden geben, es handle sich hierbei ausschließlich um eine Angelegenheit der Exekutive. Denn wenn Bildung eine öffentliche Angelegenheit ist und Transparenz notwendig ist, dann muss ein solcher Bildungsbericht auch direkt an den Landtag gehen und darf

nicht durch den Filter des Kultusministeriums fließen, bevor er tatsächlich an den Landtag geht.

Der Bericht muss die Stärken und Schwächen des Schulwesens, der Entwicklung von Unterricht aufzeigen, weil dann hier im Landtag bildungspolitische Entscheidungen getroffen werden und auch neue Lösungen über die Weiterentwicklung des Bildungswesens gefunden werden müssen.

Viertens: die angestrebte Kostenneutralität. Hierbei kann ich mich nur dem anschließen, was Kollege Caroli bereits vorgetragen hat. Angesichts der großen Fülle der neuen Aufgaben, die auf das neue Landesinstitut zukommen, und angesichts der Tatsache, dass dieses Institut sogar eine eigenständige Evaluationsagentur werden muss, die auch entsprechend gut mit Personal ausgestattet sein muss, wird das nicht kostenneutral umsetzbar sein. Der in der Vergangenheit beschrittene Weg, den Personalbestand über Abordnungen aus der Schule zu sichern, wird künftig nicht mehr beschritten werden können. Wir lehnen es ab, dass auf Kosten der Versorgung des Unterrichts immer wieder Lehrkräfte an das Landesinstitut abgeordnet werden. Das ist der falsche Weg. Er kann künftig nicht mehr beschritten werden.

Deshalb muss geklärt sein, wie das Landesinstitut künftig finanziert werden kann. Da sind Sie die Antwort bis jetzt schuldig geblieben.

Zum Schluss der fünfte Kritikpunkt: die Kooperationspartner des neuen Landesinstituts. Es ist natürlich notwendig, dass eine vielfältige Zusammenarbeit und Vernetzung mit Kooperationspartnern stattfinden muss. Sogar die Kirchen werden genannt. Aber wer fehlt komplett? Die Schulverwaltung. Damit bestätigt sich das, was ich schon in der Vergangenheit gesagt habe, Frau Kultusministerin Schavan: Durch die Verwaltungsreform haben Sie die Schulverwaltung als Teil der Qualitätssicherung und als Teil der Qualitätssicherungsinstrumente im Bildungswesen völlig aufgegeben. Das wird übrigens auch von Oberschulamtspräsident Schnatterbeck

(Abg. Dr. Caroli SPD: Wer ist denn das?)

in einem BNN-Interview indirekt eingeräumt. Zitat:

Ich habe jahrelang für einen anderen Charakter der Schulverwaltung als Partner von Schulen und Serviceeinrichtung für Schulen gearbeitet. In Zukunft wird alles unter dem Paradigma einer allgemeinen Verwaltung stehen.

Belegt wird das auch dadurch, dass in der Schulverwaltung eine kollektive Flucht in andere Bundesländer eingesetzt hat. Die pädagogischen Referenten versuchen alle, noch mit letzter Kraft auf Schulleiterstellen abzuspringen. Das heißt, die Schulverwaltung hat ihre originäre Aufgabe verloren. Wenn das so ist, meine Damen und Herren und Frau Kultusministerin,

(Abg. Schmiedel SPD: Dann können wir sie auch auflösen!)

dann wäre es nur konsequent, dort auch den Abbau von Personal wirklich umfassend vorzunehmen. Dann hätten wir nämlich die Mittel oder wenigstens einen Teil der Mittel, um die Qualitätssicherung an den Schulen – nicht zuletzt

auch beim LEU – zu betreiben. In diesem Bereich werden wir Grünen initiativ werden.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Abg. Seimetz CDU: Doch, Herr Präsident! Halt!)

Frau Ministerin Dr. Schavan, selbstverständlich erhalten Sie das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich nur deshalb zu Wort gemeldet, weil Frau Rastätter einige Fragen gestellt hat, die ich gerne beantworten möchte.

Erste Frage: Wie werden die Instrumente für eine Evaluation genau aussehen? Da sind wir mit unseren Überlegungen ganz in der Anfangsphase, auch in der Abstimmung mit dem Berliner Institut. Ich schlage vor und bin gerne dazu bereit, dass wir, wenn ein erstes Konzept dazu vorliegt, darüber im Schulausschuss berichten.

Zweitens: Der künftig geplante Bildungsbericht wird selbstverständlich öffentlich sein – wir sind jetzt dabei, ihn zu erarbeiten, übrigens in enger Verbindung mit dem Berliner Institut, das ja für alle 16 Länder einen Bericht erstellt – und auch im Parlament diskutiert werden können. Das ist dann überhaupt keine ressortspezifische Angelegenheit.

Drittens, die Frage der Ressourcen: Bei der Neukonstituierung des Instituts haben wir einerseits – und das ist jetzt eine aus der Sache gewachsene Erkenntnis – gesagt: Wir wollen künftig einen relativ kleinen Stamm fester Mitarbeiter und im Übrigen sehr viele vorübergehend tätige Arbeitsgruppen. Das Institut muss immer wieder in der Lage sein, sich auch auf neue Dinge, neue Projekte einzustellen.

Klar ist auch, dass es in diesen Zeiten schon ein anstrengender Prozess ist, wirklich genügend viele auch schon von ihrer bisherigen Biografie her gut vorgebildete Leute zu finden. Das ist in Deutschland ein generelles Problem.

Wir beginnen mit der Evaluation, müssen jetzt also auch dafür sorgen, dass wir Nachwuchskräfte finden, die neben ihrem regulären Studium zu entsprechenden Kompetenzen kommen, um das zu tun. Wenn Sie mich fragen: Ich bin davon überzeugt, dass in zehn Jahren diejenigen die Hauptgruppe sein werden, die zu einem Evaluationsteam gehören, die mobil sind, die überall im Land erreichbar sind, die nicht in einem Institut einen Raum und einen Schreibtisch haben. Das ist eine andere Art des Arbeitens. Die werden mit ihrem Laptop unterwegs sein. Das muss die Hauptgruppe sein. Die müssen wir Stück für Stück entwickeln.

Bei dem, was Sie zur Schulverwaltung gesagt haben, musste ich insofern ein bisschen schmunzeln – und ich vermute, Sie da wohl auch –, als Sie mir unter anderem jahrelang vorgeworfen haben, ich sei nicht – –

(Abg. Dr. Caroli SPD: Was heißt „Sie da“?)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Entschuldigung! Die verehrten Kollegen aus dem Metier. Haben Sie das gehört, Herr Caroli?

(Abg. Dr. Caroli SPD: Ja!)

Gut. – Sie haben mir jahrelang vorgeworfen, dass ich Beratung und Schulverwaltung nicht sauber trennen und die Dinge zu sehr vermischen würde. Jetzt sagen wir wirklich: Beratung, Unterstützungssysteme sind nicht primär Angelegenheit der Schulverwaltung. Das halte ich von der Entwicklung her für richtig.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Richtig!)

Das heißt aber jetzt nicht umgekehrt, dass sich Schulaufsicht dafür nicht mehr interessieren solle. Es ist eine andere Perspektive.

Ich sage Ihnen etwas, auch wenn Sie an den Generationenwechsel in Führungspositionen denken: Die Schulverwaltung wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren ganz stark damit beschäftigt sein, Konzepte der Personalentwicklung zu erstellen. Damit verbunden stellt sich natürlich immer auch die Frage der Qualitätsentwicklung. Aber ich glaube, es ist ein richtiger Weg, das, was Unterstützungssysteme für unsere Schulen angeht, primär von einem Institut machen zu lassen, das auch in größerer Nähe zur Wissenschaft und zu anderen Bundesländern steht.

Das wollte ich auf Ihre Fragen hin sagen.

Im Übrigen gestatten Sie mir den Hinweis: Es ist immer wahr, dass man auch ein bisschen mehr Geld hineintun kann. Aber bislang gibt es kein SPD-regiertes Land mit einer Einrichtung, die auch nur annäherungsweise die Selbstständigkeit hat wie das Institut bei uns. Soest hat einen völlig anderen Charakter, sodass ich, auch was die Selbstständigkeit angeht, unseren Weg für gut halte.

(Glocke des Präsidenten)

Der Aufsichtsrat wird nicht mit Mitgliedern des Kultusministeriums besetzt sein, sondern er wird bestellt. Ich glaube, dass dieser Punkt im Blick auf die Verantwortung, die wir für das Bildungswesen haben, auch wichtig ist.

Ich danke Ihnen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie noch eine Nachfrage des Herrn Kollegen Dr. Caroli?

Ja, bitte schön.

Frau Ministerin Schavan, sind Sie ungeachtet aller eventuellen Situationen in anderen Ländern der Republik bereit, bei den Haushaltsberatungen für eine optimale sächliche und personelle Ausstattung dieses Instituts zu kämpfen, damit daraus ein echter Wurf wird?