Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Nach § 82 Abs. 4 erteile ich nun Herrn Abg. Kretschmann das Wort.

(Abg. Kretschmann GRÜNE trinkt aus dem Was- serglas seines Vorredners. – Große Heiterkeit – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ich kann Ihnen versi- chern, das ist nicht gefährlich! – Zuruf des Abg. Drexler SPD – Abg. Capezzuto SPD: Was ist denn in dem Glas drin?)

Es gibt hier eben nur ein Einheitsglas. Wir müssen alle sparen, und da fängt man am besten beim Wasser an.

(Abg. Drexler SPD: Besser beim Wasser als bei der Eigenheimzulage!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was treibt eigentlich die Menschen in Deutschland um? Die Menschen in Deutschland treibt die Frage um: Wie geht es mit Deutschland in der Zukunft weiter?

(Abg. Hofer FDP/DVP: Ja, mit dieser Bundesregie- rung! – Abg. Theurer FDP/DVP: Bei dieser Bun- desregierung ist die Frage auch berechtigt! – Zuruf des Abg. Dr. Birk CDU)

Werden wir in der Lage sein, bei den Industrienationen vorn mitzuspielen? Können wir aufgrund der Globalisierung unseren Wohlstand und unsere Standards halten? Wie wird es in Zukunft mit den Arbeitsplätzen aussehen? Wie wird es mit dem Einkommen der Arbeitnehmer aussehen? Wenn wir uns die Konflikte der großen Betriebe anschauen, dann merken wir, woher dort der Wind bläst: Die Leute haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Sie müssen Tarifabschlüsse tätigen, die Reallohnsenkungen bedeuten, damit ihre Arbeitsplätze gesichert werden.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Also kriegen sie auch kei- ne Eigenheimzulage mehr! – Unruhe bei der CDU)

Das ist das, was die Menschen in Deutschland umtreibt.

(Lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP/DVP)

Was haben wir da für eine Aufgabe? Wir haben in einer solchen Situation die Aufgabe, unsere Haushalte zu sanieren und die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass es mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland nicht weiter abwärts, sondern wieder aufwärts geht.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Und zur Strafe kriegen sie auch keine Eigenheimzulage!)

In einer solchen Situation muss sich jeder, der Verantwortung trägt, fragen: Was kann der Staat angesichts der knappen Haushaltsmittel machen? Wo muss er seine Mittel einsetzen, und wo kann er das nicht mehr tun, auch wenn es früher vielleicht einmal richtig war? Das sind die Fragen, die sich hier stellen, und nicht Ihre aufgezogenen ideologischen Blasen, die Sie hier produziert haben.

(Beifall bei den Grünen)

Wie sollen denn in einer solchen Situation Normalbürger Eigentum bilden und Häuser bauen können? Die Leute haben doch ganz andere Probleme.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sie verschärfen doch die Probleme! – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Das können doch in einer solchen Situation nur Leute machen, die auf eine gewisse Sicherheit ihres Arbeitsplatzes und ihres Einkommens bauen können. Davon sind wir doch gerade weit entfernt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist ja zynisch!)

Wir müssen unsere Kräfte doch auf die Frage konzentrieren: Wie können wir diesen Menschen ihre Arbeitsplätze sichern? Was müssen wir bei den Lohnnebenkostensenkungen und all diesen wichtigen Fragen machen, damit wir wettbewerbsfähig werden?

(Abg. Hofer FDP/DVP: So wird das Geld aber nicht ausgegeben!)

Das müssen wir in einer außerordentlich angespannten Haushaltssituation beim Bund, bei den Ländern und bei den Gemeinden tun. Ich finde, das wäre die richtige Folie, um hier über dieses Thema zu diskutieren.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Lasst den Leuten mehr Geld in der Kasse! Die wissen schon, was sie mit dem Geld machen, wenn sie ein bisschen mehr in der Kasse haben!)

Jetzt weiß doch jeder, dass sowohl der Eichel als auch der Stratthaus

(Abg. Alfred Haas CDU: Der Herr Stratthaus!)

ihre Haushalte überhaupt nur noch dadurch verfassungsgemäß hinbekommen, dass sie mit ziemlich windigen Tricks arbeiten. Zum Beispiel macht das der Stratthaus, indem er die zu erwartenden Zinseinkünfte der LBBW schon jetzt verscheuert.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Das ist nichts anderes als eine verdeckte Schuldenaufnahme. Das ist die Situation, in der hier Haushaltspolitik gemacht wird. Im Bund sieht es nicht besser, sondern schlimmer aus.

Jetzt muss man doch einmal fragen: Kann der Staat in einer solchen Situation unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten einer sozialen Marktwirtschaft

(Abg. Drexler SPD: Steuerreform mit Milliarden!)

Leute fördern, die gewiss nicht zu den Ärmsten in der Gesellschaft gehören? Ich sage Ihnen, wie das in Zukunft aussieht. 10 % der Deutschen besitzen 40 % der Vermögen, 60 % der Deutschen besitzen die restlichen 60 %, und 30 % besitzen kein Vermögen oder haben gar Schulden.

(Abg. Drexler SPD: Gar nichts! – Zurufe der Abg. Hofer und Beate Fauser FDP/DVP)

Ich sage Ihnen: Der Sozialstaat der Zukunft wird so aussehen, dass wir nur noch für diese 30 % tätig werden können und nicht mehr für die anderen, die Vermögen haben. Das sind die Tatsachen, vor denen wir stehen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist ja kein Widerspruch! – Abg. Hofer FDP/ DVP: Was lernen wir daraus?)

Wer das verkennt, ist jedenfalls nicht in der Lage, diesen Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu machen. Er ist schon gar nicht in der Lage, die Haushalte zu sanieren. Das möchte ich in dieser Debatte betonen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Dann müssen Sie die mit 30 % fördern!)

Nun mag diese Eigenheimzulage ja in der Vergangenheit richtig gewesen sein. Aber jetzt frage ich einmal: Was soll es denn bei der demografischen Entwicklung, die wir alle absehen, für einen Sinn haben, jetzt noch die Eigenheimzulage zu gewähren? Jeder, der durch das Land geht, weiß doch angesichts der demografischen Entwicklung, die auf uns zukommt,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Altersvorsorge!)

dass die Immobilienpreise insbesondere im gesamten ländlichen Raum unter einen dramatischen Druck kommen werden und fallen werden. Das kann doch jeder absehen.

(Abg. Schneider CDU: Das stimmt doch nicht! Quatsch! Großer Quatsch! – Abg. Hofer FDP/ DVP: Das ist doch gar nicht wahr!)

Doch, genau das ist der Punkt. Genau das wird eintreten. Das fängt im Übrigen schon jetzt an.

Man kann demnach erwarten, dass Leute, die überhaupt in der Situation sind, sich Wohneigentum leisten zu können, sich das auch in Zukunft leisten können, weil die Immobilienpreise im Land – außer in den Ballungsgebieten – auf breiter Front sinken werden.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Sie können überhaupt nicht seriös bestreiten, dass das aufgrund der demografischen Entwicklung so sein wird.

Ein zweiter Aspekt auch zur demografischen Entwicklung: Wir kommen in eine Situation, in der wir immer mehr Erben haben, in der aber auch Leute da sein werden, die gar keine Nachkommen mehr haben. Auch das ist ein ganz klares Indiz dafür, dass es völlig unsinnig ist, dass der Staat angesichts dieser Entwicklung und bei einer so klammen Haushaltslage – das muss ich ja immer dazusagen – noch selbst Wohneigentum fördert. Das kann er schlichtweg nicht. Das ist in einer solchen Entwicklungsphase unverantwortlich.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Dieser Situation Rechnung zu tragen sind Sie nicht in der Lage, weil Sie nur das propagieren, was früher einmal richtig war. Reformfähigkeit bedeutet, das, was früher richtig war, infrage zu stellen, weil es in der Zukunft unter Umständen nicht mehr stimmt.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht!)

Drittens: Jeder weiß, dass nirgends so teuer gebaut wird wie in Deutschland. Jeder, der ehrlich ist, muss dies zugeben. Man kann in Baden-Württemberg durch Neubaugebiete gehen, wo immer man möchte, man sieht bei den Häusern schon von außen,

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

welches Geld in Wohneigentum gesteckt wird.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das gilt für Mietwoh- nungsbauten ganz genau so!)