Protokoll der Sitzung vom 19.07.2001

Wir werden weiterhin wie kein anderes Bundesland Ausländer, auch jugendliche Ausländer, die Straftaten begangen haben, konsequent in ihre Heimat zurückführen und abschieben.

(Beifall bei der CDU)

Bleibt das Thema Integration. Kein anderes Bundesland hat so früh wie wir nicht nur ein eigenes Konzept, sondern auch einen eigenen Gesetzentwurf zur Integration vorgelegt. Der Gesetzentwurf hat leider keine Mehrheit im Bundesrat gefunden. Interessanterweise hat aber jetzt vor wenigen Wochen oder Monaten Nordrhein-Westfalen auch einen Gesetzentwurf zur Integration vorgelegt, der sehr stark dem Gesetzentwurf von Baden-Württemberg ähnelt. Ich habe bei diesem Teil Integration, auch was den SüssmuthBericht angeht, die Hoffnung – mit einer wesentlichen Ausnahme, auf die ich noch komme –, dass auch da Konsens erreicht werden könnte. Man kann ohne Schwierigkeiten feststellen, dass sich der Süssmuth-Bericht gerade bei dem Thema Integration, jedenfalls teilweise, fast im Wortlaut an unserem Gesetzentwurf orientiert. Das ist auch in Ordnung so.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Dann könnt ihr ja zu- stimmen! – Abg. Birzele SPD: Mit einem ganz we- sentlichen Unterschied, was die Finanzierung be- trifft! Das ist der entscheidende Punkt! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Ein entscheidender Punkt! Noch einer!)

Wir gehen davon aus – so, wie es gesagt worden ist –, dass wir fördern und fordern müssen. Wir stellen allerdings fest – das hat Herr Kollege Heinz richtig herausgearbeitet –, dass der Süssmuth-Bericht das Thema „Fordern“ bei der Integration zwar in der Überschrift nennt, sich dann aber in den danach folgenden Ausführungen wieder vom Thema entfernt.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Dann haben Sie der Kollegin Bauer nicht zugehört!)

Wir müssen uns schon über Sanktionen unterhalten. Wenn wir sagen – das ist ein Grundsatz, der einfach richtig ist; über ihn besteht ja, bis auf die Grünen, eigentlich auch Konsens –, dass Integration keine Einbahnstraße sein darf und sein kann,

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das ist logisch!)

dann muss es natürlich auch um Konsequenzen gehen, wenn Integrationskurse und Integrationsangebote grundlos nicht angenommen werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Das muss auf jeden Fall zu einer Kürzung der Sozialleistungen führen. Wir sagen auch in unserem Gesetzentwurf: Für neu eingereiste Ausländer, die sich weigern, sich bei uns über Kurse integrieren zu lassen, muss die Konsequenz sein, dass sie nicht auf Dauer in Deutschland bleiben können. Das ist doch eigentlich selbstverständlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Was machen Sie dann mit der thailändischen Frau?)

Jetzt kommt der für mich wesentliche Pferdefuß: Beim Abschnitt über Integration im Süssmuth-Bericht

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Sie können Anreize schaffen, aber mehr nicht!)

ist die Erhöhung des Nachzugsalters vorgesehen. Das hat mir – das muss ich ganz offen so formulieren – einfach die Sprache verschlagen. Der Ansatz, den die Kommission macht, ist ja zunächst einmal vernünftig. Es ist aber überhaupt nicht damit zu vereinbaren, dass man dann auf diese Schnapsidee kommt – ich will das einmal so formulieren –, das Nachzugsalter von 16 auf 18 Jahre zu erhöhen. Meine Damen und Herren, das große Problem bei der Integration junger Menschen ist doch schon bisher, dass sie in vielen Fällen leider in einem Alter nach Deutschland kommen, in dem sie keine Chance mehr haben, unser Bildungssystem mit Erfolg zu absolvieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wenn sie das nicht tun können, dann werden sie sich auf Dauer eben nicht bei uns integrieren können. Sie werden im Gegenteil – wir haben hier ja sowieso einen erhöhten Anteil bei den Ausländern –

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Dann dürften ja gar keine Erwachsenen kommen!)

(Minister Dr. Schäuble)

Sozialhilfeempfänger werden und, je nachdem, überhaupt auf die schiefe Ebene abrutschen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Sa- lomon GRÜNE: Dann dürften gar keine Erwachse- nen kommen!)

Deshalb darf das Nachzugsalter nicht erhöht werden. Es muss gesenkt werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Glück FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE)

Es ist schlicht und ergreifend völlig unvorstellbar, dass es bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in diesem Punkt – falls der Entwurf diesen Vorschlag des SüssmuthBerichts übernehmen sollte, was ich nicht glaube – auf Bundesebene, im Bundestag oder im Bundesrat, einen Konsens geben könnte.

Jetzt mache ich aber noch einmal auf eines aufmerksam, was auch dahinter stecken könnte. Kollege Heinz hat das ja – ich habe es erwähnt – vorhin schon angesprochen. Man muss natürlich wissen, dass auch die Kommission der Europäischen Union das Nachzugsalter erhöhen will.

(Abg. Drexler SPD: Zum Beispiel, ja! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Haben Sie schon einmal über- legt, warum die das wollen?)

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir an diesem Punkt noch einmal ganz klar festhalten: Wenn wir in Deutschland überhaupt die Chance erhalten wollen, eine vernünftige Ausländerpolitik und Zuwanderungspolitik zu kreieren, dann müssen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern, dass die Europäische Kommission ihre Vorstellungen verwirklichen kann. Da droht die eigentliche Gefahr.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Pfister FDP/ DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Haben Sie schon einmal überlegt, warum die Europäische Kommission zu ihren Vorstellungen kommt?)

Herr Salomon, darf ich einfach einmal zurückfragen: Sind Sie der Auffassung, dass jemand, der mit 16 oder 18 Jahren oder gar noch später nach Deutschland kommt – von Ausnahmefällen abgesehen –, überhaupt noch die Chance hat, unser Ausbildungssystem erfolgreich zu absolvieren? Sehen Sie! Dann sind wir ja eigentlich der gleichen Meinung.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Aber der muss doch integriert werden wie jeder andere auch! Der Er- wachsene, der zu uns kommt, muss sich doch auch integrieren!)

Dann müssen Sie aber auch dieselbe Konsequenz ziehen wie wir. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie A sagen, dann müssen Sie auch B sagen.

(Abg. Walter GRÜNE: Wollen Sie achtjährige In- ternetspezialisten? – Abg. Drexler SPD: Das ist die Konsequenz! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Bitte.

Herr Innenminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir beim Thema Einwanderung hauptsächlich über das Thema „Einwanderung von Erwachsenen“ sprechen und dass wir, wenn wir von Integration sprechen, natürlich immer voraussetzen, dass erwachsene Menschen hier integriert werden, indem wir ihnen Sprachangebote und Angebote für den Erwerb von Kenntnissen in Landeskunde, Politik, Geschichte des Landes usw. machen? Was unterscheidet denn einen Familiennachzügler, ein Kind, das 18 Jahre alt ist, von einem Erwachsenen, außer dass es hier nicht mehr die schulische Laufbahn durchlaufen kann, was ja völlig logisch ist? Es kann alle Integrationsangebote, die auch alle erwachsenen Einwanderer annehmen, ebenfalls annehmen.

(Beifall bei den Grünen)

Das, was Sie damit mittelbar ausdrücken, macht deutlich, dass der Konsens jedenfalls mit den Grünen – ich vermute, dass da die SPD nicht anders denkt als ich – schwierig wird. Ich muss einfach darauf beharren – das ist bei uns in dieser Diskussion die überwältigende Auffassung, die weit über die CDU hinausgeht –, dass junge Menschen, wenn sie nach Deutschland kommen, in einem solchen Alter zu uns kommen müssen, dass sie die Chance haben, noch Schule und Ausbildung erfolgreich zu absolvieren. Alles andere führt ins Elend, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Folgendes feststellen: Wir werden im Herbst sicherlich durch einen Gesetzentwurf der Bundesregierung bei dieser schwierigen und wichtigen Diskussion in die Zielgerade einmünden. Dieses Thema wird den Landtag nicht nur am heutigen Tag kurz vor der Sommerpause, sondern mit Sicherheit im Herbst erneut und sicherlich nicht nur einmal beschäftigen. Dieses Thema wird dann kein Wahlkampfthema werden, wenn eine befriedigende Regelung im Konsens herstellbar sein könnte.

(Abg. Behringer CDU: So ist es!)

Dazu müssen sich aber Schröder und Schily und in der Folge auch Rot-Grün noch wesentlich stärker bewegen, als sie dies bisher getan haben,

(Abg. Drexler SPD: Wir versuchen das! Auch die CDU muss sich bewegen! – Zuruf des Abg. Teß- mer SPD)

sonst gibt es keinen Konsens, sonst wird es automatisch, ob wir es wollen oder nicht, ein Wahlkampfthema. So einfach ist das.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Man muss doch beides machen! Ihr müsst euch auch bewegen!)

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Debatte ist damit beendet.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Perspektiven des Naturschutzes in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Auch für diese Aktuelle Debatte hat das Präsidium die üblichen Redezeiten festgelegt: 50 Minuten Gesamtdauer, je fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und für die Redner in der zweiten Runde. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgesehenen Redezeitrahmen zu halten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will mit einem Zitat beginnen: