Um Integrationspolitik im Land zu leisten, gibt es noch einiges mehr zu tun. Eben wurde schon erwähnt: Anstatt die Sprachförderung auszuweiten und Angebote für Sprachkurse zu schaffen, werden sie im Land zurückgefahren.
In einer Situation, in der es an Angeboten zum Erlernen der Sprache fehlt, ist es umso absurder, davon zu reden, dass wir die Leute zwingen müssen, Deutsch zu lernen. Wir müssen doch erst einmal die Angebote bereitstellen. Die Debatte um den Zwang kommt mir so vor, als würden wir über Duschpflicht in der Sahara reden.
(Heiterkeit – Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Ja, genau! Ihr müsst erst einmal Wasserleitungen bauen! – Abg. Drexler SPD: Das ist ein sehr guter Vergleich! – Zuruf des Abg. Dr. Glück FDP/DVP)
Integrationspolitik haben wir hier in Baden-Württemberg auch zu leisten, wenn wir uns ein paar Zahlen bezüglich der Migranten anschauen, die schon lange hier leben, zum Beispiel die ausländischen Selbstständigen. Es ist nachgewiesen, dass unsere Selbstständigenquote deutlich hinter dem Wachstum zurückbleibt, das es auf Bundesebene bei Selbstständigen gibt. Hier erwarte ich Initiativen auf Landesebene.
Wir haben ein weiteres, hausgemachtes Problem in BadenWürttemberg: die schulische Qualifizierung von Migrantenkindern. Baden-Württemberg ist einsamer Spitzenreiter bei der Überweisung von Migrantenkindern in die Sonderschulen. In keinem anderen Bundesland in Deutschland werden so viele Migrantenkinder in Sonderschulen gesteckt wie hier.
Auch in dieser Hinsicht hätten wir, glaube ich, noch ein paar Herausforderungen zu meistern. Wir müssen unsere Gesellschaft mitnehmen auf dem Weg zu einer weltoffenen Gesellschaft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir erleben jetzt in der ganzen Bundesrepublik Deutschland eine ungeheuer spannende Diskussion zum Thema Zuwanderung. Teilweise wird diese Diskussion natürlich auch taktisch motiviert und verdeckt geführt. Es ist beispielsweise atemberaubend, wie zurückhaltend Bundeskanzler Schröder – und Bundesinnenminister Schily sowieso – in den jüngsten Wochen und Monaten beim Thema Zuwanderung geworden ist. Sie sprechen inzwischen oftmals der CDU aus dem Herzen – auch Generalsekretär Müntefering. Es ist eine ungeheuer spannende Entwicklung. Die Frage ist, ob das immer so ehrlich gemeint ist oder ob es vielleicht auch mit Blick auf den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr etwas taktisch bedingt ist.
(Abg. Zeller SPD: Wir sind doch nicht bei der CDU! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Solche takti- schen Überlegungen sind Ihnen völlig fremd! – Abg. Drexler SPD: Die CDU spricht immer ehrlich aus dem Herzen!)
Das hat Herr Kollege Heinz vorhin, wie ich glaube, als Einziger in dieser Debatte aufgegriffen, und ich darf es noch einmal unterstreichen: Wir haben auf der anderen Seite fast unbemerkt eine atemberaubende Entwicklung auf der Ebene der Europäischen Union. Die Kommission macht ja einen wichtigen Vorschlag nach dem anderen. Wenn dies alles umgesetzt werden würde, würde die gesamte Zuwanderungs-, Ausländer- und Asylpolitik in Europa und damit auch in Deutschland völlig umgekrempelt werden. Dann könnten wir uns alle Diskussionen, die wir jetzt zum Teil sehr ins Detail gehend führen, völlig ersparen. Wir sind in einer wirklich atemberaubenden, spannenden Diskussion und Gemengelage.
Wenn ich nun auf den Süssmuth-Bericht eingehe, dann will ich zunächst einmal für meine Person und, ich glaube, auch für große Teile der CDU festhalten: Wir haben uns immer dagegen verwahrt und verwahren uns heute noch dagegen, dass wir ein klassisches Einwanderungsland sind.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Sa- lomon GRÜNE: Was heißt „klassisch“? Wir sind nicht Australien! – Abg. Drexler SPD: Was heißt denn „klassisch“?)
Dass wir diesen Begriff nie übernehmen wollten und nie übernommen haben, ist darauf zurückzuführen, dass wir uns immer dagegen verwahrt haben und verwahren, dass ein völlig ungesteuerter und unkontrollierter Zugang über Asylmissbrauch oder illegale Einreise nach Deutschland stattfindet und weiterhin stattfinden kann. Das ist der Punkt, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Drexler und Birzele SPD – Abg. Zeller SPD: So etwas zu vermischen ist doch Blödsinn!)
Insofern ist es natürlich ein ganz wichtiger Schritt in der Entwicklung und nach meiner persönlichen Überzeugung auch ein Schritt nach vorn, dass wir jetzt sagen: Eine Zu
wanderung darf auf jeden Fall nicht unkontrolliert, sondern muss gesteuert stattfinden. Das ist der zweite Punkt.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Das sagen doch alle! Wer will denn ungesteuerte Zuwanderung? Kein Mensch! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Willkommen im Klub!)
Da Sie vorhin gesagt haben, Sie legten Wert auf den Konsens, empfehle ich Ihnen dringend, dass Sie auch all das unterstützen, wo Konsens besteht.
Aber man muss das eben einfach herausarbeiten. Es hat natürlich eine große Entwicklung von Ihrer Seite aus stattgefunden, wenn Sie jetzt sagen: Wir können mit dem unkontrollierten Zugang nicht so weitermachen, sondern wir müssen den Zugang steuern.
Von den Grünen will ich nicht sprechen. In dem Debattenbeitrag der Kollegin ist ja vorhin zwischen den Zeilen deutlich geworden, wie weit, wenn ich jedenfalls die öffentlichen Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesinnenministers nehme, Rot und Grün bei dieser Frage auseinander sind. Das ist ja vorhin ganz deutlich geworden, meine Damen und Herren.
Aber jetzt kommt der zweite Punkt. Herr Kollege Birzele hat ja nicht zu Unrecht freundlicherweise darauf hingewiesen, dass ich die Dinge differenziert sehe.
(Abg. Birzele SPD: Differenzierter als das Partei- präsidium! – Abg. Schmiedel SPD: Wie weit sind Schäuble und Döring auseinander?)
Jetzt bin ich beim Süssmuth-Bericht. Wenn wir sagen: „Steuern ist in Ordnung“, dann müssen wir aber auch hinzufügen und verlangen, dass natürlich auch eine Begrenzung der Zuwanderung stattfinden muss. Beides gehört eben zwangsläufig zusammen.
Letztendlich müssen wir sagen: Steuerung in der Weise, dass wir beispielsweise hoch qualifizierte Kräfte nach Deutschland kommen lassen, wobei ich hier auch wieder, jedenfalls beim Kollegen Birzele, Ansätze zum Konsens finde. Damit ist auch immer die Forderung verbunden, dass wir unsere eigenen Reserven, unsere eigenen jungen Leute bestmöglich ausbilden.
Wir werden bei dem Kampf um die besten Köpfe – da sehe ich auch wieder die Chance zum Konsens – auch auf entwicklungspolitische Überlegungen Rücksicht nehmen müssen, weil wir den armen Ländern nicht immer ihre besten Köpfe noch nehmen können. Ich glaube, auch da sind wir uns irgendwo einig.
Aber jetzt kommt die nächste Gruppe. Die ist ein Problem. Da darf ich mich noch einmal an die Kollegen von der FDP/DVP wenden. Wir haben – der Herr Wirtschaftsminister hat sich sehr dafür eingesetzt, auch der Kollege Goll und die Fraktion – ja Regelungen geschaffen, dass diejenigen Bürgerkriegsflüchtlinge, die von ihrem Arbeitgeber dringend gebraucht werden, unter Einhaltung gewisser Voraussetzungen bei uns bleiben können.
(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das war aber eine schwere Geburt! – Abg. Schmiedel SPD: Unzurei- chend! – Abg. Behringer CDU: Großzügige Rege- lung!)
Das ist deshalb, Herr Kollege Salomon, natürlich immer eine schwierige Entscheidung, weil bei den Bürgerkriegsflüchtlingen – auch das hat vorhin der Kollege Birzele gesagt – der Grundsatz gilt und eigentlich auch von Ihnen akzeptiert werden müsste: Wir helfen in der Zeit der Not, und wenn die Not vorbei ist, müssen die Menschen eben nach Hause. Dieser Grundsatz ist und bleibt richtig.
Aber lassen Sie mich auf das Segment des Arbeitsmarkts kommen, das vorhin in der Diskussion eine Rolle gespielt hat, nämlich die Tatsache, dass es trotz 3,9 Millionen Arbeitsloser schwierig ist, Arbeitskräfte für weniger qualifizierte, aber unbequeme und harte Arbeiten zu finden. Ich mache nur auf eines aufmerksam – deshalb bitte ich das, Herr Kollege Hofer, auch noch einmal in die Überlegungen einzubeziehen –: Ich sehe schon, dass man auch den Arbeitgebern – meist sind es ja kleine Betriebe, wo der Familieneinsatz ganz besonders hart ist – helfen muss. Aber alle Erfahrungen zeigen natürlich auch: Sobald diejenigen Menschen, die jetzt als Ausländer solche niedrig qualifizierten Tätigkeiten annehmen, die harte Arbeit darstellen, einen sicheren Aufenthaltsstatus und eine sichere Dauerarbeitserlaubnis haben, werden sie sich auf dem Arbeitsmarkt bewegen, was auch ihr gutes Recht ist, und sich eine bequemere Arbeit suchen. Das muss man sehen. Deshalb können Sie meines Erachtens in diesem Bereich nur so helfen, dass Sie mit temporären Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, aber nicht mit Daueraufenthaltserlaubnissen arbeiten.
Im Übrigen empfehle ich auch, gerade bei diesem schwierigen Segment nie zu vergessen, dass in absehbarer Zeit aller Voraussicht nach die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten bevorsteht, und es spricht ja alles dafür, dass wir im Vorgriff auf eine solche Osterweiterung, die ohnehin kommt, gewisse Kontingente, gerade um hier in diesem Segment des Arbeitsmarkts zu helfen, vorab nach Deutschland kommen lassen. Das ist doch, meine Damen und Herren, eine vernünftige Überlegung des gesunden Menschenverstands.
Beim Thema Asyl ist ja, glaube ich, eine Beruhigung der Diskussion eingetreten. Aber eines ist natürlich auch heute festzuhalten. Ich will es für die Landesregierung tun und hoffe hier auf eine ganz große Mehrheit des hohen Hauses. Wenn wir sagen: „Wir werden jedenfalls einmal für die nächste Zeit die Diskussion um eine Veränderung im Sinne einer Verschärfung des Asylrechts zurückstellen“, muss umgekehrt auch klar sein, dass wir an der jetzigen Regelung in dem Sinne festhalten, wie sie jetzt in das Grundgesetz aufgenommen ist, und dass sie nicht wieder stärker zurückgeführt wird. Wir dürfen auf jeden Fall nicht hinter die Linie des Asylkompromisses aus dem Jahr 1993 zurückgehen. Da gibt es ja Stimmen, auch seitens der Grünen, die verlangen und fordern, das Asylgrundrecht noch zu erweitern. Das, meine Damen und Herren, muss auf jeden Fall sofort beendet werden.
Dann kommt natürlich in diesem Zusammenhang noch etwas hinzu, was meine Kritik, jedenfalls an diesem Teil des Süssmuth-Berichts, schon berechtigt macht, glaube ich. Wir müssen daran festhalten, dass ausreisepflichtige Ausländer auch in ihre Heimat zurückkehren müssen. Da kann ich nicht verstehen – das will ich heute ausdrücklich ansprechen –, dass nach den Vorstellungen der SüssmuthKommission vor allem auch die Abschiebung und Ausweisung straffällig gewordener Ausländer künftig erschwert werden soll. Meine Damen und Herren, ich sage klipp und klar: Dieser Punkt wird mit der Landesregierung von Baden-Württemberg nicht zu machen sein.
Wir werden weiterhin wie kein anderes Bundesland Ausländer, auch jugendliche Ausländer, die Straftaten begangen haben, konsequent in ihre Heimat zurückführen und abschieben.