Protokoll der Sitzung vom 08.12.2004

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch bei der Diskussion im Innenausschuss war klar und deutlich erkennbar, dass die Vertreter der Regierungsfraktionen völlig unterschiedlicher Auffassung waren, was die Wirkungen dieser Gesetzesänderungen anlangt.

Völlig versagt – das muss ich sagen – hat in diesem Zusammenhang jedoch das Innenministerium. Obwohl wiederholt zugesagt war, noch in diesem Jahr, Herr Kübler – und nicht im Jahr 2005 oder irgendwann –, eine umfassende Novellierung der Gemeinde- und der Landkreisordnung hier zu debattieren und dann auch zu beschließen, ist nichts geschehen. Das ist in der Tat beschämend, und da darf ich mich auf Herrn Abg. Scheuermann berufen, der gesagt hat, er würde sich schäbig vorkommen – heute ist es leider so weit –, wenn diese Zusage nicht eingehalten würde.

(Abg. Scheuermann CDU: Ich bitte um Nachsicht wegen eines Monats!)

Denn genau mit dieser Begründung wurden verschiedene Anträge unserer Fraktion und der Fraktion GRÜNE in der Vergangenheit immer abgelehnt, was Sie allerdings nicht gehindert hat, entsprechende Gesetzesänderungen in Ihrem Sinn trotzdem vorzunehmen. Das ist fürwahr ein Verhalten, meine Damen und Herren, das im Parlament nicht Schule machen sollte.

(Beifall bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Gall, gestatten Sie eine Zwischenfrage...

Nein, keine Zwischenfragen.

... des angesprochenen Abg. Scheuermann?

Zum Schluss.

Ebenso hat, meine Damen und Herren, der Innenminister hier im Plenum ausgeführt, die Auswirkungen des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes wären erst jetzt, im Laufe der Beratungen, erkennbar geworden.

(Lachen des Abg. Drexler SPD)

Auch dies steht in krassem Widerspruch zu dem, was Kollege Theurer ausgeführt hat, und auch zu den Feststellungen des Gemeindetags, der bereits im Rahmen der Anhörung zum Reformgesetz genau dies problematisiert hatte. Es hätte nur einmal jemand lesen sollen.

Es gibt selbst einen Widerspruch zu Ihrer eigenen Aussage, Herr Innenminister. Sie haben nämlich in der gleichen Debatte gesagt, Sie und das Innenministerium stünden von Anfang an Gewehr bei Fuß. Ich muss sagen, Sie stehen immer noch.

(Abg. Fischer SPD: Bei Fuß, aber nicht bei Ge- wehr! – Abg. Drexler SPD: Bei Gewehr steht er nie!)

Es gibt einen einfachen Satz, um eine Truppe in Bewegung zu setzen – um bei der Militärsprache zu bleiben –, und der heißt: Vorwärts, Marsch!

Meine Damen und Herren, man sieht, das Chaos im Verhältnis zwischen Ministerium und Fraktionen, das sich uns offenbart, ist kaum zu überbieten.

In der Stellungnahme des Gemeindetags – auch das hätten Sie erwähnen können, Herr Kollege Kübler –, der sich offensichtlich als Einziger intensiv mit dem Gesetzentwurf befasst hat, wird bestätigt, was Kollege Junginger in der Ersten Beratung bereits ausgeführt hat, nämlich dass dieser Gesetzentwurf mehr Fragen offen lässt, als er beantwortet, und dass Rechtsunsicherheiten vorprogrammiert sind, die mit Sicherheit auch ausgetragen werden müssen. Solche Gesetze, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte man einfach nicht verabschieden.

(Beifall bei der SPD)

Was bleiben wird, meine Damen und Herren, ist der völlig unbefriedigende Zustand, dass selbst stundenweise Beschäftigte eines Volkshochschulverbands, so denn die Gemeinde oder der Kreis dort Mitglied ist, nicht Gemeindeoder Kreisrat sein können, während der Bürgermeister derselben Gemeinde dies hingegen kann. Bei der Sekretärin in der Bücherei greift wie auch beim Vermessungsbeamten oder beim Förster im Landkreis auch nach der Gesetzesänderung ein Hinderungsgrund, obwohl eigentlich Befangenheitsgrundsätze angemessen wären, um dies zu regeln. Dies haben Sie aber bislang stets verhindert.

(Abg. Drexler SPD: Mit Absicht!)

In den bisherigen Beratungen haben Sie auch nicht zu den verfassungsrechtlichen Bedenken Stellung bezogen, die dadurch entstanden sind, dass häufig – auch dies ist Auffassung des Gemeindetags – potenzielle Bewerber auf eine Kandidatur bei den Kommunalwahlen am 13. Juni verzichtet haben, weil ihnen mit Blick auf die geltende Rechtslage, die sie erkannt haben, und die Folgen der Verwaltungsreform bewusst war, dass sie ein eventuell errungenes Mandat am 1. Januar hätten zurückgeben müssen.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Auch ein Gesetz, das verfassungsrechtlich bedenklich ist, sollte man nicht verabschieden, meine Damen und Herren.

Mit unserem Änderungsantrag, der zum Ziel hat, das Inkrafttreten des Gesetzes um drei Monate zu verschieben, wollen wir Ihnen wenigstens heute noch die Gelegenheit geben, diese verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Denn hierdurch wären die jetzt Betroffenen tatsäch

lich denen gleichgestellt, die auf eine Kandidatur verzichtet haben.

Im Übrigen halten wir auch die von Ihnen, Herr Kübler, gerade beschriebene Praxis oder die Möglichkeit, Hinderungsgründe dadurch zu umgehen, dass Umsetzungen oder organisatorische Veränderungen der Tätigkeiten vorgenommen werden, für außerordentlich problematisch,

(Abg. Drexler SPD: Ja, eben!)

da dies sehr vom Wohlwollen der Vorgesetzten – in diesem Fall in erster Linie der Landräte – abhängen würde.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Um es im Klartext zu sagen: Wenn der Boss will, also wenn Kollege Landrat Schneider will, dass ein Betroffener sein Mandat behalten soll, wird er für ihn eine andere Tätigkeit suchen. Wenn der Boss das nicht will, hat der Betroffene Pech gehabt und muss aus dem Gremium ausscheiden. Dies, meine Damen und Herren, darf nicht sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Drexler SPD: Das ist Demokratieverständ- nis!)

An diesem Punkt will ich dem Innenminister Recht geben, der gesagt hat, mit der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und der Verfassung müsse man behutsam umgehen. Dies, meine Damen und Herren, haben Sie bislang mit diesem Gesetz nicht gemacht. Vielmehr haben Sie Ihre Mehrheit im Parlament nun zum wiederholten Mal dazu missbraucht, muss ich sagen, um Änderungen ausschließlich in Ihrem Sinn und zu Ihren Gunsten vorzunehmen. Sie waren bislang trotz Regierungszuarbeit und trotz Kapazitäten in Ihren Fraktionen nicht in der Lage, einen Gesetzentwurf auf den Tisch zu legen, der die Punkte Quoten der Bürgerbeteiligung, Positiv-/Negativkatalog, Hinderungsund Befangenheitsregeln, Unterrichtungspflicht der Verwaltung oder auch das Gemeindewirtschaftsrecht neu regelt.

Den vorliegenden Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, lehnen wir ab, weil er schlecht ist

(Abg. Kübler CDU: Oi! – Abg. Reichardt CDU: Das kann gar nicht sein!)

und weil Sie hiermit zum wiederholten Mal Wortbruch gegenüber dem Parlament begehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Der Redner geht in Richtung seines Abgeordne- tenplatzes zurück.)

Moment, Herr Abg. Gall! – Herr Abg. Scheuermann, Sie erhalten die Gelegenheit zu Ihrer Nachfrage.

Herr Kollege Gall, Sie haben mich persönlich angesprochen. Deswegen möchte ich Sie fragen, ob ich noch einmal mit Ihrer Nachsicht dafür rechnen kann,

(Abg. Drexler SPD: Nein!)

dass ich mich wegen des Termins zwar kurzzeitig geirrt habe, in der Sache aber nichts zurücknehmen muss.

(Abg. Drexler SPD: Aber beides ist schlecht! – Abg. Junginger SPD: Was soll man da noch glau- ben?)

Herr Kollege Scheuermann, da Ihre eigene Fraktion mit Ihnen keine Nachsicht hat, habe ich sie.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD und Abgeordne- ten der Grünen – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Döring.

So viel Nachsicht, Herr Kollege Gall, hätte ich mir auch einmal gewünscht.

(Heiterkeit – Abg. Junginger SPD: Da hat es ja kei- nen Unschuldigen getroffen!)

Vielen Dank für diese Ausführungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Theurer hat bei der Ersten Beratung in der letzten Sitzung bereits ausgeführt, dass die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP/DVP a) Handlungsbedarf gesehen haben, b) gehandelt haben und c) damit richtig liegen.

Der zweite Punkt, der wichtig ist: Ich glaube, es gibt überhaupt keine ausführlichere Möglichkeit einer Begründung und Darstellung als die, die der Kollege Kübler gerade gegeben hat.

(Abg. Rüeck CDU: Oberbürgermeister Kübler!)

Herr Oberbürgermeister und Landtagsabgeordneter Kübler. – Dem schließen wir uns vonseiten der FDP/DVP-Fraktion vollinhaltlich an.