Aktuelle Debatte – Chaos in der Energiepolitik in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der SPD
Es gilt die übliche Gesamtredezeit von 40 Minuten. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen und für die Redner in der zweiten Runde beträgt die Redezeit jeweils fünf Minuten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Energiepolitik des Landes ist ein einziges Chaos. Es gibt weder eine vorausschauende Energiestrukturpolitik in diesem Land, noch gibt es eine Energiepolitik, die auf das Tagesgeschehen abgestimmt ist. Jeder macht das, was er will: der Herr Ministerpräsident, der CDU-Fraktionsvorsitzende, der Wirtschaftsminister und der Umweltminister.
Fast wöchentlich gibt es Pannen in unseren Kernkraftwerken. Diesen Pannen, die in den Kernkraftwerken geschehen, wird jetzt von der EnBW mit einer Null-Toleranz-Politik begegnet. Diese Null-Toleranz-Politik sabotiert der Wirtschaftsminister seit Wochen. Der Umweltminister unterstützt sie. Was sagt eigentlich die Landesregierung dazu?
Darüber hinaus betreibt der Umweltminister Verschleierungspolitik. Bei der EnBW tritt ein Kernkraftwerkschef zurück. Der Minister behauptet, das habe nichts mit der Sicherheit zu tun. Jetzt tauchen plötzlich die Gesprächsunterlagen auf, und man stellt fest, dass selbstverständlich auch die Sicherheit eine Rolle gespielt hat.
Es gibt also keine abgestimmte Form. Die Landesregierung ist schon im Tagesgeschäft völlig überfordert, und jeder macht, was er will.
Aber es gibt auch keine vorausschauende Strukturpolitik. Der Herr Ministerpräsident – der jetzt gerade nicht da ist – hat vor vier Jahren den Energiestandort Baden-Württemberg an das französische Atomunternehmen EdF verkauft, und jetzt will sein möglicher Nachfolger wieder ein Stückchen zurückkaufen. Weder der eine noch der andere hat überhaupt eine Idee. Beides, was jetzt vorgeschlagen wird, ist keine Energiepolitik.
Wir erinnern uns: Vor der letzten Landtagswahl wurde die Energie Baden-Württemberg für 2,4 Milliarden € an die EdF verkauft. Man brauchte schnell Geld, um es vor dem Wahlkampf zu verteilen. Das hat man dann auch gut hinbekommen. Aber man hat offensichtlich nicht darüber nachgedacht, was daraus wird. Jetzt stellt man plötzlich fest, dass
Wir haben jetzt folgende Situation: Die EdF besitzt zurzeit 39,5 % der Aktien. Sie hat jetzt die Chance, die Hälfte der bei der Deutschen Bank gehaltenen Aktien, Anteile in der Größenordnung von knapp 6 %, zu kaufen. Dann ist sie bei 45 %.
Jetzt interessiert uns: Was wurde denn vor vier Jahren gesagt? Der Ministerpräsident hat vor dem Verkauf der Landesanteile gesagt: „Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Mehrheitserwerb an der EnBW möglich ist.“ Das war die offizielle Regierungsaussage. „Die EdF hat die Eigenständigkeit der EnBW zugesagt. Sie strebt keine Beteiligung an, die über die angebotenen 25,1 % hinausgeht.“ In der Zwischenzeit hat sie schon 39,5 %, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und: „Ich“ – Erwin Teufel – „halte das Angebot der EdF auch deswegen für eine sehr gute Verhandlungsgrundlage, weil sich die EdF auf den Kauf einer Minderheitsbeteiligung beschränkt.“ So weit, so gut. Haben wir jetzt eine andere Situation? Wir – sowohl die grüne Fraktion als auch die SPD – haben schon damals gesagt, dass die EdF die Mehrheit anstreben wird. Das war doch klar! Das war jedem klar, der in der Energiepolitik nachgedacht und von Wirtschaftspolitik auch nur einen Funken von Ahnung hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Was passiert jetzt? Jetzt hören wir, dass hektische Bemühungen stattfinden, die OEW, die oberschwäbischen Landkreise, auf Augenhöhe zu halten. Die OEW halten jetzt 34,5 % und können wohl aus Gesellschafterdarlehen selbst auf 39 % kommen. Auch sie könnten im nächsten Jahr rund 6 % der Aktien von der Deutschen Bank beziehen; das würde 380 Millionen € ausmachen.
Also: Entweder die OEW machen es selbst, oder das Land hilft. Aber warum sollte das Land eigentlich dabei helfen, auf 45 % zu kommen?
Was steckt energiestrukturpolitisch dahinter? Das möchten wir gerne von der Landesregierung erfahren. Geht es jetzt um eine neue Möglichkeit der Einflussnahme? Liegt es daran, dass die EnBW ab nächstem Jahr möglicherweise über 1 Milliarde € jährlich investiert – in Nachfolgekernkraftwerke oder etwas anderes? Wir wollen ja keine Nachfolgekernkraftwerke, die wollen ja Sie. Wir wollen andere Kernkraftwerke. Wo kommt das Kapital her?
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir heute die Debatte führen und auch vom Ministerpräsidenten wissen: Was macht jetzt die Landesregierung? Welchen Sinn hat der mögliche Kauf von 6 % durch die OEW? Oder verkaufen die oberschwäbischen Landkreise ihre Anteile? Die 380 Millionen € müssen irgendwo herkommen. Sollen wir sie als Darlehen aufnehmen und dann die Zinsen bezahlen? Zinsen zahlen wir schon genug, Herr Finanzminister. Sollen wir das jetzt auch noch machen? Was steckt also dahinter? Das muss man heute im Landtag debattieren, denn irgendwann im Februar oder März soll das ja entschieden werden.
Der Herr Ministerpräsident ist jetzt rechtzeitig gegangen. Ich hoffe, dass er wieder kommt. Wenn ich nach den Aussagen seines Innenministers Rech von heute Morgen gehe, hat er offensichtlich nur noch die nächsten zwei Tage Zeit, hier eine Rede zu halten. Die muss er heute halten, denn er hat den Energiestandort Baden-Württemberg verkauft und niemand anders.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sozialdemokraten haben einen Tagesordnungspunkt „Chaos in der Energiepolitik in BadenWürttemberg“ beantragt. Meine Damen und Herren, da wollen wir einmal über das Chaos reden. Der Bund: Rot-grünes Chaos, Ausstieg aus der Kernenergie mit Folgen für BadenWürttemberg, weltweit wird zugebaut, in Deutschland steigen wir aus, in Baden-Württemberg wird jetzt in Obrigheim der erste Reaktor stillgelegt, 2008 Neckarwestheim I, 2012 Philippsburg. Forschungs- und Entwicklungskapazitäten wandern ab.
(Abg. Drexler SPD: Sie haben doch verkauft! – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU: Sie haben doch den Ausstieg gemacht!)
(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Sagen Sie einmal etwas zum Bundesland Baden-Württem- berg!)
Sie zwingen uns regelrecht zum Zubau bei Kohlekraftwerken, siehe RWE und Eon, die es bereits angekündigt haben.
Wir werden, um in Baden-Württemberg noch einigermaßen autark bleiben zu können, wenn Ihre Politik denn greift, wenn sie denn greifen sollte, nachziehen müssen. Ich sage nur: rot-grünes Energiechaos.
Zwischen- und Endlager: Zwischenlager in Deutschland, Risikoerhöhungen allüberall an allen Kernkraftwerksstandorten, Endlagermoratorium in Gorleben.
Die Kommunen und das Land Niedersachsen sind für die Weiterführung des Verfahrens. Der Bund blockiert. Verantwortungsvolle Energiepolitik? Ich stelle fest: rot-grünes Energiechaos.
(Abg. Drexler SPD: Sagen Sie einmal etwas zum Bundesland Baden-Württemberg! – Zurufe von der SPD: Zur Sache!)
Windenergie: Meine sehr verehrten Damen und Herren, mittlerweile gigantische Abschreibungsmodelle für Besserverdiener; ein minimales Kosten-Nutzen-Verhältnis,
eine Zupflasterung der Schwarzwaldhöhen und der Alb, riesige Fehlallokationen volkswirtschaftlicher Ressourcen. Rot-grünes Energiechaos!
Netze: Die Netzzugangsregulierungen kommen viel zu spät, eine klare Benachteiligung der baden-württembergischen Energieerzeuger. Die Netzkapazitäten sind im Norden viel zu gering, im dünn besiedelten Norden, der die Durchleitungsmöglichkeiten gar nicht hat. Milliardeninvestitionen werden notwendig, auch mit unserem Geld. Rot-grünes Energiechaos!