Protokoll der Sitzung vom 08.12.2004

(Abg. Hauk CDU: Wir beantragen, hierüber na- mentlich abzustimmen! – Lebhafte Unruhe bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Das geht nach der Ge- schäftsordnung nicht! Abstimmen! Jetzt hier keine Verzögerungen! – Abg. Birzele SPD: Keine Verzö- gerungen! – Abg. Drexler SPD: Wer ist dafür? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Oder warten Sie, bis noch welche reinkommen? Oder was ist los? Ab- stimmen!)

Gut, der Antrag ist gestellt. – Es gibt keine Wortmeldungen.

Wer für den Antrag ist, den Herrn Ministerpräsidenten herbeizurufen, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das Erste war die Mehrheit. Dann wird so verfahren.

Ich unterbreche die Sitzung für die Dauer von zehn Minuten.

(Unterbrechung der Sitzung: 11:23 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 11:32 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Das Wort hat Herr Minister Mappus.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPDFraktion hat dem Tagesordnungspunkt die markige Bezeichnung „Chaos in der Energiepolitik in Baden-Württemberg“ gegeben. Lassen Sie mich deshalb zunächst einige allgemeine Ausführungen zu diesem Thema machen.

Energie und damit Energiepolitik ist wichtiger denn je.

(Abg. Zeller SPD: Das ist aber eine späte Erkennt- nis!)

Wir brauchen eine sichere, eine wirtschaftliche und vor allem auch eine umweltfreundliche, sprich nachhaltige Energieversorgung, und wir wollen diese drei Ziele gleichgewichtig verfolgen.

Dies fällt gerade heute nicht immer leicht, da Presse und veröffentlichte Meinung dazu neigen, einzelne Gesichtspunkte, auch aus dem Zusammenhang gerissen, sehr emotional zu diskutieren. Ich werde darauf noch ausführlich zu sprechen kommen.

Meine Damen und Herren, eine optimale Umsetzung der Rahmenziele ist nur möglich, wenn wir einen ausgewoge

(Minister Mappus)

nen Energiemix haben. Nur so kann man die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten verhindern, einen Ausgleich zwischen den Vor- und Nachteilen der Energieträger herstellen, zeitweilige Versorgungsprobleme ausgleichen und volatile Preisentwicklungen abpuffern. Dies wird in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten getan.

Deshalb jetzt zur Energiepolitik des Landes. Eines zunächst: Sie ist von Anbeginn schlüssig, in sich geschlossen, und sie ist vor allem zukunftsfähig. Wir brauchen einen ausgewogenen Energiemix. Wir haben diesen mit fast 60 % Kernenergie, 30 % fossilen Energieträgern und mehr als 8 % erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist ja sehr ausge- wogen!)

Dass dies der richtige Weg ist, sehen Sie unter anderem daran, dass wir die niedrigsten CO2-Emissionen pro Kopf haben, 7,3 Tonnen – im Bundesdurchschnitt sind es 10,2 Tonnen –, ein willkommener Nebeneffekt der baden-württembergischen Stromerzeugungsstruktur.

Wir haben eine relativ geringe Abhängigkeit von fossilen Energieträgern in der Stromversorgung, rund 30 %, vor allem Steinkohle, nicht Gas – dabei muss es meines Erachtens auch bleiben –, und wir haben – ob Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, es gerne hören oder nicht – eine Entwicklung, die wirtschaftliche Energiepreise vor allem deshalb ermöglicht, weil wir einen relativ hohen Anteil an Kernenergie haben und unter anderem deshalb einen geringen Anteil an Stromimporten benötigen,

(Abg. Drexler SPD: Deshalb haben wir die höchs- ten Preise!)

nämlich 10 %. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern ist das enorm niedrig.

Wir wollen eine Verdoppelung der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2010 auf rund 11 % Anteil an der Stromversorgung.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, ist Baden-Württemberg die führende Innovationsregion in Europa, wenn es um die Energieforschung geht. Ich nenne vor allem die Brennstoffzelle und eben auch erneuerbare Energien.

Meine Damen und Herren, dies ist eine schlüssige Politik. Das kann man von der Energiepolitik der Bundesregierung nicht unbedingt behaupten. Der Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie, ohne dass gesagt wird, welche Alternative beschritten werden soll, ist falsch, und Baden-Württemberg ist besonders betroffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Ich will Ihnen zwei Bewertungen nicht vorenthalten. Ich zitiere Fatih Birol, den Chefökonomen der Internationalen Energieagentur, IEA:

Deutschland fehlt es an einer durchdachten Strategie, wie die Kernkraft ersetzt werden kann. Bis zum Jahr 2050 kann Deutschland aufgrund seiner geografischen Voraussetzungen nicht die Hälfte des Strombedarfs

durch erneuerbare Energien abdecken. Durch einen zu starken Ausbau von Gaskraftwerken würde auch Deutschlands Abhängigkeit von Russland immer größer.

Ein zweites Zitat, Herr Kollege Drexler, auch wenn es besonders wehtut,

(Abg. Drexler SPD: Mir tut gar nichts weh!)

vom früheren Umweltsenator der SPD in Hamburg – sicherlich unverdächtig, der CDU besonders nahe zu stehen –, Fritz Vahrenholt:

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Der Ausstieg aus der Kernenergie ist eine typisch deutsche Kurzschlusshandlung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wenn ich noch die lähmenden Auseinandersetzungen zwischen dem Bundeswirtschaftsminister und dem Bundesumweltminister betrachte – und zwar zu verschiedenen Themen: Klimaschutz, Förderung erneuerbarer Energien, Emissionshandel, Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und anderes mehr –, dann kann ich nur sagen: Sie sind heute auf der falschen Baustelle. Das Thema „Chaos in der Energiepolitik“ müssen Sie in Berlin im Deutschen Bundestag diskutieren, aber nicht im Landtag von Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Reden Sie mit dem Wirtschaftsminister! Eine Arroganz! Sie brauchen bloß Zeitung zu lesen! Da wird einem schlecht! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Haben Sie beim Hauk abgeschrieben?)

Deshalb ist der einzige Weg für Baden-Württemberg die Weiterführung der Energiepolitik mit folgenden Elementen:

Erstens: Wir brauchen endlich einen ordnungsrechtlichen Rahmen auf Bundesebene, der so gestaltet sein muss, dass es überhaupt erst einen richtigen Wettbewerb geben kann. Dies gilt insbesondere für die Netznutzung.

Zweitens: Wir brauchen – genau so, wie es Günther Oettinger vorgeschlagen hat – eine Laufzeitverlängerung für die bestehenden Kraftwerke mit dem Ziel, einen erheblichen Teil des Gewinns in den Ausbau der erneuerbaren Energien fließen zu lassen. Denn Sie alle wissen, dass Letzteres viel Geld kostet.

(Abg. Drexler SPD: Das haben Sie doch noch nie gemacht! Sie lehnen im Bundestag doch alles ab! – Abg. Knapp SPD: Vorhin haben Sie gesagt, es ge- he nicht! Und jetzt hören wir, dass es doch geht!)

Herr Drexler, jetzt bleiben Sie doch einmal ganz ruhig! Hören Sie doch einfach einmal in aller Ruhe zu!

(Abg. Drexler SPD: Ich bin ruhig!)

Lassen Sie das einmal auf sich wirken.

(Minister Mappus)

(Abg. Drexler SPD: Sie wirken auf mich ganz ag- gressiv, wenn Sie uns die Unwahrheit sagen!)

Dann bekommen Sie ein bisschen energiepolitische Kompetenz. Insofern kann das nicht schlecht sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Drexler SPD: Sie müssen uns die Wahrheit darüber sagen, was in den Gesprächsprotokollen steht!)

Zu den Gesprächsprotokollen komme ich gleich noch, Herr Drexler – mit allergrößtem Vergnügen.

(Abg. Drexler SPD: Ich will sie vorher lesen! Ich will sie lesen!)

Drittens: Falls es beim Ausstieg aus der Kernenergie bleiben sollte, brauchen wir, meine Damen und Herren, fossile Kraftwerke in Baden-Württemberg, um nicht weiter in Abhängigkeit zu geraten, um die Abhängigkeit von Stromimporten zu vermeiden. Wer aus der Kernenergie aussteigen will, muss das auch zugeben und muss hinstehen! Ich wünsche uns da vor allem bei der Suche nach geeigneten Standorten viel Vergnügen, meine Damen und Herren. Auch das sage ich bereits heute.