Protokoll der Sitzung vom 09.12.2004

(Beifall bei der SPD)

Einige Ihrer Parteifreunde sehen das übrigens genauso. Was hat die stellvertretende CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzende, Frau Dr. Böhmer, bei Phoenix jüngst nicht alles zum Thema „Autonomie für Hochschulen“ von sich gegeben? Man konnte den Eindruck gewinnen, sie wolle uns Sozialdemokraten links überholen

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

und rede ihrem Parteifreund und Wissenschaftsminister gründlich ins Gewissen. Aber nein: Ihr Feind – richtiger: ihre Feindin – sitzt im anderen Lager. Es ist die Bundesbildungsministerin, der sie nachsagte, dass sie die Hochschulen im Würgegriff habe. Eng gehalten ist jedoch nicht das Hochschulrahmengesetz. Eng geführt werden vielmehr die Hochschulen in Baden-Württemberg. Das haben sie nicht verdient.

(Beifall bei der SPD – Abg. Zeller SPD: Sehr rich- tig!)

Weil unsere Hochschulen ihre Qualität tagtäglich unter Beweis stellen, haben wir Vertrauen, während Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen und allen voran der Wissenschaftsminister, von Misstrauen und dem falschen Glauben geprägt sind,

(Abg. Rückert CDU: Ha no!)

Politik und Ministerialbürokratie wüssten besser, wie erfolgreicher Wissenschaftsbetrieb funktioniert.

(Abg. Rückert CDU: Ha no!)

Das tun sie eben nicht. Es käme ja auch niemand auf die Idee, Herr Rückert, die strategischen Festlegungen beim Daimler in die Hände eines Abteilungsleiters des Wirtschaftsministeriums zu legen, oder?

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Um Gottes willen! – Abg. Dr. Caroli SPD: Oh nein!)

Aber in der Wissenschaft, in der Hochschullandschaft soll das klappen. Das ist doch ein Irrtum.

Bestärkt wurde unsere Position durch die Anhörung des Wissenschaftsausschusses, in der die Vertreter der verschiedenen Hochschularten das Fehlen wirklicher Autonomie bemängelten. Dies geschah in unterschiedlicher Gewichtung und Intensität, je nachdem, wie stark etwa die Fachhochschulen oder die Berufsakademien von der Vereinheitlichung dieser fünf Gesetze profitieren. Da, wo es klar und pointiert geschah, schwiegen Sie, liebe Kollegen, im Ausschuss

(Abg. Hauk CDU: Na!)

oder bezweifelten sogar die Legitimation des Sprechers und beriefen sich auf Dankesbriefe. Wer weiß, dass Beziehungen oder „Nichtbeziehungen“ zwischen Ministern und Rektoren unter anderem nicht unwesentlich über Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung bei der Vergabe von freien Finanzmitteln entscheiden können, der kann auch Ergebenheits- und Dankesadressen richtig einordnen.

(Abg. Röhm CDU: Ja, ja!)

Die in der Anhörung als zentrale Kritikpunkte aufgerufenen Themen, die wir zur nichtöffentlichen Ausschusssitzung mit Änderungsanträgen bedacht hatten, legen wir Ihnen heute erneut zur Beratung vor und hoffen, dass die Öffentlichkeit der Plenarsitzung die Damen und Herren auf der Regierungsbank und aus den Regierungsfraktionen wenigstens heute dazu ermuntert, Stellung zu nehmen. Im Wissenschaftsausschuss haben Sie es ja vorgezogen, unsere Anträge ohne jeden Kommentar abzulehnen.

(Abg. Pfisterer CDU: Das war ja nichts Neues! Lange genug diskutiert!)

Heute steht Ihnen das falsche Argument fehlender Redezeit nicht zur Verfügung. Deshalb würden wir und die Öffentlichkeit ihre Argumente doch allzu gerne hören.

(Zuruf von der CDU: Sehr gern!)

Damit wir auch ganz sicher gehen, dass Sie nicht wieder aussitzen, was ausdiskutiert gehört, werden wir zu fünf zentralen Themen namentliche Abstimmung beantragen.

(Zurufe von der CDU: Fünf? – Abg. Dr. Lasotta CDU: Fünf ist zu wenig! Mindestens zehn!)

Fünf. Wenn Sie das ärgert, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, beschweren Sie sich bei den Ihrer Fraktion angehörenden Mitgliedern im Wissenschaftsausschuss. Hätten Sie sich im Wissenschaftsausschuss mit unseren Anträgen beschäftigt, dann müssten wir Sie heute nicht mit fünf namentlichen Abstimmungen belästigen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Pfisterer CDU: Wir haben keine Probleme damit!)

Wir werden diese Anträge auch jeweils einzeln begründen.

(Abg. Döpper CDU: Oh Gott!)

Der Minister und die Regierungsfraktionen verkaufen den Gesetzentwurf als einen Meilenstein in der Autonomieentwicklung der Hochschulen. Deshalb lohnt es sich schon, darüber länger und genauer in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

Autonomie steht aber nur auf dem Etikett. Wenn dieses Gesetz wirklich Autonomie gewähren und die Hochschulen in den Wettbewerb entlassen soll, dann müssen das Zustandekommen, die Amtsdauer, die Aufgaben des Rektorrats – das betrifft die §§ 16 und 17 – in der Grundordnung der jeweiligen Hochschule geregelt werden, dann muss § 19 so geändert werden, dass der Senat das Gremium ist, das über die Struktur der Hochschule entscheidet, und dann muss zwangsläufig auch der den Hochschulrat betreffende § 20 verändert werden.

Die zentrale Frage der Autonomie ist die Beteiligung der Fakultäten und Senate an den Berufungen. Deshalb muss § 48 geändert werden, einschließlich einer Verpflichtung des Ministeriums, Berufungen in vier Wochen zu bearbeiten.

Unakzeptabel autonomiefeindlich ist auch die Regelung in § 36, nach der das Wissenschaftsministerium über eine Rechtsverordnung eine Kernaufgabe der Hochschulen an sich ziehen will, nämlich das Recht, Prüfungsordnungen zu erstellen. Das kann nicht sein.

(Abg. Capezzuto SPD: Nein!)

Überlassen Sie die Detailregelung zu diesen Themen den Hochschulen. Diese regeln das nach unseren Vorstellungen autonom in der Grundordnung. Warum haben Sie Angst vor dieser Freiheit? Was veranlasst Sie, den Hochschulen das Gängelband rigider Strukturbestimmungen aufzuerlegen?

Werte Kolleginnen, werte Kollegen, es kann auch nicht angehen, dass, wie jetzt in § 56 geregelt, Lehrbeauftragte der Kunsthochschulen, die einen Großteil des Lehrkörpers ausmachen, in Zukunft aus der Selbstverwaltung und ihren Gremien ausgeschlossen bleiben.

An dieser Stelle sei auch der Hinweis gestattet, dass es unmöglich ist, dass neben den wissenschaftlichen Hilfskräften in Zukunft auch noch die studentischen Hilfskräfte personalrechtlich vertretungsfrei sind. Wir beantragen gleiches Recht für alle Angestellten und damit die Zuständigkeit der Personalvertretungen.

Auf verständlicherweise heftigen Protest des Landesrechnungshofs stoßen die Regelungen in den §§ 2 und 14, die dessen Beteiligung an Prüfungen von Unternehmensbeteiligungen von Hochschulen auf ein Minimum zurückstutzen. Welcher Teufel hat Sie da geritten, entgegen dem Votum der Hochschulen, nach gerade erst offenkundig gewordenen Problemen sich ausgerechnet an dieser Stelle eines Prü

fungsinstruments zu entledigen? Das muss geändert werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Die Vorstellung, wie ohne Ansehen von Personen peinlich kritisch genau ein Wirtschaftsprüfer prüft, dessen Chef im Hochschulrat der Universität sitzt,

(Abg. Drexler SPD: Auch noch! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Hört, hört!)

die an dem Unternehmen beteiligt ist, ist absurd.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ihre Unterstel- lungen sind auch absurd!)

Genauso wenig schmeckt mir die Vorstellung, dass sich ein Softwareentwickler als Hochschulratsvorsitzender mit dem Wissenschaftsminister zum Beispiel darüber einigt, wie viel Germanistik die Universität Tübingen, oder sich ein Maschinenbauer mit dem Wissenschaftsminister einigt, wie viel Philosophie die Universität Heidelberg braucht. Das ist nicht Autonomie der Hochschule, und das bringt unsere Hochschullandschaft auch nicht vorwärts.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie merken, ich benutze bewusst nicht die der Wirtschaft fälschlicherweise entlehnten Begriffe, die der Minister aus Ökonomiegläubigkeit diesem Gesetz aufzwingt:

(Abg. Pfisterer CDU: Das ist freie Entscheidung vor Ort, kein Aufzwingen!)

Aufsichtsrat, Aufsichtsratsvorsitzender, Vorstand, Vorstandsvorsitzender.

(Abg. Pfisterer CDU: Freie Wahl vor Ort!)

So steht es im Gesetz. Diese Begriffe stehen im Gesetz, und dort gehören sie nicht hin.

Ich folge da dem Sprecher der Kunsthochschulen, dem neuen Rektor der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, Herrn Dr. Hünnekens, übrigens ein Externer, der in der Anhörung des Wissenschaftsausschusses richtig anmerkte:

In diesem Zusammenhang besteht unseres Erachtens ein grundsätzliches Missverständnis aufseiten der Landesregierung, wenn Strukturen und Bezeichnungen aus der Wirtschaft bzw. aus dem Umfeld kommerzieller Geschäftsbetriebe auf die Hochschulen übertragen werden.