Protokoll der Sitzung vom 09.12.2004

In diesem Zusammenhang besteht unseres Erachtens ein grundsätzliches Missverständnis aufseiten der Landesregierung, wenn Strukturen und Bezeichnungen aus der Wirtschaft bzw. aus dem Umfeld kommerzieller Geschäftsbetriebe auf die Hochschulen übertragen werden.

Oder, wie es der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, der Tübinger Rektor Professor Dr. Schaich, so trefflich auf den Punkt brachte:

Man soll ein Pferd nicht Fahrrad nennen müssen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ein sehr interessanter Satz eines Rektors!)

Das dauert ein bisschen. Herr Schaich ist ja auch Rektor einer der ältesten und renommiertesten Universitäten dieses Landes.

(Abg. Pfisterer CDU: Aber isoliert in seiner Mei- nung! – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das wertet den Satz nicht auf!)

Er ist der Sprecher der Universitäten dieses Landes.

(Abg. Drexler SPD: Wichtiger Mann! – Abg. Pfis- terer CDU: Er sprach nicht für sie in dem Mo- ment!)

So inkonsequent wie bei der Autonomie ist der Gesetzentwurf auch bei der Frauenförderung – das findet sich in den §§ 2 und 4. Es reicht nicht aus, zu beklagen, dass über 40 % der Akademikerinnen sich gegen Kinder und für den Beruf entscheiden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Wohl wahr!)

Es reicht nicht aus, dass die Sozialministerin, noch neu im Amt, sich ganz, ganz fest vornimmt, da etwas zu tun.

(Abg. Capezzuto SPD: Wo ist die?)

Heute ist der Tag der Wahrheit. Heute muss im Gesetz festgeschrieben werden, dass auch an Hochschulen das Gender-Mainstreaming-Prinzip gilt, dass Frauenbeauftragte in alle Hochschulgremien geladen werden, dass Studienstrukturen entwickelt werden, die Studium und Familie miteinander vereinbar machen, dass Gleichstellungspläne auch die Studierenden erreichen, dass die Schaffung von Möglichkeiten zur Kinderbetreuung für das wissenschaftliche Personal eine Aufgabe der Hochschule ist, denn kommunale Angebote sind mit den Wissenschaftsarbeitszeiten nicht vereinbar. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wir lehnen es ab – und das haben wir bei den parlamentarischen Beratungen zum Auswahlverfahren ja schon angekündigt –, dass das Land ein Gesetz beschließt, das Studierenden und Hochschulen Kosten aufbürdet, und sich dann, wenn es um den Kostenausgleich für die Hochschulen geht, aus dem Staub macht. Wir lehnen es ab, dass das Land den Studierenden die Kosten aufbürdet.

(Lachen des Abg. Sieber CDU)

Einmal zwischendurch, quasi zur Erholung,

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

ein Wort zu einem erfreulichen Thema bei dieser Gesetzesberatung. Wir freuen uns, dass Bewegung gekommen ist in den unbefriedigenden Zustand des Hochschulzugangs für besonders qualifizierte Beschäftigte. Wir haben unseren Antrag dazu zurückgezogen, nachdem der Minister zugesagt hat, das Ergebnis der Arbeitsgruppe, die zur Klärung leichterer Zugangsmöglichkeiten eingesetzt wurde, Mitte nächsten Jahres vorzulegen und die nationalen und internationalen Erfahrungen dabei zu berücksichtigen. Wir sind sicher, dass dann eine Lösung gefunden wird, die der Notwendigkeit des lebensbegleitenden Lernens und der Durchlässigkeit der Bildungsstrukturen Rechnung trägt. Die jetzige Gesetzesregelung ist nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei der SPD)

Das zweite erfreuliche Thema ist die Einführung der Juniorprofessur im Vorgriff und in Parallelität zu dem Bundesrahmengesetz.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Mit der im Gesetz vorgesehenen Regelung wird man dem Bedürfnis, klassische Strukturen zu erhalten und doch neuen Wegen kräftig Bahn zu machen, gut gerecht. Für die in den nächsten Jahren anstehenden personellen Umwälzungen werden wir damit gut gewappnet sein. Es werden jüngere Menschen in Professorenämter kommen, und es werden mehr Frauen diesen Weg gehen können,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

der für sie bisher ein besonders steiniger war. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass bei der Qualifikation künftiger Hochschullehrer auch hochschuldidaktische und nicht nur pädagogische Fähigkeiten eine Rolle spielen.

Lassen Sie mich noch auf zwei weitere Bereiche des vorliegenden Entwurfs eingehen.

Die ministeriale Inkonsequenz – bisher schon mehrfach beleuchtet – wird auch bei den Berufsakademien evident. Zwar lobt der Minister sie in den höchsten Tönen, kämpft darum, dass ihre Abschlüsse denen der Fachhochschulen gleichgestellt werden, billigt ihnen auch Bachelorabschlüsse zu, und er nimmt sie ins Landeshochschulgesetz auf. Aber mehr als ein Appendix sind die Berufsakademien auch künftig nicht. Denn sie bleiben eine Unterbehörde des Wissenschaftsministeriums mit minimalem Spielraum.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, stimmen Sie unseren Anträgen zu, und entlassen Sie die Berufsakademien in die Freiheit – wenigstens ein kleines Stückchen Freiheit!

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Schmiedel SPD: Freiheit! Freiheit statt CDU! Geben Sie Freiheit! Entfesseln Sie die Berufsakademien!)

Wenn schon der Minister nicht auf dieses Gängelband verzichten will, dann tun doch wenigstens Sie es.

Wir beantragen, endlich auch bei den Universitätsklinika konsequent die Leine loszulassen. Stimmen Sie unseren Anträgen zu Artikel 5 zu, und übertragen Sie den Universitätsklinika, wie vom Wissenschaftsrat – auch kein SPD-Gremium – gefordert, die Bauherreneigenschaft.

Lassen Sie den Aufsichtsrat selbst entscheiden, wer sein Vorsitzender werden soll.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut! Freiheit! – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Step by step!)

Step by step. Fangen Sie doch einmal mit den zwei Schritten an. Das wäre doch wunderbar.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Die Gewährträgerschaft – das ist ja immer das Argument des Ministers, weshalb er das nicht machen will – wird

durch die Mitgliedschaft des Ministeriums genügend berücksichtigt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass ich bisher zu folgenden wichtigen Themen nichts gesagt habe: zu § 13, der Zustimmung zu den Hochschulverträgen, zu § 29 und der darin vorgesehenen Regelung der Studienjahreinteilung in Trimester und Semester, zu § 29 bezüglich der Bachelor- und Masterstudiengänge, zu § 65, in dem wir endlich die verfasste Studierendenschaft einführen wollen, und zu Artikel 2, mit dem Sie die beiden hervorragenden und renommierten Fachhochschulen in Esslingen zwangsfusionieren wollen.

Ich sage deshalb nichts zu diesen Themen, weil wir dazu namentliche Abstimmungen durchführen werden. Wir werden diese fünf Anträge jeweils separat begründen, so wie es ihrer Bedeutung gebührt.

Zum Abschluss, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von der CDU und der FDP/DVP, möchte ich noch einmal nachdrücklich an Sie appellieren: Nehmen Sie die Hochschulen und ihre Vertreter ernst! Gewähren Sie neben der Freiheit des Denkens, des Lehrens und des Forschens, für die unsere Vorfahren heftig gekämpft haben, endlich auch Organisations- und Gestaltungsfreiheit!

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Ge- nau! Freiheit!)

Springen Sie über Ihren Schatten und stimmen Sie unseren Anträgen wenigstens da zu, wo sie die von Ihrem Minister viel beschworene Autonomie tatsächlich herstellen! Dann werden unsere Hochschulen auch in Zukunft Spitze sein, weil sie vom Ehrgeiz und Engagement der Menschen getragen sind.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen der FDP/DVPFraktion Herrn Minister Frankenberg ausdrücklich Dank sagen

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

für dieses hervorragende, gemeinsam erarbeitete Reformwerk, für dieses hervorragende neue Landeshochschulgesetz.

(Abg. Capezzuto SPD: Welch eine Überraschung!)

Meine Damen und Herren, wir haben hier einen ganz besonders herausragenden Fachmann, und dies wird sich für unsere Hochschullandschaft weiterhin positiv auswirken. Wir müssen doch ganz klar sehen: Die Rankings unserer baden-württembergischen Hochschulen kommen nicht von ungefähr, sondern unsere Hochschulprofessoren und natürlich auch unser Herr Minister leisten hervorragende Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf von der SPD: Adventszeit!)

Die heutige Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Zweiten Hochschulrechtsänderungsge