Protokoll der Sitzung vom 09.12.2004

Nein, ich habe gesagt: Er hat es hoffentlich gelesen. Deshalb habe ich mich sehr gewundert, dass er so geantwortet hat.

Ich sehe keine Fragen mehr.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Wort erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Herrn Professor Dr.Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich heute mit einem Zitat von Peter Ustinov beginnen: „Heutzutage muss man sehr, sehr stark sein, um sich den Luxus leisten zu können, schwach zu sein.“

(Abg. Capezzuto SPD: Aha! – Abg. Dr. Döring FDP/DVP: Was sagt uns dieses? – Heiterkeit – Abg. Pfisterer CDU: Wird gleich begründet! – Abg. Wacker CDU: Gutes Zitat!)

Meine Rede ist damit noch nicht beendet.

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD – Abg. Ca- pezzuto SPD: Das wäre ein guter Schlusssatz ge- wesen!)

Wir in Baden-Württemberg haben sehr starke Hochschulen. Die Rankings belegen dies. Aber sehr, sehr stark sind unsere Hochschulen im internationalen Vergleich noch nicht. Sie sind noch nicht in der Liga der Spitzenhochschulen der Welt angekommen. Das heißt, wir können uns den Luxus von Schwäche noch nicht leisten, sondern wir müssen alles dafür tun, dass unsere Hochschulen stärker werden können. Deshalb ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen und unserer Berufsakademien das wesentliche Anliegen der Hochschulreform.

Dazu brauchen die Hochschulen größtmögliche Selbstständigkeit. So wie der Einzelne seine Freiheit und seine Talente nur in Freiheit entfalten kann, können dies auch Institutionen nur, wenn sie möglichst frei sind und wenn bei denjenigen, die dort zu entscheiden haben, die Freiheit der Entscheidung möglichst groß ist.

Diese Freiheit geben wir den Hochschulen. Die Struktur, die wir den Hochschulen jetzt geben, ist weitgehend die Struktur, die die Hochschulen, die die Universitäten haben, die in den Rankings einen Platz unter den ersten 50 einnehmen.

Deshalb sorgen wir mit unserer Hochschulreform zum Beispiel dafür, dass es weitgehende Globalhaushalte gibt, dass es eine weitgehende Zuständigkeit der Hochschulen für das Personal gibt – also eine Personalautonomie –, dass das Satzungsrecht der Hochschulen massiv ausgeweitet wird, dass den Hochschulen im Gesetz Gestaltungsfreiheiten in den Organisationsstrukturen eingeräumt werden – zum Beispiel auf der Ebene der Fakultäten, ob sie Schools oder Departments einrichten – und dass die Beschlussfassung über

(Minister Dr. Frankenberg)

die Studien- und Prüfungsordnungen völlig auf die Hochschulen delegiert wird und das Gesetz nicht einmal mehr eine Anzeigepflicht vorsieht.

Ein weiterer wichtiger Baustein autonomer, wettbewerbsfähiger Hochschulen ist das Recht zur Auswahl der Studierenden. Das Gesetz, das wir jetzt vorlegen, ist ja nur ein einziger Baustein einer umfassenden Hochschulreform. Wir haben, was den landesweiten Bewerberüberhang betrifft, gesetzlich geregelt, dass 90 % der Studierenden von den Hochschulen ausgewählt werden können. Wir haben in einem langwierigen Verfahren auch erreicht – mit den übrigen Ländern und schließlich auch mit dem Bund, der sich zunächst massiv dagegen gewehrt hat –, dass in ZVS-Studiengängen künftig nicht mehr 24 %, sondern 60 % der Studierenden von den Hochschulen ausgewählt werden können.

„Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut“, so heißt es bei Perikles. Die Landesregierung hat den Mut, den Hochschulen so viel Freiheit zu geben, wie sie die baden-württembergischen Hochschulen und wie sie die Hochschulen in der Bundesrepublik noch nie hatten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Aber zur Nutzung dieser Freiheit brauchen auch die Hochschulen Mut, und sie brauchen eine Mentalität von Freiheit und Verantwortung. Sie brauchen geeignete Entscheidungsstrukturen, um diese Freiräume verantwortlich nutzen zu können. Es muss möglich sein, wirklich zu gestalten, anstatt in einer Kollegialverfassung jeweils Entscheidungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu treffen.

Deshalb geht das Landeshochschulgesetz vom Grundsatz der unternehmerischen Hochschule aus. Für uns ist Unternehmertum alles andere als ein negativ besetzter Begriff, sondern das ist für uns ein positiv besetzter Begriff.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Und immer erfolg- reich!)

Frau Bregenzer, Freiheit bedeutet auch die Freiheit, Fehler zu machen und zu scheitern. Wenn Sie eine Freiheit wollen, die fehlerlos ist, dann können Sie die Freiheit einführen, die wir einmal in einem anderen Teil Deutschlands gehabt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei der SPD – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie sind der Insolvenzverwalter der Universitäten! – Abg. Capezzuto SPD: Ein bisschen mehr Niveau, bitte! Das ist niveaulos! Unglaublich!)

Wir brauchen für diese Freiheit zielgerichtete und sachgerechte Leitungs- und Gremienstrukturen. Über ähnliche Leitungs- und Gremienstrukturen ist kürzlich eine Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum brandenburgischen Hochschulgesetz ergangen. Sie hat die Beteiligung externer Hochschulräte an der Auswahl der Hochschulleitung für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt.

Wir schaffen klare Kompetenzen für den Vorstand als Leitungsorgan. Freiheit heißt Verantwortlichkeit, heißt aber auch Entscheidungsfähigkeit und heißt auch, dass man die

gesetzliche Basis für diese Entscheidungsfähigkeit geben muss. Aber diesen Entscheidungsfähigkeiten und -möglichkeiten müssen Kontrollrechte gegenüberstehen, und zwar möglichst Kontrollrechte unabhängiger Personen, die selbst von diesen Entscheidungen nicht betroffen sind. Das ist übrigens das Wesen eines Aufsichtsrats, weshalb dieser Begriff auch alles andere als falsch ist.

Aber diese neuen Strukturen bedeuten nicht, dass wir die akademische Selbstverwaltung, das akademische Selbstverständnis der Hochschulen in Forschung und Lehre schwächen. Es gibt auch keine Schwächung des Senats außer bei der Wahl des Vorstandsvorsitzenden, sondern der Senat wird in seiner Grundordnungskompetenz gestärkt. Denn noch nie haben die Hochschulen so viele Grundordnungsregelungsmöglichkeiten gehabt, wie wir ihnen durch die vielen Optionen im Gesetz nun einräumen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Lauter Fehlvorstellun- gen!)

Die Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschule durch den Senat wachsen und werden nicht eingeschränkt. Sie werden auch nicht eingeschränkt, wenn man das häufig behauptet, sondern nach wie vor genügt der Blick in das Gesetz, um zu sehen, was dort wirklich drinsteht.

Mit diesem Hochschulrechtsänderungsgesetz schaffen wir eine abschließende Reformstufe der Hochschulreform. Wir bauen auf den Reformen meines Vorgängers Klaus von Trotha und den an den Hochschulen durchgeführten Reformen auf.

In der Vergangenheit gab es eine Bewertung der Hochschulgesetze der Länder durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Der Stifterverband hat damals Baden-Württemberg in die Spitzengruppe eingestuft. Er nannte einige kritische Punkte, zum Beispiel, dass es einen zu großen Regelungsumfang gebe. Diesen reduzieren wir jetzt massiv. Wir nehmen die Mitwirkungsrechte des Ministeriums sehr stark zurück. Der Stifterverband mahnte eine größere Organisationsautonomie für die Binnenstrukturen an.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Exakt!)

Wir geben diese Organisationsautonomie, diese Gestaltungsfreiheit für die Binnenstrukturen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie schreiben sie fest!)

Er mahnte eine flexiblere Mittelzuweisung an. Diese geschieht über die Globalhaushalte und auch im Bereich der leistungsbezogenen Mittelzuweisungen. Und er forderte, dass das Ministerium das Berufungsrecht an die Hochschulen delegieren sollte. Auch das tun wir. Wenn also der Stifterverband das nächste Mal ein solches Ranking vorlegen sollte, dann müsste er konsequenterweise Baden-Württemberg nicht nur in die Spitzengruppe einordnen, sondern aufgrund seines Hochschulgesetzes an die Spitze stellen.

Bei der letzten Besprechung des Stifterverbands, bei seiner berühmten Konferenz in der Villa Hügel, hat Staatssekretär Ursprung, der ehemalige Präsident des ETH-Rates, also ein im Hochschulmanagement erfahrener Mann, gesagt, wir

(Minister Dr. Frankenberg)

brauchten in Deutschland endlich unternehmerische Hochschulstrukturen mit Vorständen und Aufsichtsräten – so, wie die ETH ihre Struktur geschaffen hat. Er war erfreut, als ich ihm sagte, dass wir genau das in unserem Hochschulgesetz machen. Übrigens wird die ETH bei „Times Higher Education“ auf Platz 10 der internationalen Hochschulen gerankt. Das heißt, eine Verfassung, wie wir sie unseren Hochschulen jetzt geben, hat bei der ETH jedenfalls nicht verhindert, dass sie unter die ersten zehn gekommen ist. Es wäre auch gut, wenn sich die Kritiker dieses Hochschulgesetzes einmal der Mühe unterzögen, über die Grenzen der Bundesrepublik hinwegzuschauen und sich zu fragen, wie eigentlich die Strukturen der erfolgreichen Hochschulen in dieser Welt aussehen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Die haben vor allem viel mehr Geld!)

Die modernen rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Gesetzes müssen nun umgesetzt und mit Leben erfüllt werden. Dazu bedarf es nicht nur des Gesetzes an sich, sondern auch einer entsprechenden Mentalitätsänderung. Das wird nicht von heute auf morgen erreichbar sein. Aber es werden die richtigen Vorstände, die richtigen Rektorinnen – die gibt es auch, Frau Bauer – und Rektoren gewählt werden, um dieses Gesetz mit Leben zu erfüllen und die Hochschulen in Freiheit, Autonomie und Verantwortlichkeit zu einem noch größeren Erfolg zu führen.

(Abg. Wichmann SPD: In aller Freiheit!)

Aber es gibt Entscheidungen, die beim Land bleiben müssen. Diese Autonomie kann nicht vollständig sein, denn dieses Land – der Steuerzahler und die Steuerzahlerin – finanziert diese Hochschulen. Deshalb gibt es eine Verantwortlichkeit von Regierung und Parlament für die Budgets der Hochschulen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Aber nicht des Parla- ments! – Abg. Wichmann SPD: Wir bleiben außen vor!)

Es gibt auch eine Verantwortung der Politik für die Hochschulstrukturen im Land. Wir sind für die Entwicklung des Landes in Forschung und Wissenschaft, in unserer Wirtschaft und Gesellschaft verantwortlich.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Wir sind dafür verantwortlich, die entsprechende Basis in unseren Hochschulen zu garantieren. Deshalb kann es bei der Struktur- und Entwicklungsplanung keine vollständige Freiheit und Autonomie der staatlich finanzierten Hochschulen geben.

Wir haben in der Strukturfrage eine Daueraufgabe. Wir müssen Neues aufgreifen, müssen fragen, wie wir das Neue finanzieren können, und müssen uns im Dialog mit den Hochschulen auch fragen können, was an Bisherigem aufgegeben werden kann. Denn ein Land kann es sich nicht leisten, immer nur Neues zu schaffen, ohne Altes aufzugeben. Das wird kein Haushalt dieser Welt erreichen können.

Deshalb haben wir einen Beraterkreis für die Hochschulentwicklung eingerichtet, der uns bei der Struktur- und Ent

wicklungsplanung der Hochschulen mit seiner Expertise begleiten und mit Rat und Tat zur Seite stehen wird.

Aber zu einer weiteren erfolgreichen Entwicklung der Hochschulen gehören Punkte, die mithilfe der gesetzesbasierten Optionsklausel aufgegriffen werden können, die wir in dem Gesetzentwurf geschaffen haben. Das ist keine Optionsklausel, die das Ministerium in die Lage versetzt, seinerseits vom Gesetz abzuweichen, sondern sie gibt dem Parlament die Autonomie, Gesetze zu schaffen, um vorwärts gerichtet vom Landeshochschulgesetz strategisch abweichen zu können.

Zu den wesentlichen Punkten, die noch zu erreichen sind, gehört etwa die umfassende Zuständigkeit für das Personal der Hochschulen, und zwar sowohl im Ernennungs- als auch im Disziplinarbereich. Dazu gehört die völlige Budgetierung der Personalausgaben wie auch der Pensionslasten. Erst wenn wir eine solche Budgetierung haben, können wir mit der gesamten W-Besoldung besser zurechtkommen, als wir es jetzt mit Detailregelungen für die notwendige Beschränkung der Pensionslasten können.