Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Schmid?

Bitte schön, Herr Schmid.

Herr Dr. Noll, glauben Sie nicht, dass auch dieser Maßstab insofern politisch falsch ist, als alle Fraktionen gemeinsam im Bundesrat und im Bundestag beschlossen haben, die Steuerkraft der Kommunen in diesem Jahr zu stärken, zum Beispiel durch die Änderungen bei der Gewerbesteuer? Deshalb kann dieser Maßstab auch nicht als Begründung dafür herangezogen werden,

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

den Kommunen in die Tasche zu greifen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Drexler SPD: Das war das bewusste Wollen aller politischen Parteien! – Gegenruf des Abg. Ho- fer FDP/DVP)

Genau diese Veränderung, die wir ja mit betrieben haben, ist Ausfluss dieses Verteilungsschlüssels. Ohne diesen Schlüssel wäre es natürlich noch sehr viel schlechter. Das ist also überhaupt kein Widerspruch.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Ja!)

Das liegt genau im Rahmen dieser Maßgabe.

Wir wissen sehr wohl, dass diese bessere Steuerentwicklung bei den Kommunen natürlich sehr unterschiedlich verläuft – beim Gewerbesteueraufkommen erhalten die Kommunen teilweise bis zu 37 % mehr –

(Abg. Drexler SPD: Richtig!)

und dass sich damit der Unterschied zwischen wieder etwas finanzstärkeren und finanzschwachen Kommunen eher verstärkt hat.

(Abg. Birzele SPD: Das war doch politisch ge- wollt!)

Wir haben uns deshalb bemüht, diese Tatsache bei der konkreten Umsetzung der Kürzung der kommunalen Finanzmassen so weit wie möglich zu berücksichtigen, indem der Ausgleichsstock und die Schlüsselzuweisungen von Kürzungen weitgehend verschont und auf zwei Jahre befristet werden.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist richtig! Sehr rich- tig!)

Dafür greifen wir stärker – und dazu stehen wir – ordnungspolitisch in den Kommunalen Investitionsfonds ein und setzen damit zum Beispiel bei der Pflegeheimförderung ordnungspolitisch richtige Signale. Alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, mit denen ich gesprochen habe, sagen: Ja, der Markt ist inzwischen, was die rein bauliche Situation anbetrifft, so, dass wir keine Subventionierung mit mehr als 50 Millionen € pro Jahr brauchen. Das Problem ist nicht die Frage der Finanzierung, sondern die Frage der Betreuung.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Und was machen Sie mit dem Sanierungsbedarf?)

Und das hat mit der Pflegeheimförderung überhaupt nichts zu tun. Das ist daher ein ordnungspolitisch richtiger Schritt und im Konsens mit den Kommunen so geplant.

(Abg. Drexler SPD: Sanierung ist natürlich noch ein wichtiges Thema!)

Wir werden sie auch nicht auf null kürzen, Herr Drexler. Etwa 10 Millionen € werden zurückgenommen. Da bleibt natürlich noch eine ganze Menge für Sanierungen übrig.

Das Land hat selbstverständlich auch auf der Bundesebene die Interessen der Kommunen noch nachdrücklicher zur Geltung zu bringen. Die Gemeinden sind darauf angewiesen – und wir wollen das –, dass das Konnexitätsprinzip nicht nur in der Landesverfassung, sondern auch im Grundgesetz verankert wird. Die Gemeinden sind weiter darauf angewiesen, dass alle Leistungsgesetze, ob bundes- oder landesrechtlich unterfüttert, daraufhin überprüft werden, inwieweit einkommens- und vermögensunabhängige Leistungen tatsächlich zwingend geboten sind. Auch hier müssen wir Mittel auf diejenigen konzentrieren, die wirklich bedürftig sind. Die Gießkanne hat ausgedient. Gezielte Förderung ist angesagt. Soweit das Land betroffen ist, streben wir ein Gesetz zur Entlastung der Kommunen an und wollen den hierzu begonnen Dialog mit den kommunalen Landesverbänden möglichst rasch zu einem positiven Abschluss bringen.

Denken Sie an das Moratorium bei der Abwasserkanalsanierung und ähnliche Themen.

Meine Damen und Herren, auch dieser Haushalt dokumentiert: Es gibt nicht den einen Königsweg, mit dem das strukturelle Defizit des Landeshaushalts behoben werden könnte, ohne dass Einschnitte bei einer Vielzahl von Leistungen notwendig werden, die das Land erbringt, und zwar über alle Einzelpläne des Haushalts hinweg. Wir brauchen mehr Wachstum, das ist unbestritten. Aber ich will jetzt nicht eine bundespolitische Debatte führen, sondern ich will sagen: Auch bei einem dauerhaften und angemessenen Wachstum wird das nicht ausreichen, um das strukturelle Defizit dieses Haushalts zu beheben.

Angesichts der Größe dieser Aufgabe gilt: Kein Bereich kann von vornherein von Anstrengungen ausgenommen werden, auch die Bereiche nicht, die zu Recht landespolitisch hohe Priorität genießen. Denn es kann keinen einzigen Bereich geben, der nicht immer wieder neu daraufhin überprüft werden muss, ob die dort erbrachten Leistungen nicht effizienter und kostengünstiger erbracht werden können, ob die dort erbrachten Leistungen nicht effizienter, bürgernäher erbracht werden können, wenn sie nach unten delegiert werden, ob etlichen Leistungen noch die Bedeutung zukommt, die man ihnen bei ihrer Einführung zugebilligt hat, oder ob manche Leistungen nicht einfach entfallen können, und schließlich, ob etliche Leistungen nicht besser, effizienter und kostengünstiger auch privat erbracht werden können.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Hofer FDP/DVP: Eine wohltuend sachliche Rede im Gegensatz zur vorherigen!)

Manches davon ist mit der Verwaltungsstrukturreform und der Justizreform auf den Weg gebracht. Klar ist aber auch – und das hat unser Kollege Hofer, der ja unser Spezialist bei der Verwaltungsreform war,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So sind wir eben!)

immer wieder gesagt –: Der Beschluss und das Inkrafttreten der Verwaltungsstrukturreform ist kein Endpunkt, sondern eigentlich erst der Anfang dieses Weges der Aufgabenkritik.

Dabei kann es nicht darum gehen, weiterhin rasenmäherartig alles zu kürzen, sondern da müssen wir wirklich Prioritäten und auch Nachrangigkeiten setzen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ein weiterer Subventionsabbau ist zwingend erforderlich. Meine Damen und Herren, der Subventionsbegriff des Bundes allerdings, der auch dem Finanzhilfebericht des Landes zugrunde liegt, hilft uns da für die Zukunft nicht weiter. Er ist wesentlich zu eng gefasst. Es müssen sämtliche Leistungen und Fördermaßnahmen des Landes auf den Prüfstand.

Trotz aller Schwierigkeiten, deren sich viele leider immer wieder nur bei den Haushaltsberatungen bewusst werden, haben wir keinen Anlass, alles grau in grau oder gar schwarz in schwarz zu malen. Unser Land steht in vielen Bereichen gut da, im Ländervergleich sogar hervorragend.

Ich möchte Wissenschaft und Forschung nennen. Sie gehören zu den zentralen Aufgabenfeldern, die für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes von entscheidender Bedeutung sind.

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

Unsere Hochschulen stehen in Lehre und Forschung immer stark im nationalen und internationalen Wettbewerb.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Und immer auf den ersten Plätzen!)

Die Hochschulreform und die jetzt veränderten Strukturen rüsten unsere Hochschulen für diesen Wettbewerb. Mit dem in der letzten Woche verabschiedeten neuen Landeshochschulgesetz setzen wir diesen Weg konsequent fort.

Leitlinie bleibt, Qualität durch Autonomie und Wettbewerb zu fördern. Dazu gehört aus unserer Sicht auch die Schaffung eines Modells sozialverträglicher nachlaufender Studiengebühren. Wir streiten ja vor dem Bundesverfassungsgericht, damit das Verbot von Studiengebühren fällt. Wir wollen nach einem für uns positiven Urteil die Hochschulen möglichst rasch in die Lage versetzen, Studienentgelte, die selbstverständlich in vollem Umfang den Hochschulen zur Verfügung stehen müssen, festzusetzen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Drex- ler SPD: Aha!)

Ich stelle erfreut fest, dass über alle Fraktionen hinweg doch zunehmend die Frage gestellt wird: Warum finanzieren wir eigentlich ein kostenfreies Hochschulstudium für Akademiker, die später durchaus bessere Verdienstmöglichkeiten haben als mit der dualen Ausbildung?

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Während wir sonst Kindergartenbeiträge erhöhen!)

Wir verlangen sogar am Beginn der Bildungskarriere, nämlich im Kindergarten, Gebühren.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Also auch da, glaube ich, sind ein Stück weit die ideologischen Grenzen aufgebrochen worden.

(Abg. Drexler SPD: Bei der Kopfprämie macht es die CDU aber auch, in der Gesundheit!)

Zur Kopfprämie sage ich Ihnen noch etwas.

Mehr Qualität durch Autonomie und Wettbewerb gilt auch für die Schulen. Was hier versäumt wird, lässt sich später nur schwer oder gar nicht nachholen.

Wir haben die Unterrichtsversorgung unserer Schulen auf eine stabile Grundlage gestellt. Der Haushaltsentwurf beweist ja: Es bleibt bei den 5 500 zusätzlichen Lehrerstellen. Das war und ist vor dem Hintergrund der Krise der öffentlichen Finanzen ein außerordentlicher Kraftakt. Das beweist aber auch: Wir tun das, was für unsere Schulen angesichts immer noch steigender Schülerzahlen unabdingbar notwendig ist. Das gilt in quantitativer, aber in gleichem Maße auch in qualitativer Hinsicht.

Die Stärkung der Eigenständigkeit der Schulen, die Herausbildung eigener Profile, der Wettbewerb der Schulen untereinander, die Reduzierung der in den Lehrplänen verbindlich vorgegebenen Inhalte sind Leitziele baden-württembergischer Bildungspolitik.