Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

in diesem Haushalt einen Promillebereich zu finanzieren, von dem wir wissen, dass er geeignet wäre, das zu errei

chen, was Ihr Fraktionsvorsitzender nicht müde wird zu fordern,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

nämlich dass alle unsere Kinder schulfähig werden.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Das ist ein Armutszeugnis! Eine Schande! – Abg. Al- fred Haas CDU: Sie waren doch auch einmal in der Regierung!)

Wir geben Ihnen nachher in namentlicher Abstimmung die Chance, den Worten endlich Taten folgen zu lassen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sagen Sie zuerst, wie es finanziert werden soll!)

Wir sagen Ihnen nachher noch einmal,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Hoppla!)

wo Sie die Hand heben können, Herr Kollege Noll.

(Abg. Capezzuto SPD: Damit ihr es endlich be- greift!)

Der designierte Ministerpräsident des Landes hat doch die richtige Schwachstelle benannt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Jawohl, das wissen wir doch auch!)

Er hat medienwirksam davon gesprochen, dass, um den Problemen in diesem Bereich abzuhelfen, für das letzte Jahr vor der Einschulung eine Kindergartenpflicht ausgesprochen werden solle.

(Abg. Alfred Haas CDU: Ja!)

Sein Argument war, damit solle die Schulfähigkeit aller Kinder erreicht werden.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sicher!)

Nachdem jetzt dieser Versuchsballon ein überwiegend negatives Echo gefunden hat, rudert er wieder zurück und sagt,

(Abg. Alfred Haas CDU: Na, na!)

das sei die Ultima Ratio, das letzte Mittel. Ich würde gerne einmal von Ihnen hören, was denn dann Ihre anderen Mittel sind. Wollen Sie jetzt die Kindergartenpflicht? Ich sage Ihnen gleich, was nicht geht. Wir sind bereit, mit Ihnen ernsthaft über die Kindergartenpflicht und darüber zu diskutieren, welche Maßnahmen die richtigen sind. Es darf aber nicht sein, dass Sie sagen: „Wir wollen die Kindergartenpflicht“, und sie dann nicht mit der Beitragsfreiheit verbinden. Eine solche Maßnahme darf nicht auf dem Rücken der Eltern und der Kommunen eingeführt werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich fasse zusammen: Familienpolitisch bietet dieser Haushalt keine Zukunftsperspektive. Wo Wachstum notwendig wäre, ist Stagnation zu verzeichnen. Wo Konzepte erforderlich wären, gibt es bisher nur medienwirksame Luftballons.

Wir tun zu wenig für unsere Kinder. Dieser späten, aber zutreffenden Erkenntnis lassen Sie leider in diesem Landeshaushalt keine Taten folgen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Haas hat zu Recht darauf hingewiesen – –

(Oh-Rufe von der SPD – Weiterer Zuruf von der SPD: Nicht „zu Recht“!)

Ich würde dem Kollegen Haas gönnen, dass Sie nicht schon bei Nennung seines Namens jedes Mal aufstöhnen.

(Abg. Alfred Haas CDU: So viel Ehre brauche ich nicht!)

Er hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir...

(Große Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete.

... – da würde ich jetzt gern alle Sozialpolitiker in diesem Parlament an meiner Seite haben, dass sie dann auch Beifall geben –

(Beifall des Abg. Dr. Repnik CDU)

bei den ursprünglich von den Ressorts geforderten Einsparungen den Anteil von über 40 Millionen € pro Jahr auf 10 Millionen € herunterhandeln, möchte ich fast sagen, konnten.

(Zuruf von der SPD: O Jesses Gott! – Heiterkeit)

Wenn man sagt: „Ja, da war auch schon arg viel vorher gespart und nicht mehr arg viel zu holen“, ist festzustellen, dass uns das alle Ressorts sagen. Das sagt der Wirtschaftsminister an anderen Stellen, die zentral wichtig sind, genauso. Deswegen sollte man das nicht kleinreden, dass wir es in der Tat geschafft haben, bei den Vorgaben, weil eben im Sozialetat viele gebundene Gelder ausgebracht sind und wir ansonsten praktisch keine Gestaltungsmöglichkeit mehr hätten, auf ein Viertel der bei den anderen Ressorts geforderten Einsparungen zurückzufahren. Trotzdem haben wir an den verschiedenen Stellen, wo wir geglaubt haben, dass man möglicherweise durch Umschichtungen noch Gefährdungen von Strukturen verhindern kann, das im parlamentarischen Verfahren in zweifellos schwierigen gemeinsamen Debatten und Verhandlungen hingekriegt.

Noch einmal zum bürgerschaftlichen Engagement: Die Rücknahme der Kürzungen von 10 % ist uns nicht leicht gefallen, aber wir haben es geschafft, weil wir nicht einerseits mehr Verantwortung einfordern dürfen und auf der anderen Seite nicht davon absehen dürfen, für Strukturen, die auch das bürgerschaftliche Engagement braucht und wo man mit wenig Geld viel Engagement aufrechterhält oder gar erst herauskitzelt, dieses Geld bereitzustellen. Sonst brechen

uns diese Strukturen weg. Das kann man ganz konkret für jemanden, der einen Etat von 40 000 oder 50 000 € hat und 10 % – –

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Uns müssen Sie nicht überzeugen, Kollege Noll!)

Aber ich darf es doch sagen, weil Sie ja bezweifelt hatten, ob wir das noch hinkriegen. Wir haben es beim bürgerschaftlichen Engagement hingekriegt. Wir haben es auch bei den Aids-Hilfen und bei den Tagesmüttern geschafft – übrigens ein zentraler Punkt im Konzept „Familienfreundliches Baden-Württemberg“ und im Konzept der Kinderbetreuung, weil es eine sehr flexible Form der Betreuung ist. Dann darf man aber den Landesverband nicht praktisch arbeitsunfähig machen, indem man ihm die letzten Möglichkeiten, die das Ehrenamt dringend braucht, nimmt. Deshalb freuen wir uns, dass es gelungen ist, dies zu verhindern.

(Zuruf der Abg. Marianne Wonnay SPD)

Punkt 2: Nicht gelungen ist uns das leider bei der Schulsozialarbeit. Ich sehe das ein bisschen anders als der Kollege Haas. In der Tat gab es eine Anschubfinanzierung aufgrund der Empfehlungen der Jugendenquetekommission. Aber genau so sollte man auf Dauer eigentlich nicht Landespolitik machen: dass man den Kommunen – sozusagen qua Anschubfinanzierung – irgendetwas aufs Auge drückt und nach drei, vier oder fünf Jahren sagt: „Jetzt habt ihr das aber gefälligst alleine zu machen.“ Dazu stehe ich, weil Schulsozialarbeit eben keine klassische Jugendhilfe ist, sondern eine Arbeit, die in ein pädagogisches Gesamtkonzept an den Schulen einzubetten ist.

Deswegen komme ich darauf zurück, was ich heute früh gesagt habe: Ich bin durchaus der Meinung, dass wir bei den Vorschlägen von verschiedenen Seiten, die jetzt auf dem Tisch liegen, auch einmal fragen müssen, wer denn nun im schulischen Bereich oder im Bereich der Kinderbetreuung im Vorfeld der Schulzeit wirklich verantwortlich ist. Es ist zu fragen, ob wir da nicht auch eine gewisse – gerade auch finanzielle – Entflechtung hinbekommen, die so funktionieren muss, dass derjenige, der die Leistungen erbringen soll, auch das Geld dafür geliefert bekommt.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Wie stimmen Sie nachher ab?)

Das kann man nicht mit einem Schnellschuss tun,

(Zuruf von der SPD: Schneckentempo! – Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)

weil wir dazu die kommunalen Vertreter brauchen, da dies eine Neuordnung der Finanzbeziehungen nach sich ziehen würde.

Nun zum Thema „Kinderbetreuung ausbauen“: Das ist überhaupt keine Frage. Übrigens muss man auch einmal einsehen, dass die Kommunen gerade im Kindergartenbereich nach wie vor die größte finanzielle Last in vorbildlicher Weise tragen. Hier haben wir ja eine Vollversorgung anzubieten. Es ist aber überhaupt nicht schlimm, einmal zu sagen, dass wir auch für das Alter vor dem Kindergarteneintritt durchaus mehr Angebote schaffen wollen.

Auch hier ist es übrigens wie in der Wirtschaftspolitik: Die einen reden von Nachfragepolitik und die anderen von Angebotspolitik. Ich finde schon, dass ein bisschen Angebotspolitik notwendig ist, damit junge Menschen überhaupt das Signal erreicht: „Ja, ihr könnt euch für Kinder entscheiden. Das bedeutet nicht zwingend, dass ihr aus dem Beruf ausscheiden müsst.“ Das ist auch die Grundidee, die dahinter steht, wenn man Kinderbetreuungsmöglichkeiten anbietet. Mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden Entscheidungen zugunsten von Kindern möglich gemacht. Andererseits werden für Kinder möglichst früh Bildungs- und damit Freiheitschancen geschaffen und verwirklicht.

Es ist wirklich erschreckend, wenn jedes vierte Kind bei seinem Schuleintritt der deutschen Sprache nicht vollkommen mächtig ist. Das kann uns natürlich nicht kalt lassen, sondern wir müssen den eingeschlagenen Weg in der Tat fortsetzen. Ob es Ihnen nun passt oder nicht: Wir haben nun einmal – Gott sei Dank – mit Mitteln der Landesstiftung erste Maßnahmen ergreifen können. Von flächendeckenden Maßnahmen kann man in der Tat nicht reden – das ist überhaupt keine Frage –, sondern es handelte sich quasi um Modellversuche, die sich langsam entwickelt haben und die sich übrigens nur auf einen Teil des Themas Sprachförderung beziehen. Sprachförderung ist nämlich insgesamt eine in die Kindergartenarbeit zu integrierende Aufgabe. Das setzt natürlich auch die entsprechende Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher voraus, damit sie diese Aufgabe leisten können.