Auch Ihre Begründung im Haushaltsstrukturgesetz war völlig falsch. Es handelt sich nicht um „Ersatzschulen“, weil es in Baden-Württemberg überhaupt keine staatlichen Schulen des zweiten Bildungswegs gibt – also auch keinen Ersatz dafür –,
Betroffen von diesen Kürzungen sind hauptsächlich junge Erwachsene mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten, vor allem aber auch junge, allein erziehende Mütter, die ihre Lebensperspektiven und ihre beruflichen Perspektiven verbessern möchten.
Ich sage Ihnen: Wer als Erwachsener durch die Mühlen des zweiten Bildungswegs geht, der hat wirklich etwas geleistet, der gehört zu den besten Köpfen, wie Sie es immer nennen. Das sind die Leute, die wir in Baden-Württemberg brauchen. Deshalb dürfen diesen jungen Erwachsenen keine Steine in den Weg gelegt werden. Wir sollten vielmehr stolz darauf sein, dass es so viele motivierte und leistungsfähige Erwachsene gibt, die diesen Weg gehen.
Sie als Regierungsfraktionen haben zumindest erkannt, dass die 20-prozentige Kürzung ein Fehler war, und haben die Kürzung im Finanzausschuss halbiert. Aber die Folge war, dass der Träger des größten Abendgymnasiums in BadenWürttemberg, nämlich die Volkshochschule Stuttgart, inzwischen der Landesregierung die Trägerschaft für das Abendgymnasium zurückgegeben hat.
Meine Damen und Herren, das ist die Konsequenz auch einer Halbierung der Streichungen. Das heißt, wenn Sie wollen, dass der zweite Bildungsweg das Land nicht noch teurer kommt – – Denn wenn Sie die Trägerschaft übernehmen müssen, dann wird der Besuch aller Schulen des zweiten Bildungswegs kostenlos sein. Das hat Staatssekretär Rau, dem ich diese Frage im Finanzausschuss gestellt habe, ausdrücklich bestätigt.
Insofern ist es auch finanzpolitisch eine Dummheit, muss ich sagen, den zweiten Bildungsweg so zu gefährden. Denn die Kosten für das Land sind dann höher als derzeit.
Deshalb bitte ich Sie, nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben. Wenn Sie den Fehler erkannt haben, dann seien Sie bitte konsequent, nehmen heute die Streichungen ganz zurück und stimmen unserem Antrag zu.
Drittens: Sie haben Ihre Zusagen gegenüber den Schulen in freier Trägerschaft nicht eingehalten. Das muss ich einfach einmal so sagen, Herr Kollege Wacker.
Weder haben Sie die neue Berechnungsgrundlage bei der letzten Novellierung des Privatschulgesetzes ins Gesetz aufgenommen, obwohl Sie das vorher jahrelang versprochen hatten, noch gibt es Anzeichen dafür, dass Sie endlich in den jahrelang versprochenen Stufenplan zur Anhebung der Zuschüsse einsteigen. Sie haben lediglich den Mangel besser verwaltet, haben den allgemein bildenden freien Schulen Mittel weggenommen und diese den beruflichen Schulen gegeben. Aber da kann man ja von keiner Anhebung reden,
Wer heute einen Blick in die „Stuttgarter Nachrichten“ geworfen hat, der hat festgestellt, dass die Schulen in freier Trägerschaft einen großen Zulauf haben. Das hat natürlich
auch seine Gründe. Ich sage Ihnen: Wer ein solch plurales, vielfältiges Bildungsangebot und eine solche plurale Bildungslandschaft in Baden-Württemberg will, muss auch bereit sein, die finanzielle Verantwortung für eine gerechte Bezuschussung zu übernehmen. Den freien Schulen steht das Wasser bis zum Hals.
Die Schulen und die Eltern brauchen Planungssicherheit. Die Schüler und die Eltern haben einen Anspruch darauf, dass endlich der Einstieg in den Stufenplan kommt. Der Antrag liegt Ihnen vor: 5 Millionen € für 2005 und 10 Millionen € für 2006. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Der vierte Punkt: Sie gefährden mit Ihrer Sparpolitik die Existenz der Musikschulen. Wir sind doch alle zu Recht stolz auf unser Musikland Baden-Württemberg. Da haben wir doch einen großen Konsens, Herr Kollege Wacker.
Das hohe Niveau der musikalischen Bildung unserer Jugend ist schließlich auf das flächendeckende Netz der Musikschulen in Baden-Württemberg zurückzuführen. Aber die Sparpolitik von Land und Kommunen hat dazu geführt, dass die Musikschulen immer mehr in Bedrängnis geraten und jetzt allmählich existenziell bedroht sind. Es geht an die Substanz. Erste Schließungen haben nur mit Mühe verhindert werden können.
Mit unserem Antrag, zur Förderung der Musikschulen jährlich 1 Million € zusätzlich einzustellen, und auch mit dem Antrag auf Lehrbeauftragtenmittel für die Ganztagsschulen kann die Lage der Musikschulen in Baden-Württemberg stabilisiert werden, und es können sogar diejenigen Schülerinnen und Schüler, die heute aufgrund ihrer sozialen Herkunft von diesem guten Angebot ausgeschlossen sind, in den Ganztagsschulen davon profitieren. Wenn wir also dazu stehen, dass alle jungen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft eine gute musikalische Bildung in unserem Land bekommen sollen, dann müssen wir jetzt auch die Mittel für die Musikschulen erhöhen.
Meine Damen und Herren, auch die Reformpolitik der Landesregierung hat eine finanzpolitische Dimension. Die Bildungsplanreform der Kultusministerin stimmt zwar von der Zielrichtung her, beinhaltet aber dennoch einen entscheidenden Kardinalfehler: Sie steht unter dem Dogma, dass das früh gegliederte, angeblich begabungsgerechte Schulsystem um jeden Preis erhalten werden muss. Die in den letzten Jahrzehnten betriebene Strategie zur Optimierung des selektiven Schulsystems ist aber längst an ihre Grenzen gestoßen und wird jetzt scheitern, weil sich die Probleme des zersplitterten Systems aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren noch verschärfen werden.
Erstens: Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, Bildungsbeteiligung und Schulabschluss kann bei einer derart frühen Sortierung der Schüler nicht gelöst werden. Da hilft auch Ihr ständiger Verweis auf die beruflichen Schulen nicht, Herr Staatssekretär Rau. Denn die Migrantenkinder aus den Hauptschulen sind später eben im BVJ und nicht an den beruflichen Gymnasien.
Zweitens: Die selektionsbedingten Instrumente – Klassenwiederholungen, ständige Notenerhebungen, Abschieben in andere Schularten – dominieren unser Schulsystem, und zwar im Gegensatz zu dem, was wir bräuchten, nämlich eine bessere individuelle Förderung jedes Kindes.
Drittens: Das gegliederte Schulsystem ist durch seine Zersplitterung schon heute extrem teuer. Es wird aufgrund der demografischen Entwicklung noch teurer. Schon heute haben wir Hunderte von Kleinstschulen im ländlichen Raum, Hauptschulen mit ungefähr 60 Schülern. Im Zuge des jetzt einsetzenden Rückgangs der Schülerzahl wird es ein Massensterben kleiner Schulen geben. Das ist etwas, was wir alle nicht wollen.