Protokoll der Sitzung vom 18.02.2005

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der finanzielle Handlungsspielraum unseres Landes ist in den letzten vier Jahren in gravierendem Umfang enger geworden. Das hat der Vorredner im Grunde auch deutlich zu verstehen gegeben. Das wird deutlich an den realen Steuereinnahmen des Landes, die in den beiden Jahren des Doppelhaushalts immer noch deutlich unter den Werten des Jahres 2000 liegen werden: 23 Milliarden € im Jahr 2000, aber 21,8 Milliarden € im Jahr 2005.

Die Dramatik der Entwicklung wird noch deutlicher, wenn man die Ansätze, die die mittelfristige Finanzplanung der früheren Jahre für das Jahr 2005 enthalten hat, mit der jetzt absehbaren Situation vergleicht. In der Mifrifi des Jahres 2002 waren für das Jahr 2005 – man höre und staune – 25,65 Milliarden € veranschlagt. Stand Februar 2003, also vor zwei Jahren, waren es 23,55 Milliarden €, Stand 2004, also vor einem Jahr, 22,37 Milliarden €, und jetzt, Stand Januar 2005, sind wir bei 21,88 Milliarden € angekommen.

Dies sind nicht nur die Auswirkungen von Steuerausfällen aufgrund der Steuerreform – denn deren Stufen sind, seit sie Gesetz geworden sind, in der mittelfristigen Finanzplanung bereits berücksichtigt –, sondern das sind die Folgen der unerfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung der letzten vier Jahre. Der Haushaltsplan 2005 weist 3,77 Milliarden € weniger Steuereinnahmen aus, als man schon unter Berücksichtigung der Steuerreform vor vier Jahren noch geschätzt hatte. Auch wenn man berücksichtigt, dass sich parallel zu dieser Entwicklung die zu erwartenden Ausgaben in die Finanzausgleichssysteme um 1,1 Milliarden € verringert haben, bleibt dennoch, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine Lücke in einer Größenordnung von 2,6 Milliarden €.

Wenn sich die Wachstumserwartungen, auf denen die Steuerschätzungen ja stets basieren, erfüllt hätten, hätten wir im letzten halben Jahr nicht daran arbeiten müssen, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen und eine neue Rekordverschuldung des Landes zu vermeiden, sondern wären auf einem soliden Pfad, die Nullnettoneuverschuldung mit diesem Doppelhaushalt zu erreichen. Ich erwähne dies, damit nicht in Vergessenheit gerät, dass die Tatsache, dass dies nicht so ist, nicht die Konsequenz einer überzogenen Ausgabenpolitik des Landes ist, sondern vor allem die Konsequenz einer negativen Wirtschaftsentwicklung, die wir – sicher nicht allein, aber doch zu großen Teilen – auch dem Hin und Her in der Wirtschafts-, in der Steuer-, in der Arbeitsmarkt- und in der Sozialpolitik in Berlin zu verdanken haben.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir haben dies oft genug erörtert. Ich verzichte darauf, Ihnen die Einzelheiten noch einmal darzulegen. Aber mit der so genannten Agenda 2010, Kollege Schmid, so unzureichend sie aus unserer Sicht auch ist, hat Rot-Grün ja selbst das Scheitern dieser Art von Politik eingestanden.

Wir haben in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, so weit wie möglich mit dem Einbruch auf der Einnahmeseite des Haushalts fertig zu werden. Wir haben ganz erhebliche Einsparungen bei den Personalausgaben des Landes vorgenommen. Der Personalkostenansatz des Haushaltsjahres 2005 liegt, meine Damen und Herren, um 1,1 Milliarden € unter dem Wert, der in der mittelfristigen Finanzplanung des Jahres 2002 für das Jahr 2005 veranschlagt war. Auch wenn dabei eine ganze Reihe von Umgruppierungen zu berücksichtigen sind, belegt diese Zahl doch sehr deutlich, in welchem Umfang Einsparungen gerade im Personalbereich von uns, CDU und FDP/DVP, vorgenommen worden sind.

Wir haben die Arbeitszeit der Beamten sowie die Deputatsund Lehrverpflichtungen erhöht und haben Tarifverträge gekündigt. Wir haben im Bereich der allgemeinen und der technischen Verwaltung einen ganz erheblichen Stellenabbau vollzogen und weitere Stellenabbauprogramme aufgelegt. Wir haben die Verwaltungsstrukturreform auf den Weg gebracht, die den Landeshaushalt dauerhaft entlastet. Wir haben im Bereich der Justiz – ich füge hinzu: bislang leider nur im Bereich der Justiz – das Referendariat in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis überführt. Wir haben das Urlaubsgeld gestrichen, das Beihilferecht eingeschränkt und die Sonderzahlungen gekürzt.

Das alles hat uns ganz gewiss keine Freude gemacht und auch keine Freunde gebracht. Aber es war unabdingbar notwendig, um den Haushalt einigermaßen im Lot halten zu können. Gleichzeitig aber gilt: Wir brauchen einen leistungsfähigen, motivierten öffentlichen Dienst, einen öffentlichen Dienst, der auch gegenüber dem privatwirtschaftlichen Bereich konkurrenzfähig ist. Dies schließt aus, dass der öffentliche Dienst, meine Damen und Herren, zur beliebigen Manövriermasse der Haushaltspolitik wird.

(Beifall der Abg. Dr. Noll und Beate Fauser FDP/ DVP)

Wir müssen Verlässlichkeit gewährleisten, und zur Verlässlichkeit gehört zwingend auch eine grundsätzliche Gleich

behandlung der verschiedenen Beschäftigungsgruppen des öffentlichen Dienstes.

(Beifall der Abg. Dr. Noll und Beate Fauser FDP/ DVP)

Schon aus diesem Grund ist der Tarifabschluss zwischen den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, dem Bund und den Kommunen für das Land nicht übernehmbar. Wir müssen alles daransetzen, dass wir auch im Tarifbereich zur 41-Stunden-Woche kommen. Das gilt aus zwingenden haushaltspolitischen Gründen. Insbesondere aber muss es gelten, weil wir eine dauerhafte Ungleichbehandlung zwischen dem Beamtenbereich auf der einen Seite und dem Tarifbereich auf der anderen Seite niemandem verständlich machen können.

(Beifall der Abg. Dr. Noll und Beate Fauser FDP/ DVP)

Ich bin davon überzeugt, dass es auch für die Kommunen außerordentlich sinnvoll wäre, wenn auch sie mehr Spielraum bei der Festsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit erhielten, als es der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst jetzt vorsieht.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Die sind doch flexi- bilisiert in einem großen Ausmaß!)

Das ist doch schön.

Die Auseinandersetzung um die Arbeitszeit, die die Länder mit den Gewerkschaften austragen werden, ist zugleich, Herr Kretschmann, eine Auseinandersetzung zugunsten eines größeren finanziellen Handlungsspielraums der Kommunen unseres Landes.

Wir haben kontinuierlich Personalstellen abgebaut, aber wir haben zugleich auch neue Personalstellen geschaffen. Das waren bewusste und notwendige Schwerpunktsetzungen zugunsten der Unterrichtsversorgung in Zeiten steigender Schülerzahlen und zugunsten der inneren Sicherheit. Wer dagegen war, soll aufstehen und sich bekennen – es gibt niemanden.

(Abg. Rückert CDU: Richtig! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Hoffentlich!)

Dies zeigt: Die Personalstellen und die Personalausgaben des Landes sind jetzt wie in der Vergangenheit nicht das Ergebnis eines Anwachsens der allgemeinen Verwaltung, sondern die Folge landespolitischer Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Bildung und Wissenschaft sowie im Bereich der inneren Sicherheit, bei der Justiz und der Polizei.

Weil das so ist, gibt es auch keine Patentrezepte, Herr Kollege Kretschmann, wie wir der steigenden Pensionslasten Herr werden können. Rein rechnerisch ist alles ganz einfach. Ich habe es einmal durchrechnen lassen. Wir müssen nur über 20 Jahre hinweg 60 000 Stellen streichen oder das gesamte Gehaltsniveau im öffentlichen Dienst um 20 % senken, um den mit der steigenden Zahl der Versorgungsempfänger verbundenen Anstieg der Personalausgaben zu kompensieren. Beides ist aber nicht machbar und völlig unrealistisch.

(Zuruf des Abg. Reichardt CDU)

Eine realistische Politik wird deshalb aus einem Mix mehrerer Ansätze bestehen müssen.

Erstens: Bestandteil dieses Haushalts sind eine Reihe von Stellenabbauprogrammen, mit denen bis zu den Jahren 2008 bzw. 2011 mehr als 5 200 Stellen eingespart werden. Ohne die Einführung der 41-Stunden-Woche und ohne die Verwaltungsstrukturreform wäre dies allerdings nicht möglich. Beides war ebenso richtig wie wichtig und unausweichlich.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Zweitens: Der Stellenabbau wird fortgesetzt werden müssen. Wir brauchen Reformen, um einen Stellenabbau zu ermöglichen. So kann eine Steuerreform, die tatsächlich ein einfacheres und transparenteres Steuersystem schafft, die den Mut hat, ganze Steuerarten wie zum Beispiel die KfzSteuer zu streichen, auch zu einem Stellenabbau in der Steuerverwaltung – Herr Kollege Schmid hat darauf hingewiesen – führen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Der Stellenabbau wird auch den Bildungsbereich mit einbeziehen müssen, wenn der Höhepunkt der Schülerzahl im Jahr 2007 überschritten ist und sich die Schülerzahl wieder rückläufig entwickelt.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Entsprechende k.w.-Vermerke sind ja bereits durch den Finanzausschuss angebracht worden.

Drittens: Wir müssen das reale Pensionseintrittsalter deutlicher erhöhen, als dies in den letzten Jahren gelungen ist. Wir haben jetzt den Weg geöffnet, freiwillig länger zu arbeiten, und wir dürfen für die Zukunft auch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit über die heutige gesetzliche Altersgrenze hinaus nicht tabuisieren.

Und viertens: Wir werden schließlich nicht daran vorbeikommen, parallel zur sukzessiven Absenkung des Rentenniveaus auch, so schmerzlich das ist, das Niveau der Pensionen schrittweise abzusenken.

Man muss kein Prophet sein, Herr Kollege Kretschmann, um feststellen zu können: Wir werden all diese Wege nur dann sinnvoll begehen, wenn wir sie gleichzeitig beschreiten.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Warum sprechen Sie mich dauernd an? – Gegenruf des Abg. Seimetz CDU: Weil Sie so freundlich sind, Herr Kollege!)

Weil Sie so aufmerksam zuhören, Herr Kollege. Freuen Sie sich doch!

Nur so wird zu erreichen sein, dass die Personalausgaben insgesamt nicht einen immer stärker steigenden Anteil unseres Haushalts in Anspruch nehmen.

(Zurufe der Abg. Kretschmann GRÜNE und Birzele SPD)

Nur wenn wir dies schaffen, werden wir auch eine Chance haben, das Ziel, mittelfristig auf eine Neuverschuldung gänzlich verzichten zu können, tatsächlich zu erreichen.

Im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes, das wir heute abschließend beraten, sind die Eingriffe in die kommunalen Finanzmassen zweifelsohne der gravierendste Punkt. Ich will mich heute auf diesen Bereich konzentrieren, nachdem die Förderung der Einrichtungen des zweiten Bildungswegs bereits gestern ausführlich erörtert worden sind.

Wir haben in den Beratungen des Finanzausschusses eine ganze Reihe von Veränderungen an den Regierungsvorlagen zum kommunalen Finanzausgleich vorgenommen. Es bleibt beim Volumen der Kürzungen in Höhe von jeweils 350 Millionen € in beiden Jahren des Haushalts. Dies ist vertretbar, denn im Durchschnitt beider Haushaltsjahre bleibt – auch nach diesen Kürzungen – der kommunale Anteil am Nettosteueraufkommen nach allen Finanzierungsverteilungssystemen in etwa auf dem Niveau des Jahres 2004; 2005 liegt der Anteil leicht unter, 2006 leicht über dem Wert von 2004. Das liegt daran, dass die Steuerschätzungen von Mai und November den Kommunen eine deutlich bessere Einnahmeperspektive zuschreiben als dem Land.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist ja jetzt auch be- stätigt!)

Die Entwicklung des Jahres 2004 hat dies eindeutig bestätigt.

Aber innerhalb dieses Rahmens haben wir, zunächst begrenzt auf das Jahr 2005, die Kürzungen der Finanzmasse A zulasten des Ausgleichstocks weiter zurückgefahren, um noch stärker auf die Situation der finanzschwächeren Gemeinden Rücksicht zu nehmen. Ab 2006 – deshalb die Begrenzung nur auf das Jahr 2005 – werden wir diese Mittel benötigen, um den von der Standortschließung betroffenen Gemeinden auch über den Ausgleichstock gezielt helfen zu können.

Innerhalb des Kommunalen Investitionsfonds haben wir Umschichtungen zugunsten der Fremdenverkehrs- und der Sportstättenpauschale, der Förderung der Tourismusinfrastruktur, der Altenpflegeeinrichtungen und für kommunale Energieprogramme vorgenommen. Wir werden die Regierung ermächtigen, ab dem Jahr 2006 die Sportstättenpauschale wieder in eine Projektförderung umzuwandeln; denn in diesem Bereich hat sich die Pauschalierung der Mittel nicht bewährt.

Wir werden die Landesregierung auffordern, Wege für einen Ausstieg aus der Pflegeheimförderung aufzuzeigen,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wir haben dazu einen Entschließungsantrag!)

nachdem das Ziel dieses Programms, eine qualitativ hochwertige wohnortnahe Versorgung sicherzustellen, was wir alle begrüßen, heute nahezu erreicht ist. – Ja, wir haben dazu einen Entschließungsantrag.

Wir haben die Geltung der Entnahme aus den kommunalen Finanzmassen ausdrücklich auf die beiden Jahre des Doppelhaushalts befristet. Wir müssen die Finanzbeziehung zwischen dem Land und den Kommunen immer wieder neu auf den Prüfstand stellen und zu Korrekturen bereit sein. Dem entspricht die Befristung der jetzt vorgenommenen Kürzungen.