Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

lich kein Mensch braucht. Ich sage hier noch einmal deutlich: Wir sind natürlich gegen Diskriminierung, aber wir sind eben auch dagegen, dass im Zeichen dieses schönen Ziels Unsinn veranstaltet wird. Dagegen sind wir.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich möchte auch einmal sagen: Dieses System, das Sie mit einem so groß angelegten Manöver für verbesserungswürdig erklären, hat meines Erachtens so schlechte Ergebnisse bisher gar nicht gebracht. Oder kann jemand in der Fläche ein großes Problem bei uns in diesem System feststellen? Die Beispiele, die Sie verwenden, sind – Verzeihung – alle entweder absurd oder an den Haaren herbeigezogen oder haben mit diesem Gesetz überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Müssen wir jetzt die Richt- linien umsetzen oder nicht?)

Schön der Reihe nach. Was hier gemacht wird, hat in weiten Teilen mit der Umsetzung der Richtlinien eben nichts mehr zu tun.

(Abg. Herrmann CDU: Aha! Drexler, wichtige Ar- gumentation! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Das ist doch eure Argumentation die ganze Zeit! Das geht doch gegen die EU-Richtlinien!)

Gut, immer schön der Reihe nach.

Die Beispiele, die Sie bisher heranziehen, sind entweder wirklich absurd oder an den Haaren herbeigezogen oder haben mit dem Gesetz nichts zu tun. Nun muss man überlegen: In der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs findet sich das Beispiel, das Gesetz werde es verhindern, dass künftig ein türkischer Händler in Berlin Frauen nicht bediene, die kein Kopftuch tragen. Das ist anscheinend unser Problem. Da sind Dinge von Volker Beck und anderen zitiert worden, die ich gar nicht wiedergeben will.

(Abg. Fischer SPD: Hat Ihnen das Herr Theurer aufgeschrieben?)

Die habe ich noch nie irgendwo gesehen. Deswegen kann man über den Handlungsbedarf schon streiten. Aber was die Folgen des Gesetzes sind, ist klar. Ich war zum Beispiel letzten Sonntag im Rhein-Neckar-Kreis. Da bin ich in die Gemeinde Eppelheim hineingefahren, und da wurde links in einem Baugebiet Werbung gemacht, wo es hieß: Wohnhäuser für junge Familien. Als ich das gesehen habe, habe ich gesagt: Dieses Schild werdet ihr bald abbauen.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD – Abg. Fi- scher SPD: So ein Blödsinn! – Gegenruf des Abg. Hauk CDU: Ja, natürlich! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Ganz klar. Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen noch Redezeit hat. Stellen Sie sich doch hin und sagen, dass das morgen noch unbedenklich möglich sei!

(Abg. Drexler SPD: Das ist auch so!)

Dann haben Sie aber gelogen.

(Unruhe – Abg. Capezzuto SPD: So ein Pessimist!)

Wenn jemand ein Wohnhaus baut – –

(Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Capezzuto – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Das hören Sie nicht gerne; das glaube ich schon. Aber es hat auch keinen Sinn, dann nur zu schreien. Das hören Sie nicht gern, weil es Unsinn ist. Aber Sie wissen genau: Jemand, der morgen ein Mietshaus mit sechs Wohnungen baut, kann dann nicht mehr einfach inserieren: „Suche junge Familie mit Kinderwunsch“, auch wenn Deutschland, was den Kinderreichtum angeht, bekanntlich auf dem letzten Platz unter den OECD-Staaten ist. Das darf derjenige dann nicht mehr,

(Abg. Drexler SPD: Doch! Genau das kann er!)

weil darin natürlich eine Diskriminierung liegt – ganz klar.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Unruhe – Abg. Ursula Haußmann SPD: Was er hier abliefert, ist eine Diskriminierung des Parlaments! – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stickelberger?

Ja, gerne.

Bitte schön, Herr Stickelberger.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ist Ihnen § 10 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs von Rot-Grün aus dem Bundestag bekannt? Er lautet:

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

(Unruhe bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Folgt daraus nicht, dass gerade der Fall, den Sie erwähnt haben, nicht vom Gesetz erfasst wird?

(Beifall bei der SPD)

Lieber Herr Stickelberger, ich danke Ihnen für diese Steilvorlage. Hören Sie gut zu: Wenn ich an der Stelle eines älteren Ehepaars wäre, dann würde ich jetzt sagen: „Diese sechs Wohnungen werden für junge Familien nicht dringend gebraucht, weil es in Eppelheim Wohnungen für junge Familien schon gibt.“ Dann muss der Vermieter – das ist es ja gerade! – das Gegenteil beweisen. Das steht im Gesetzentwurf drin. Das ist doch klar: Die Formulierung ist völlig schwammig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Theurer FDP/DVP: Richtig! – Abg. Drexler SPD: Völliger Unsinn!)

Ich bestreite einfach, dass es diesen sachlichen Grund gibt. Aber Sie kommen auf keinen grünen Zweig.

Man könnte das fortsetzen. Jemand hat im Schwarzwald ein Hotel mit Tagungsbetrieb. Er hat immer zwei, drei Gruppen zu Fortbildungsveranstaltungen bei sich. Bisher konnte er Scientology abweisen. Wenn das Gesetz so in Kraft treten würde, könnte er es nicht mehr.

(Minister Dr. Goll)

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist auch nicht wahr, was Sie da sagen!)

Mit welchem Argument denn? Mit welchem Argument könnte er sie oder die Moon-Sekte oder irgendjemand ablehnen?

(Abg. Schmiedel SPD: Oder die Mafia!)

Das steht in dem Gesetzentwurf drin.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, die Beweislastumkehr, von der ich gesprochen habe, die „Antidiskriminierungsvereine“, die demnächst den Mittelstand überwachen werden, werden das begünstigen, was wir am wenigsten gebrauchen können, nämlich den Stillstand. Das wird dazu führen, dass weniger Verträge geschlossen werden und weniger Investitionen kommen. Ich habe erst gestern von einem Steuerberater erfahren, dass sein Klient den Bau eines Hauses mit sechs Mietwohnungen verschoben hat, weil er aufgrund dieses Gesetzes Angst hat, dass er gar nicht mehr bestimmen kann, an wen er seine Wohnungen vermietet. Das ist eine Tatsache.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Dann bekomme ich mit, dass Ihr Herr Stiegler im Bundestag, als wir gegen das Gesetz Front gemacht haben, gesagt hat, das sei „Gezeter“; man habe § 611 a BGB – Schutz der Frauen – ja auch ins Gesetz geschrieben, und er frage, ob das irgendetwas geschadet habe.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Ich greife § 611 a BGB jetzt gar nicht an, aber ich muss wirklich fragen: Wo hat Herr Stiegler sein Urteilsvermögen? Obwohl wir 5,2 Millionen Arbeitslose haben und sehen, dass es in der Wirtschaft nicht mehr funktioniert, kommt Herr Stiegler und sagt: „Die bisherige Gesetzgebung hat nichts geschadet. Die Wirtschaft verträgt dieses neue Gesetz auch noch.“ Das ist wie im Kalauer, wenn einer mit dem Kopf unterm Arm zum Arzt kommt und der Arzt ihn fragt: „Wo fehlt es denn, guter Mann?“ Da kommt Herr Stiegler im Bundestag daher und sagt: „Bisher hat es ja auch nicht geschadet.“

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Die Fa- schingssaison ist vorbei!)

Ich wünschte, dass der Mann etwas dazulernt.

(Unruhe bei der SPD)

Wir debattieren jetzt darüber, aber die Frage ist, ob sich das lohnt, denn Ihre Kollegen in Berlin ziehen den Gesetzentwurf Gott sei Dank gerade hoffentlich weitgehend vom Tisch. In der jetzigen Fassung würde das Gesetz natürlich auch einen gewaltigen Beratungsbedarf auslösen.

Wann hat es das schon einmal gegeben, dass der Deutsche Anwaltverein vor einer Prozessflut warnt? Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP)