Ich rede von den 13 600 Schülern in der einjährigen Berufsfachschule, denen ein Jahr auf die Berufsausbildung angerechnet werden könnte. Aber, meine Damen und Herren, von denen hat kaum einer einen Vorvertrag. Ist das denn ein Zustand, dass diese jungen Leute ein ganzes Jahr darum zittern müssen, wie es hinterher überhaupt weitergehen soll?
Ich rede von den 200 000 Teilzeitberufsschülern. Ist es denn ein Zustand, dass sie ständig um die Erfüllung ihres Stundenplans kämpfen müssen? Was ist denn mit der 13. Stunde?
Erstens bekommen die Hälfte dieser Jugendlichen noch nicht einmal 12 Stunden Unterricht. Und wenn Sie meinen, die 13 Stunden seien ausgerechnet für diese Schüler zu viel, dann habe ich dafür kein Verständnis. Wollen Sie denn die 13. Stunde abschaffen?
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das habe ich auch nicht gesagt! Sie sind ein Meister im Verfäl- schen!)
Ich muss Ihnen anhand dieser Zahlen sagen: Die beruflichen Schulen werden am stärksten benachteiligt. Ich übertreibe auch gar nicht, da ich die Zahlen benutze, die aus dem Kultusministerium kommen.
Überlegen Sie einmal, welche Zahlen beim Defizit vorlägen, wenn die 420 Deputate, die durch die Deputatserhöhung zusätzliche Lehrer bringen, nicht vom Ministerium hätten eingerechnet werden können! Diese Zahlen sind schon eingerechnet.
Nun mögen Sie sagen: Unterricht fällt überall einmal ein bisschen aus. Aber von diesem Unterricht rede ich ja gar nicht. Ich rede vom Ausfall des Unterrichts, der von Anfang an gar nicht stattfindet.
Erst danach kommt ja der Unterrichtsausfall durch Krankheit und aus anderen Gründen noch hinzu. Das Ministerium sagt doch,
da fehlten 20 000 Stunden. Das bedeutet, dass Sie den Schulen von vornherein 800 Lehrer nicht geben – von Krankheitsvertretungen gar nicht zu sprechen.
Der Verband der Berufsschullehrer hat auf unsere Anfrage hin kommentiert: „Wir bräuchten nicht 800, sondern sogar 1 100 zusätzliche Lehrer, weil es schließlich auch noch sehr viele Lehrer gibt, die Überstunden machen und vorarbeiten.“
Meine Damen und Herren, diese Zahlen und der daraus ermittelte Durchschnittswert von 5,3 % Unterrichtsausfall spiegeln doch gar nicht die wahren Verhältnisse wider. Ich kann es nur als wirklich skandalös bezeichnen, dass im Landkreis Calw und im Enzkreis der Ausfall das Dreifache dieses Durchschnittswerts beträgt. Beim Landkreis Calw hätte ich das überhaupt nicht erwartet; ich hätte erwartet, dass die Vizepräsidentin des Landtags, die dort ihren Wahlkreis hat, etwas gegen diese Zustände tut.
Oder, meine Damen und Herren, ich spreche einmal Herrn Abg. Schneider an. 14 % des Unterrichts, Herr Kollege, fallen bei Ihnen im Kreis Biberach aus.
Sie sitzen hier im Landtag. Sie sind auch Landrat, und der Kreis hat gerade für 26 Millionen € sein Berufsschulzentrum ausgebaut
für 27 Millionen € –, aber Sie sorgen nicht dafür, dass die 6 000 Schüler, die es bei Ihnen an den beruflichen Schulen gibt, auch genügend Unterricht bekommen.
Was nützt es denn, wenn Sie dort die Schule ausbauen, aber anschließend die Klassenräume leer stehen, weil es keine Lehrer gibt?
(Abg. Blenke CDU: Anschließend will ich nicht mehr, Herr Wintruff! Es ehrt mich, dass Sie Angst vor meinen Fragen haben!)
Meine Damen und Herren, es gibt an den beruflichen Schulen auch das große Problem, dass wir bis in die Jahre 2009/ 2010 noch wachsende Schülerzahlen haben. Innerhalb der darauf folgenden zehn Jahre werden diese Zahlen so langsam absinken, dass wir erst nach deren Ablauf den Stand von heute werden erreicht haben. Wir haben also zusätzlich noch einen dramatischen Lehrermangel in diesen beruflichen Schulen. Im Grunde genommen sind letzten Endes Sie dafür verantwortlich; denn wir haben schon seit Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass dieser Zustand eintreten wird. Mit Notprogrammen und anderem haben Sie aber nichts am Hut gehabt. Sie haben nicht genügend Planstellen zur Verfügung gestellt.
Besonders an den gewerblichen Berufsschulen herrscht dieser große Mangel. Ich will Ihnen auch sagen, warum: Die Universitäten Stuttgart und Karlsruhe liefern keine Absolventen der Lehramtsstudiengänge mehr. Es kommen gerade einmal 20 Absolventen pro Jahr; an gewerblichen Schulen werden jedoch 370 pro Jahr gebraucht. Das Referendariat an Berufsschulen ist nicht attraktiv, weil Sie seit 2003 unsere Forderung, den Referendaren in beruflichen Schulen endlich einmal einen Anwärterzuschlag zu geben, abgelehnt haben. Das machen Sie nicht. Im Gegenteil: Sie machen das Referendariat noch unattraktiver, indem Sie diese Referendare nach dem Abschluss zunächst entlassen – die gehen dann nach Rheinland-Pfalz oder sonst wo hin – und zwei Monate später dann wieder einstellen wollen.
Deswegen möchte ich Ihnen zum Abschluss sagen: Sie müssen unserer Forderung nachkommen, einen Zeitplan zum Abbau des strukturellen Defizits im beruflichen Schulwesen vorzulegen. Da besteht weiterhin ein großer Nachholbedarf. Die Pensionierungswelle kommt. Wir erkennen an, dass die beruflichen Schulen aufgrund unserer Forderungen endlich im Schuljahr 2005/2006 ein paar Lehrer mehr bekommen. Das ist auch dringend erforderlich, und das sehen wir als unseren Erfolg an.
(Zuruf des Abg. Rückert CDU – Lachen bei Abge- ordneten der CDU und der FDP/DVP – Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Zuruf des Abg. Blenke CDU)
Das war aufgrund Ihrer Versäumnisse erforderlich. Aber ich sage Ihnen auch, Herr Rückert: Wenn Ihr Kind in die Berufsschule gehen würde, würden Sie nicht so lachen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Wintruff, ich fühle mich natürlich nicht diskriminiert, wenn Sie es auf Ihre Fahnen schreiben, dass w i r zusätzliche Lehrer eingestellt haben.