Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Zweitens: Es ist richtig, dass an unseren beruflichen Schulen Fehlstunden zu beklagen sind. Das steht ja in der Vorlage: 20 894 Fehlstunden, das entspricht 5,3 % der Sollstunden. Das wollen wir gar nicht vertuschen.

(Abg. Wintruff SPD: Geht ja auch nicht!)

Wollen wir nicht. – Nur, Herr Kollege Wintruff, Sie haben doch vorhin Frau Fauser angesprochen, wie es bei ihr im Landkreis aussieht, warum sie da nichts mache. Darf ich Ihnen einmal vorlesen, wie es im Stadt- und Landkreis Karlsruhe aussieht? Gewerbliche Schulen minus 6,3 %, haus- und landwirtschaftliche/sozialpflegerische Schulen minus 8,3 %.

(Abg. Wintruff SPD: Brauchen Sie nicht vorzule- sen! Ich tue ja auch etwas dagegen! – Unruhe)

Darf ich Ihnen sagen, wie es im Landkreis Rottweil aussieht, wo der bildungspolitische Sprecher der FDP/DVP zuständig ist?

(Heiterkeit bei der CDU)

Gewerbliche Schulen minus 4,2 %, haus- und landwirtschaftliche Schulen/sozialpflegerische Schulen minus 4,8 %.

(Abg. Wintruff SPD: Das ist doch klar! – Zuruf von der CDU: So sehen Sieger aus!)

Freunde, nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Wir wollen alle, dass diese Fehlstunden reduziert werden. Da sind wir uns einig. Aber man kann das nicht auf wenige Landkreise oder einzelne Abgeordnete fokussieren.

(Beifall des Abg. Noll FDP/DVP)

Ich komme jetzt noch einmal auf den Unterrichtsausfall zurück. Der Religionsunterricht ist wiederholt angesprochen worden. In der Tat gibt es – mein Vorredner, Herr Kiefl, hat darauf hingewiesen – nicht genügend Bewerberinnen und Bewerber, die bereit sind, an Berufsschulen Religionsunterricht zu erteilen.

(Abg. Teßmer SPD: Die sind alle in der Politik!)

Es gibt einen, mein lieber Kollege Teßmer. Ein Pfarrer bei 128 Abgeordneten ist nicht zu viel, vielleicht eher zu wenig, wenn man bedenkt, was für ein politischer Quatsch da manchmal fabriziert wird.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das vertiefen wir jetzt bes- ser nicht!)

Nahezu ein Viertel des Unterrichtsausfalls entfällt auf den Religionsunterricht. Ich bedauere dies als Pfarrer überaus. Ich muss jedoch zu bedenken geben, meine Damen und Herren, dass ein Argument darin besteht: Der Unterricht fällt aus, weil nicht genügend qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer da sind.

Das Zweite aber ist – ich denke an meine kaufmännische Schule in Rottweil –: Der dortige Oberstudiendirektor – er ist sogar im katholischen Kirchengemeinderat in Rottweil – sagt mir: „Ich kann die 13. Stunde gar nicht geben, weil ich sonst mit dem ÖPNV nicht klarkomme. Denn meine Schülerinnen und Schüler aus Tennenbronn fahren eineinviertel Stunden, um dorthin zu kommen. Es klappt organisatorisch hinten und vorne nicht.“ Sie können versichert sein, dass ich dies mehr als bedauere. Aber man sollte die Dinge schon so benennen, wie sie in Wirklichkeit sind.

(Abg. Wintruff SPD: Das ist doch Pipifax!)

Nein, das ist kein Pipifax. Im Vergleich mit anderen Ländern – darauf hat Herr Kollege Kiefl schon hingewiesen – muss man feststellen, dass es 13 Wochenstunden neben Baden-Württemberg noch in Sachsen gibt.

(Abg. Kiefl CDU: Ja, Sachsen!)

Wir wollen dies auch beibehalten. Wir wollen dies gar nicht ändern. Man muss aber natürlich sehen: Wenn man mit 12 Wochenstunden rechnet, dann ist das eine andere Rechnung, als wenn man mit 13 Wochenstunden rechnet.

(Abg. Göschel SPD: Da hat er Recht!)

Dennoch hat sich die Unterrichtssituation an den beruflichen Schulen geändert. Wie gesagt, im Vergleich zu allen anderen Flächenländern nehmen wir hier immer noch eine Spitzenposition ein.

(Abg. Wintruff SPD: Weil 420 Deputate dazuge- kommen sind! Aber nicht durch Sie!)

In den beruflichen Schulen – danach haben Sie, Herr Kollege Wintruff, in Ihrem Antrag gefragt – hat sich trotz gestiegener Schülerzahl, insbesondere in den ressourcenintensiven Vollzeitschulen, die Lage verbessert. Gegenüber dem Schuljahr 2001/2002 ging der Anteil der Fehlstunden von 6,8 auf 5,3 % und damit um 1,5 Prozentpunkte zurück.

(Abg. Wintruff SPD: Ich habe Ihnen doch gesagt: Wegen der 420 Deputate, die die Lehrer selbst ge- bracht haben!)

Im kommenden Schuljahr sollen die öffentlichen beruflichen Schulen bei der Zuweisung zusätzlicher Lehrerstellen, Herr Kollege Wintruff, angemessen berücksichtigt werden.

(Abg. Wintruff SPD: Es wird auch Zeit!)

Von den insgesamt 1 832 neuen Lehrerstellen im Doppelhaushalt 2005/06 sind 746

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

ja, das ist doch schön – oder 41 % allein für die beruflichen Schulen vorgesehen.

(Abg. Wintruff SPD: Die sind doch vorher dauernd benachteiligt worden!)

Da sind wir uns ja einig. Aber wir machen es doch jetzt.

(Abg. Wintruff SPD: Endlich! Seien wir doch froh!)

Seien wir doch froh, und sagen Sie Danke schön an die Regierung, Danke schön an die Koalition,

(Abg. Wintruff SPD: An uns, dass wir es endlich geschafft haben!)

dass wir jetzt diesen Schritt gemacht haben.

Wenn wir den Stellenanteil für die beruflichen Schulen noch weiter erhöht hätten, Kollege Wintruff, dann hätte dies die Entwicklung an den allgemein bildenden Schulen beeinträchtigt.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie sich so intensiv gerade um die beruflichen Schulen kümmern.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So arg ist das aber nicht!)

Es ist in der Tat so, dass wir lange Zeit einen gewissen Mangel hatten. Aber umgekehrt möchte ich doch auch einmal betonen: Gerade auch bei steigender Arbeitslosigkeit, bei steigender Jugendarbeitslosigkeit haben wir den Blick zunehmend auf diesen schulischen Zweig gelenkt. Dass wir da noch mehr tun können, ist mir wohl bekannt. Wir werden dies mit Sicherheit tun.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Wintruff SPD: Und du sorgst hoffent- lich dafür, dass Religion nicht gestrichen wird!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das berufliche Schulwesen ist eine der Stärken des baden-württembergischen Schulsystems.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Da sind wir uns erfreulicherweise einig. Zweifelsohne hat es im Bereich des beruflichen Schulwesens in den letzten Jahren Entwicklungen gegeben, die wir Grünen nicht nur mittragen, sondern die wir ausdrücklich eingefordert haben und unterstützen, zum Beispiel das Modellprojekt der operativ eigenständigen Schule sowie die Absicht, diese operativ eigenständige Schule auch in der Fläche an allen Schulen einzuführen.

Was aber für die beruflichen Schulen gut ist, das kann ja wohl für die allgemein bildenden Schulen nicht schlecht sein. Wir fordern Sie auf, Frau Ministerin, dieses Modell, das unter anderem ein eigenes Budget für Personal und Fortbildungsmittel an den Schulen vorsieht, auch auf die allgemein bildenden Schulen zu übertragen. Auch dort werden die größere Eigenständigkeit und größere Eigenverantwortung positive Impulse für die Qualitätsentwicklung auslösen.

Ein zweites Beispiel: Das von der rot-grünen Bundesregierung mit Zustimmung der CDU-Fraktion auf den Weg gebrachte Berufsbildungsgesetz sieht vor, dass die Leistungen, die an beruflichen Vollzeitschulen erworben werden, bei den beruflichen Abschlussprüfungen anerkannt werden müssen. Wir begrüßen diese neue Ergänzung zum dualen System ausdrücklich. Wir sehen das nicht als Bedrohung des dualen Systems, sondern als große Chance und wissen, dass auch die Frau Kultusministerin diese Auffassung vertritt.

Deshalb frage ich Sie: Wann und wie setzen Sie diese Vorgabe in Baden-Württemberg um? Gibt es einen Zeitplan? Wie gehen Sie mit der ablehnenden Haltung der IHK und der Handwerkskammern um? Wie kann ein Konsens mit den Partnern erreicht werden? Dieser Konsens ist natürlich notwendig, damit diese Vorgabe erfolgreich umgesetzt werden kann.

Meine Damen und Herren, wir brauchen auch die Anrechnung schulischer Leistungen, die in beruflichen Vollzeitschulen erworben werden, auf die Berufsausbildung, weil wir Mehrfachausbildungen von Jugendlichen vermeiden

wollen. Es macht doch keinen Sinn, wenn Jugendliche erst eine berufliche Vollzeitschule durchlaufen und anschließend noch einmal mit den gleichen schulischen Inhalten eine Berufsausbildung absolvieren. Es geht hier ja nicht nur um einen verantwortungsvollen Umgang mit der Lebenszeit junger Menschen,