Wir brauchen vielmehr eine grundlegende Diskussion über Aufgaben und Neuausrichtung des Staates und eine grundlegende Aufgabenkritik. Angesichts der Dramatik dieser Zahlen – meine Damen und Herren, man muss sich verdeutlichen, dass sich die Verschuldung, wie die Bundesbank es formuliert, mittlerweile ja aus sich selbst nährt – und angesichts der anstehenden Pensionsleistungen, die in den Haushalten überhaupt noch nicht sichtbar werden, stellt sich die Frage, ob wir nicht ganz grundsätzlich anders an die Erledigung öffentlicher Aufgaben herangehen sollten.
Da kommt dann natürlich bei den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch bei uns, den politischen Entscheidungsträgern, häufig der Wunsch auf, dass eine große Vision, ein grandioser Wurf auf einen Schlag unsere Haushaltsprobleme lösen möge. Dieser „große Wurf“ als Zielvorstellung ist mit Sicherheit etwas, was wir erarbeiten müssen und was wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Dies könnte etwa unter der Überschrift „Den Staat neu denken – Landesregierung neu denken“ geschehen. Wir sollten uns dabei aber nicht der Illusion hingeben, dass der Weg dorthin nicht viele kleine Schritte umfassen muss. Denn Aufgabenkritik bedeutet dann natürlich in der Umsetzung die konkrete Auseinandersetzung mit einer Aufgabe. Hier kennen wir alle die Diskussionen und auch den Protest, die sofort aufbrechen, wenn man an einem Punkt einmal etwas infrage stellt. Erinnern wir uns dabei nur an die Diskussion über die Übungsleiterpauschale, bei der die Sportverbände in Baden-Württemberg zum Protest mobilisiert haben und bei der wir gesehen haben, wie notwendige Einsparmaßnahmen auch schnell zu einer sehr populistischen Erregung führen können.
(Abg. Junginger SPD: Es war gerade ein Jahr her, dass die Übungsleiterpauschalen gekürzt wurden! Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit! – Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)
Wir stehen zu der Übungsleiterpauschale; wir haben das ja auch entschieden, aber wir konnten den Sport trotzdem nicht ganz von Einsparungen ausnehmen. Wenn man sich die Haushaltszahlen ansieht, dann wird deutlich, dass das auch künftig so sein wird.
Wenn man nun konkret in die Beratenden Äußerungen des Rechnungshofs hineinschaut, dann sieht man, dass hierin viele Vorschläge enthalten sind, die umgesetzt wurden. Es gibt dabei aber auch einige Vorschläge, die noch nicht umgesetzt wurden. Beispielsweise sind die Reinigungskräfte in den Gebäuden der öffentlichen Hand in Baden-Württemberg genannt werden. Hier wird immerhin noch ein Einsparpotenzial in Millionenhöhe vermutet.
Auch eine ganze Reihe anderer Vorschläge werden gemacht. Ein Einsparbetrag von allein 362 Millionen € wird – allerdings nicht allein für den Landeshaushalt, sondern auch für den Bundeshaushalt und für die Kommunalhaushalte – vermutet, wenn man die Organisation und die Arbeitsweise der Veranlagungsstellen anders organisieren könnte. Hier soll die Arbeitsqualität durch die Einführung eines Risikomanagementsystems verbessert werden. Dadurch seien Steuermehreinnahmen für das Land möglich. Allerdings ist der Landesanteil noch schwer quantifizierbar. Aber so, wie ich die Haushalte der Gemeinden kenne, und bei dem, was wir vom Bund hören, könnten die natürlich die Mehreinnahmen auch brauchen.
So hat der Rechnungshof in 41 Positionen noch offene Punkte genant, die wir im Parlament noch besprechen müssen. Ich möchte einen einzigen gravierenderen Punkt hier beispielhaft herausgreifen. Das ist die Beteiligung von Universitätsklinika an privaten Unternehmen. Ohne den Rechnungshof hätten wir als Parlament nicht erfahren, dass sich die Universitätsklinika in Baden-Württemberg an 19 privaten Unternehmen beteiligt haben, davon 18 inländischen Unternehmen und einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Es stellen sich sofort die Fragen: Muss das sein, und in welchen Bereichen wurde das gemacht? Hier hat die Rechnungshofprüfung doch Kritisches zutage gefördert: Es gab Beteiligungen an Unternehmen – Tochterunternehmen der Universitätsklinika – in Marktsegmenten, in denen mittelständische Unternehmen erfolgreich tätig sind. So stellen wir Liberale uns die Tätigkeit des Staates und die Neuausrichtung des Staates nicht vor, meine Damen und Herren,
sondern wir sind der Meinung, dass sich der Staat überall dort zurückhalten muss, wo er in Konkurrenz zu mittelständischen Unternehmen kommt, weil es ja hier auch eine Wettbewerbsungleichheit gibt, wenn Unternehmen, die den Staat im Hintergrund haben, in Konkurrenz zu mittelständischen Unternehmen treten, die selber das Risiko tragen müssen und die auch nach Basel II und anderen Veränderungen immer größere Schwierigkeiten haben, entsprechende Kredite zu bekommen.
Deshalb können wir uns auch hier den Schlussfolgerungen des Rechnungshofs nur anschließen. Wir sind der Meinung, dass diese Unternehmensbeteiligungen kritisch überprüft werden müssen. Die gesetzlichen Vorschriften müssen eingehalten werden. Meine Damen und Herren, wir fordern, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten der Universitätsklinika in den Bereichen, in denen funktionierende mittelständische Märkte die Versorgung sicherstellen, nicht zugelassen werden.
Nun sind mit der Änderung des Universitätsgesetzes in Baden-Württemberg die Möglichkeiten der Universitätsklinika erweitert worden. Wir als Fraktionen von CDU und FDP/ DVP haben deshalb einen Entschließungsantrag auf den Weg gebracht, der sicherstellen soll, dass die Landesregierung uns über den weiteren Fortgang dieser unternehmerischen Beteiligungen der Universitätsklinika berichtet. Ich halte das für ganz wichtig, weil wir damit sicherstellen wollen, dass es in diesen Bereichen keine Verstöße gibt. Wir wollen, dass diese Unternehmensgründungen nicht missbräuchlich betrieben werden. Vor allem wollen wir vermeiden, dass es zu Wettbewerbsverzerrungen zulasten kleiner und mittelständischer Betriebe kommt.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich im Namen der FDP/DVP-Landtagsfraktion ein herzliches Dankeschön an den Rechnungshof und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussprechen. Der Rechnungshof hat in den vergangenen Jahren auch bei sich selbst Personal eingespart. Ich teile hierzu die auch vom Kollegen Junginger geäußerte Meinung, dass der Rechnungshof dennoch leistungsfähig bleiben muss, weil dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ja Einsparpotenziale aufzeigen. Uns geht es in der öffentlichen Verwaltung fast so ähnlich wie in der Privatwirtschaft: Qualität entsteht im Prozess und nicht am Ende. Insofern teile ich auch die Einschätzung, dass die Beratenden Äußerungen immer wichtiger werden. Wir müssen also schon in den Arbeitsprozessen einsteigen und dort vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven heben.
Insofern hoffe ich, dass sich der Rechnungshof künftig noch stärker der Umsetzung der Neuen Steuerungsinstrumente annimmt. Meine Damen und Herren, wir haben hier ein Instrumentarium geschaffen, mit dem man betriebswirtschaftliches Denken in die öffentliche Verwaltung bringen kann. Wir müssen aber jetzt von den reinen Informations- und Steuerungsinstrumenten hin zur neuen Steuerung kommen. Das heißt, wir müssen mit den Zahlen, die hier generiert werden, auch umgehen. Da, meine Damen und Herren, stehen auch wir als Parlament in der Verantwortung. Wir stehen hier noch am Anfang.
Auch die Fachausschüsse müssen in die Finanzverantwortung hineinkommen. Es bringt überhaupt nichts, wenn sich immer nur die Finanzpolitiker und der Finanzminister Gedanken über die Einnahmen und Ausgaben des Landes machen und die Fachpolitiker nur anmelden und sagen: „Wir haben ein Problem im Bereich der Kinderbetreuung. Wir haben ein Problem im Bereich des Straßenbaus. Lieber Finanzminister, lieber Finanzausschuss, schaff uns das Geld herbei.“ Wir müssen erreichen, dass die Budgets in die Ressorts gehen und dass in den Ressorts geschaut wird, wie man noch wirtschaftlicher mit den vorhandenen knappen Mitteln, mit eigentlich nicht vorhandenen öffentlichen Mitteln umgeht. Das verspreche ich mir von einem neuen Steuerungsmodell, wenn man es konsequent umsetzt.
Meine Damen und Herren, die FDP/DVP-Fraktion fordert, dass wir es umsetzen, dass wir zu einer Delegation von Verantwortung kommen, dass die Fachpolitiker auch die Finanzverantwortung übernehmen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrter Präsident Frank! Der Rechnungshof hat in seiner Denkschrift auch dieses Jahr wertvolle Hinweise darauf gegeben, wo und wie die Wirtschaftlichkeit des Regierens und Verwaltens verbessert werden kann und verbessert werden muss. Was müssen wir künftig anders machen? Wie kommen wir zu wirtschaftlicheren und zukunftsfähigeren Regierungs- und Verwaltungsweisen in Baden-Württemberg? Das ist der Auftrag, der sich aus dieser Denkschrift ergibt.
Eine Vorbemerkung: Die Bilanz der Regierungszeit Teufel ist in finanzpolitischer Hinsicht, kurz gesagt, eine Verdoppelung der Schulden von 40 Milliarden DM auf 40 Milliarden €.
Der Landeshaushalt schiebt ein strukturelles Defizit von 3 Milliarden € vor sich her, und der Rechnungshof stellt fest: „Das Land treibt auf einen verfassungswidrigen Haushalt zu.“ Wir wissen ja alle, dass der Finanzminister nur durch einen üblen Trick, nämlich den Verkauf von Zinsforderungen an die LBBW bis 2017, überhaupt zu einem verfassungsmäßigen Haushalt kam.
Erstes Beispiel: Kleiner Betrag, aber eine große symbolische Wirkung. Wir erfahren bei Nummer 4 – Repräsentationsausgaben –, dass die Abschiedsfeier eines Professors mit 600 geladenen Gästen mit Musikkapelle und Festzelt den Steuerzahler 27 000 € gekostet hat. Das ist nur ein Beispiel für überzogene Repräsentationsausgaben in Behörden und Hochschulen. Ich meine, man braucht sich natürlich nicht zu wundern, wenn Menschen draußen und auch die Mitarbeiter der Verwaltung kein Verständnis dafür haben, dass in ihrem Bereich gekürzt wird, wenn sie so etwas erfahren. Gut, das ist ein geringer Betrag, aber den Eindruck „Gespart wird beim einfachen Volk, und der Kongress tanzt weiter“ kann man damit natürlich nur befördern. Deswegen ist es, glaube ich, wichtig, auch in diesem Bereich Änderungen vorzunehmen.
Wir denken, es ist ein Bewusstseinswandel notwendig an der einen oder anderen Stelle der Leitungsebenen. Mehr Wettbewerb und mehr Wirklichkeitswahrnehmung müssen da fühlbar werden. Das erreichen wir durch mehr marktwirtschaftliche Elemente: indem wir Führungsfunktionen auf Zeit vergeben und Durchlässigkeit für Führungskräfte zwischen Wirtschaft und Verwaltung schaffen.
Das zweite Beispiel heißt: Auch Technikgläubigkeit kann teuer sein. Der Rechnungshof untersuchte die Entwicklung
und die Einführung des Personalverwaltungssystems DIPSY. Entwicklungsbeginn war 1993. Kostenschätzung damals etwa 3,5 Personaljahre und – umgerechnet – 18 400 € für externe Beratung, also sagen wir einmal insgesamt 400 000 €. Tatsächlich angefallene Kosten bis zur Einführung 17 Millionen €, davon externe Beratungskosten 6,8 Millionen €. Das ist 40-mal mehr als veranschlagt und vorgesehen. Ich finde, so etwas ist grotesk. Keine private Firma könnte Fehleinschätzungen in dieser Größenordnung überhaupt überleben.
Die Vielzahl der Fälle, die wir auch bei anderen Systemen haben, zeigt, dass die Datenverarbeitung eine gewisse Immunität besitzt. Sie wurde immer als kostensparend per se angesehen und konnte sich deswegen über Jahrzehnte einer kritischen Kostenkontrolle entziehen. Damit muss Schluss sein. Der Auswuchs dieser altertümlichen, nur technik- und nicht mitarbeiterorientierten Verwaltungsstruktur ist das Projekt NSI. Wir haben mit diesem extrem technikzentrierten Ansatz nicht die politische Steuerung verbessert, die wir erreichen wollen. Wir müssen daraus für die Zukunft die richtigen Konsequenzen ziehen.
Dritter Punkt: Selber denken und entscheiden, statt immer mehr in das Gutachterwesen zu gehen, wenn man aber schon Gutachten vergibt, sie dann auszuschreiben.
Das ist ein glatter Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung, aber leider kein Einzelfall. Die inzwischen vorliegende Beratende Äußerung des Rechnungshofs zu externen Vergaben zeigt für die Landesverwaltung auf, dass 2001 bis 2004 von 336 Aufträgen für externe Gutachten – Auftragsvolumen über 22 Millionen € – bei 90 % keine Ausschreibung erfolgte; bei über 80 % wurden nicht einmal Vergleichsangebote eingeholt. Da wird mit öffentlichen Mitteln ins Blaue hinein gewirtschaftet. Da vergibt etwa die Forstdirektion Freiburg eine Verträglichkeitsstudie zur Waldmaikäferbekämpfung im Hardtwald bei Karlsruhe. Kosten des Gutachtens: 40 000 €.
Das Gutachten stellt fest, dass Pflanzenschutzmitteleinsatz zu erheblichen Beeinträchtigungen von Arten führen würde.
Also, Herr Minister Stächele, dieses Gutachten hätten Sie bei mir für 4 € haben können, und dann hätte ich noch gut daran verdient.
Also auch hier geht es nicht nur um den Einzelfall, sondern darum, durch organisatorische Maßnahmen mehr Wirtschaftlichkeit zu erreichen.
Jetzt komme ich zum Schluss und zum dicksten Brocken. Die Bauunterhaltung unserer Universitätsgebäude liegt im Argen. Es sind nicht genug Mittel für den Unterhalt da. Viele Gebäude, auch solche von historischem Wert, leiden in der Substanz. Das heißt, das Landesvermögen verfällt, weil die Gebäude nicht instand gehalten werden. Der Rechnungshof hat in seiner Beratenden Äußerung auch dieses Thema vertieft und festgestellt – –