Protokoll der Sitzung vom 20.04.2005

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend noch ein persönliches Wort zu diesem Thema: Die deutschfranzösische Aussöhnung und Zusammenarbeit war mir immer ein besonderes Anliegen. Es ging mir um Frieden und um gute Nachbarschaft am Oberrhein. Es ging mir um eine

(Ministerpräsident Teufel)

friedliche Zukunft der jungen Generation. Deshalb habe ich als Bürgermeister eine Partnerschaft mit einer französischen Stadt begründet. Ich vergesse nicht, was mir der französische Bürgermeisterkollege bei der ersten Begegnung gesagt hat – er war 73 Jahre alt und in zwei Weltkriegen gegen Deutschland dabei –: „Ich will diese Partnerschaft, damit sich die junge Generation unserer beiden Städte kennen lernt. Denn wer sich kennt, schießt nicht aufeinander.“

(Beifall bei allen Fraktionen)

Deshalb war mir die Zusammenarbeit mit dem Elsass und auch mit Rhône-Alpes ein so wichtiges Anliegen. Deshalb habe ich mich vier Jahre lang als Kulturbeauftragter um die Pflege der deutschen Beziehungen zu Frankreich gekümmert. Deshalb bin ich seit Jahren Vorsitzender der Freundschaftsgruppe des Bundesrats zum französischen Senat. Ich hatte die Ehre, vor zwei Jahren als einziger Deutscher zur Feier des Jubiläums des Elysée-Vertrags vor dem französischen Senat zu sprechen.

Meine Damen und Herren, wer um unsere Geschichte weiß und wer an die Zukunft unserer Kinder denkt, der muss sich aktiv für die deutsch-französischen Beziehungen und für die europäische Zusammenarbeit einsetzen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Deshalb hoffe ich auch auf eine Zustimmung des französischen Volkes in der Abstimmung über den europäischen Verfassungsvertrag. Es gibt keine Alternative zu einem geeinten Europa!

(Die Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP so- wie zahlreiche Abgeordnete der SPD und Abgeord- nete der Grünen spenden stehend anhaltenden leb- haften Beifall.)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Große Anfrage ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes, des Landespersonalvertretungsgesetzes und anderer Vorschriften – Drucksache 13/3783

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 13/4205

Berichterstatter: Abg. Stickelberger

Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort nicht.

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Herrn Abg. Schneider das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ziele des abschließend zu beratenden Gesetzentwurfs haben wir, glaube ich, in den Ausschussberatungen zumindest in weiten Teilen überein

stimmend für richtig befunden. Wir vereinfachen und entrümpeln das Beamtenrecht an einigen Stellen. Ob wir dabei etwas einsparen, wird sich letztlich zeigen. Wir setzen damit die Anregungen des Rechnungshofs aus der Denkschrift 2002 um. Wir müssen auch ganz klar sehen, dass wir in dieser Sache nicht Vorreiter sind, sondern lediglich die Möglichkeiten des Beamtenrechtsrahmengesetzes nutzen, die der Bund und viele andere Länder schon umgesetzt haben.

Ich glaube, die einzige Differenz, die wir in den Beratungen insbesondere mit der SPD hatten, betraf das Hinausschieben der Altersgrenze auf Antrag: bei Beamten ist das zukünftig von 65 auf 68 Jahre, bei Polizeibeamten von 60 auf 63 Jahre möglich. Ich möchte dazu für unsere Fraktion noch Folgendes sagen: Wir haben für Beamte keine Verpflichtung hierzu, sondern lediglich Antragsmöglichkeiten, das heißt, der Beamte muss dies letztlich wollen.

Des Weiteren können wir das Begehren aus dienstlichem Interesse genehmigen. Wir haben dies bewusst offen gehalten. Ganz wichtig ist uns als Fraktion, dass das dienstliche Interesse höher als das Individualinteresse sein muss. Dass ein Beamter damit seine Versorgung verbessern kann, darf als Grund nicht ausreichen. Ich halte die Möglichkeit des Hinausschiebens der Altersgrenze aus der Sicht unserer Fraktion und auch mit Blick auf die Erfordernisse der Praxis für völlig richtig; denn es gibt immer wieder Beamte, die mit 65 Jahren respektive mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen müssen, die aber gerne weitermachen würden, die sich gut gehalten haben und möglicherweise später als üblich in den Beruf eingetreten sind. Warum sollen wir diese Beamten nicht weitermachen lassen, wenn überwiegend ein dienstliches Interesse besteht?

Wir haben uns auch darüber unterhalten, ob sich diese Regelung kostenmäßig vorteilhaft auf den Haushalt auswirkt. Wir formulieren hier bewusst keine Erwartungen. In einem sind wir uns allerdings sicher: Dieses Vorgehen verursacht sicherlich keine zusätzlichen Kosten, aber es bietet die Möglichkeit von Einsparungen. Wir sollten jetzt in aller Ruhe abwarten, wie es läuft, und uns dann einen Erfahrungsbericht geben lassen. Der Innenminister hat dies zum Ende 2006 auch schon zu den Fragen „Wer beantragt? Weshalb wird beantragt?“ und zur Frage nach den Motiven und natürlich der Kostenauswirkungen zugesagt.

Es ist in den bisherigen Beratungen von der Opposition gesagt worden, wir verschlechterten die Chancen für Neueinstellungen. Das ist leider wahr. Aber es gehört einfach zur bitteren Wahrheit: Wir schaffen nicht beides. Wir können nicht auf der einen Seite Personal abbauen und auf der anderen Seite Arbeitsmarktimpulse geben. Das ist leider wahr. Die bittere Wahrheit ist: Was die Wirtschaft nicht vermag – auch weil sie politisch niedergedrückt und gefesselt wird –, das kann der Staat nie ausgleichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass diese beamtenrechtlichen Neuregelungen eigentlich nur die ersten Schritte in die richtige Richtung sind. Wir müssen generell zu einem höheren Pensionseintrittsalter kommen. Ich nenne als Stichworte: etwa im Bereich der Polizei ein niedrigeres Pensionseintrittsalter nur in Abhängigkeit vom tatsächlich geleisteten Streifendienst. Oder als zweites Stichwort: Im Lehrerbereich könn

ten wir es von 64 auf 65 Jahre erhöhen. Das haben andere auch schon gemacht.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das könntet ihr doch machen! Wieso macht ihr das nicht? – Gegenruf des Abg. Heinz CDU)

Noch eine generell abschließende Bemerkung: Wir brauchen hier im Landtag mehr Gesetzgebungszuständigkeiten im Bereich des Beamtenrechts. Wir brauchen weitere notwendige Reformen im Beamtenrecht, dazu aber auch mehr Zuständigkeiten. Der Bund sitzt auf den Zuständigkeiten und bewegt sich aus unserer Sicht zu wenig.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Föderalismuskom- mission!)

Deshalb ist es unser Wille, über diese ersten Schritte hinweg Weiteres zu tun.

Ich bedanke mich sehr.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Jawohl!)

Das Wort erhält Herr Abg. Stickelberger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schneider, Sie haben unsere Kritik schon sehr treffend vorweggenommen. Das Hinausschieben des Pensionseintrittsalters ist in der Tat der Gesichtspunkt, der bei uns am meisten Widerstand hervorruft. Gestatten Sie mir gleichwohl, dass ich einen kleineren und einen größeren Zusammenhang mit der Zukunft des öffentlichen Dienstes und insbesondere des Dienstrechts insgesamt herstelle.

Wir haben hier im Hause schon mehrfach darüber diskutiert, wohin die Reise geht. Durch die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage Ihrer Fraktion haben wir eine Bestandsaufnahme zu den Fragen bekommen: Wo steht der öffentliche Dienst in Baden-Württemberg? Wie sieht das Dienstrecht jetzt aus? Wir haben wohl übereinstimmend feststellen müssen: Der öffentliche Dienst in Baden-Württemberg ist möglicherweise auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. Dies gilt einmal aufgrund der knappen Finanzmittel, aber auch aufgrund des Umstands, dass die Konkurrenz der freien Wirtschaft groß ist. Es ist schwierig, in der Konkurrenz zur Wirtschaft qualifizierte Arbeitskräfte für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. Das ist schwierig, weil die Finanzen knapp sind, weil wir alle Angst vor weiteren Pensionslasten haben müssen und weil wir täglich mit Stellenabbauprogrammen und Personaleinsparungen konfrontiert werden.

Vor diesem Hintergrund hätte es sich angeboten, jetzt im Zuge dieser Novellierung beamtenrechtlicher Regelungen einen großen Wurf zu machen, der vom Land auch hätte gemacht werden können. Sie haben auf den Bund verwiesen. Natürlich brauchen wir in vielen Fällen Öffnungsklauseln und Ermächtigungsgrundlagen durch den Bund. Sie haben auf die Föderalismuskommission verwiesen. Die SPD-Fraktion steht zur Münchner Erklärung, die wir hier gemeinsam verabschiedet haben, gemäß der wir die Zuständigkeiten für die beamtenrechtlichen Regelungen und auch für die Beam

tenversorgung hier im Land haben wollen. Aber ich glaube, es wäre gut gewesen, wenn die Landesregierung diese Novellierung zum Anlass genommen hätte, das zu regeln, was man schon jetzt hätte regeln können.

Wir wissen natürlich, dass die Fähigkeit zur Konkurrenz mit der freien Wirtschaft ein Problem sein wird. In vielen Verwaltungsbereichen droht uns eine Pensionswelle. Es wird schwierig sein, geeigneten Nachwuchs für den öffentlichen Dienst zu finden.

Umso mehr hätte es sich angeboten – nicht nur unter haushaltsrechtlichen oder haushaltspolitischen Gesichtspunkten –, jetzt Regelungen zu schaffen, die Leistungsanreize für Beamte bieten. Die Grundlagen im Land wären vorhanden. Es gibt Rechtsverordnungen, um Leistungsstufen, Leistungszulagen und Leistungsprämien einzuführen. Wir haben diese rechtlichen Grundlagen seit 2002. Wir haben auch eine entsprechende Ermächtigung im Bundesbesoldungsstrukturgesetz seit dem Jahr 2002. Von all diesen Möglichkeiten hat das Land bisher leider keinen Gebrauch gemacht, um diese Leistungsanreize zu schaffen. Leistung würde sich nicht allein für Beamte lohnen. Sie lohnte sich auch für das Land, auch im Hinblick auf die finanzpolitische Situation, die zum Teil vor allem auch auf die hohen Personalkosten im Land zurückgeht.

Deshalb meine ich: Was dieser Novellierung fehlt, ist die große Linie. Es fehlt jeder reformerische Ansatz für die Weiterentwicklung im Hinblick auf ein leistungsfähiges, flexibles Dienstrecht in der Zukunft.

Allerdings will ich nicht verhehlen, dass einzelne Regelungen in diesem Gesetzentwurf durchaus sinnvoll sind – wir haben darüber im Ausschuss gesprochen –, insbesondere was etwa die Möglichkeit angeht, auch Beamte unter 50 Jahren in die begrenzte Dienstfähigkeit zu versetzen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Sinnvoll ist auch, das Einwendungsverfahren bei der Zwangszurruhesetzung zu beschleunigen. Das sind, ebenso wie die Verpflichtung des Beamten, bei der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit aktiv mitzuwirken, alles sinnvolle Regelungen.

Allein die Altersbeschränkung ist natürlich schon ein wesentlicher und zentraler Punkt – neben anderen Punkten, die wir im Übrigen auch vermissen. Es fehlt die Novellierung des Landesdisziplinarrechts. Auch das muss auf der Tagesordnung stehen, ist allein aber sicher nicht der entscheidende Gesichtspunkt.

Herr Kollege Schneider, Sie haben zutreffenderweise darauf hingewiesen, dass die neue Altersregelung möglicherweise Bemühungen blockieren kann, geeigneten Nachwuchs in Führungspositionen zu bringen. Wir sehen diese Gefahr in ganz erheblichem Maße, haben jedoch leider weder im Finanzausschuss noch im Innenausschuss eine befriedigende Antwort der Landesregierung auf die Frage bekommen, welche Motivation und welche Konzeption denn letztlich hinter dieser neuen Altersregelung stecken. Dient sie vielleicht dazu, verdiente Behördenleiter über ihr Pensionsalter hinaus im Amt zu halten? Wer bestimmt das letztlich? Wie groß ist der Bedarf? Denn ein Rechtsanspruch des Beamten – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen –

besteht ja nicht; es müssen nach wie vor dienstliche Interessen gegeben sein. Wie verhält sich das alles, und welche haushaltspolitischen Auswirkungen hat es? Auch darauf haben wir keine befriedigende Antwort erhalten.

Eine solche Lösung, wie sie jetzt dem Gesetz zugrunde liegt, muss auf einer Gesamtkonzeption beruhen, die inhaltlich überzeugend ist und deren dienstrechtliche und insbesondere haushaltspolitische Motive erkennbar sind. Das Ziel ist für uns völlig verschwommen. Es ist nicht klar, und der Weg dorthin ist uns viel zu schmal. Warum macht das Land keinen Gebrauch von den Möglichkeiten, die schon jetzt zur Modernisierung des öffentlichen Dienstrechts bestehen? Auf die Antwort auf diese Frage warten wir, und wir finden in diesem Gesetzentwurf leider keine Ansätze hierfür.

Es hätte sich angeboten, nach dem großen Werk der Verwaltungsreform durch das Verwaltungsstruktur-Reformgesetz jetzt auch beamtenrechtlich nachzuziehen, indem das Land von den Kompetenzen, die es schon jetzt hat, Gebrauch macht und nicht wartet, bis der Bund wieder einmal den Vorreiter spielen muss. Ich erinnere an das Eckpunktepapier, das der Bund mit ver.di und dem Deutschen Beamtenbund beschlossen hat und in dem gute Ansätze für ein leistungsorientiertes Dienstrecht vorhanden sind. Wir hätten uns gewünscht, dass sich auch das Land diese leistungsbezogenen Elemente im öffentlichen Dienstrecht zu Eigen macht und dass diese Vorschläge – soweit dies in der Landeskompetenz steht – auch Eingang in die Neuregelungen finden.

Wir vermissen also nicht nur eine klare Zielsetzung in weiten Teilen dieses Gesetzentwurfs, sondern wir vermissen auch ein Mindestmaß an Reformbereitschaft und Erneuerung im Hinblick auf einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst. Deswegen können wir dem Gesetzentwurf in der jetzt vorliegenden Form nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)