Protokoll der Sitzung vom 20.04.2005

Zu Hysterie und Angst besteht überhaupt keine Veranlassung.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und dann passiert, was gar nicht zu beklagen ist. Wenn wir gewisse Ziele erreicht haben, überlegen wir uns, wie wir die Latte höher hängen können. Und das hat die Europäische Union beim Feinstaub und beim Stickoxid mit ihren Richtlinien tatsächlich getan.

(Abg. Capezzuto SPD: Gott sei Dank nicht bei der Papstwahl!)

Meine Damen und Herren, wir haben unsere Luftqualität bisher flächenmäßig gemessen und bewertet. Jetzt sind wir durch die neuen Richtlinien der EU verpflichtet, unsere Luftqualität punktuell zu überprüfen. Wenn in Stuttgart an ein oder zwei Stellen der Schwellenwert für Feinstaub überschritten ist, dann kann man alles behaupten, nur nicht, dass Stuttgart die dreckigste Stadt Deutschlands sei.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Beate Fau- ser FDP/DVP – Abg. Döpper CDU: So ist es!)

Ich habe letzte Woche in der „Welt“ gelesen, dass die WHO die Zahl der Toten aufgrund von Feinstaub in der gesamten Europäischen Union auf jährlich 60 000, in Deutschland auf 17 000 schätzt, während wir in Deutschland immer hören – auch Sie, Herr Palmer, haben es gesagt –, allein in Deutschland seien jährlich wegen Feinstaubs 60 000 bis 65 000 Tote zu beklagen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: „13 000“ habe ich gesagt!)

Noch eine medizinische Aussage: An diesem Feinstaub, den wir mit Recht bekämpfen, hängen Partikel von Feinststaub, gegen den wir überhaupt nichts unternehmen können. Wenn der Feinstaub, an dem im Moment der Feinststaub hängt, weg ist, zirkuliert draußen halt der Feinststaub. Ob dieser medizinisch nicht noch schlimmer als der Feinstaub ist, wissen wir gar nicht.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist bereits erwiesen! – Abg. Schmiedel SPD: Was folgt da- raus?)

Herr Kollege Palmer, alle Fraktionen haben in der letzten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses gemeinsam eine Beschlussempfehlung verabschiedet.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Sehr richtig!)

Deswegen weiß ich gar nicht, warum wir heute hier wieder eine streitige Debatte führen sollen.

(Abg. Drexler SPD: Wir streiten doch gar nicht, Sie streiten doch!)

Wir haben uns nach langer Diskussion darauf verständigt, und das ist lobenswert und zu begrüßen. Das, was dort drinsteht – auch mit unseren Stimmen verabschiedet –, ist auch unsere Politik. Wir bekennen uns zu der Forderung, die kurzfristigen Aktionspläne und die mittel- und langfristigen Luftreinhaltepläne so schnell wie möglich vorzulegen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Nachdem zwei Jahre nichts passiert ist!)

Wir bekennen uns dazu, dass die EU aufgefordert bleibt, um eine noch raschere Umsetzung ihrer strengen Abgasvorschriften sowohl für Pkws als auch für Lkws besorgt zu sein.

Meine Damen und Herren, wir stehen hinter der Forderung, die Nachrüstung mit Dieselpartikelfiltern steuerlich zu begünstigen. Allerdings steht in der Beschlussempfehlung auch, dass das aufkommensneutral zu geschehen habe. Meine Meinung ist: Am besten geschieht das aufkommensneutral, wenn man diejenigen, die nicht nachrüsten, mit einem zusätzlichen Steueraufschlag belegt. An dieser Stelle sage ich immer: Umweltschutz, der nichts kostet oder der nicht wehtut, wirkt in der Regel überhaupt nicht.

Meine Damen und Herren, wir fordern die Bundesregierung auf – das steht auch in der Beschlussempfehlung –, möglichst schnell die Rechtsvorschriften dafür zu schaffen, dass überhaupt über Fahrverbote diskutiert werden kann. Wir fordern sie auch auf, klipp und klar zu sagen, ob sie die Rechtsgrundlage für eine City-Maut schaffen möchte oder nicht. Hier sind wir in der rechtlichen Einordnung, Herr Palmer, unterschiedlicher Meinung. Wir meinen: Wenn der Bund mit seinem Mautgesetz einmal von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat, dann können wir diese Gesetzgebungskompetenz nicht wieder für die CityMaut zurückholen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Da ist aber die Lan- desregierung anderer Auffassung!)

Zum Schluss sage ich: Wir bekennen uns zu der Forderung, die Möglichkeit zu schaffen, die Höhe der Lkw-Maut stärker zu spreizen, je nachdem, wie umweltfreundlich oder umweltfeindlich die Lkws sind.

Strich drunter: Wir sollten froh sein, dass wir uns auf eine gemeinsame Vorgehensweise geeinigt haben. Ein Hinweis an die Grünen: Wenn Sie dennoch auf der Abstimmung über Ihre Anträge bestehen, würden wir sie ganz einfach aus formalen Gründen ablehnen,

(Abg. Schmiedel SPD: Warum?)

weil wir nicht jede Woche zweimal bestätigen müssen, was wir im Ausschuss erarbeitet haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Schmidt-Kühner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch im Januar dieses Jahres hieß es in der „Sonntag Aktuell“: „Feinstaubalarm? Schwamm drüber!“ Die Befürchtung war sehr groß, dass wir in dieser Diskussion überhaupt nicht schnell weiterkommen. Ich denke, im Vergleich zu diesem Zeitpunkt hat sich in den letzten drei Monaten doch etliches geändert. Wir haben eine sehr

intensive und zum großen Teil auch konstruktive Diskussion, um bei den Themen Feinstaub und Luftreinhaltepläne voranzukommen.

Es gab damals und gibt auch heute noch die Forderung nach der City-Maut und nach Fahrverboten. Ich werde darauf auch noch eingehen. Eigentlich ist es natürlich schon richtig, dass wir seit den Neunzigerjahren wissen, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen müssen. Seit 2002 ist die Umsetzung der EU-Richtlinie nationales Recht. Wir wissen, dass wir das Thema angehen müssen. Es ist natürlich schlimm, dass wir mit den Luftreinhalteplänen in den großen Städten, gerade auch in Stuttgart, noch nicht so weit sind, wie wir eigentlich sein müssten, sodass wir in diesem Jahr, als die Grenzwerte überschritten waren, tatsächlich schnell und sofort einen Aktionsplan gehabt hätten, damit der Luftreinhalteplan insgesamt greift. Aber ich denke, das ist jetzt erst einmal so. Nun muss dafür gesorgt werden, dass dieser Luftreinhalteplan schnellstmöglich erstellt wird.

Feinstäube entstehen allerdings nicht nur durch den Verkehr, sondern sie entstehen auch in Industrieanlagen, in Kleinfeuerungsanlagen und im Haushalt. Auch diese Quellen gilt es natürlich genauso zu bekämpfen, wenn es um die Frage der Feinstaubbekämpfung geht. Das betrifft nicht nur den Verkehr, sondern eben auch die anderen Quellen.

(Abg. Birzele SPD: Die Raucher!)

Ein Luftreinhalteplan muss eben auch berücksichtigen, dass es diese anderen Quellen gibt. Allerdings leistet der Verkehr den größten Anteil, insbesondere in den hoch belasteten Gebieten. Das ist völlig klar. Wir müssen deswegen also durchaus ein besonderes Augenmerk auf den Verkehr legen. Da kommt dem Dieselruß ein besonderes Gewicht zu.

Wir setzen uns für die Entwicklung von Motoren, die keine Partikel freisetzen, den konsequenten Einsatz von Partikelfiltern in Neufahrzeugen und die Nachrüstung bei Gebrauchtwagen ein. Denn nur darüber bekommen wir diese Entwicklung insgesamt in den Griff, was die verkehrliche Seite betrifft.

Es geht also um die beschleunigte Einführung des Partikelfilters, und dazu brauchen wir eine steuerliche Entlastung beim nachträglichen Einbau, damit die Gesamtflotte schneller mit dem Filter ausgestattet ist. Aber wir sind durchaus der Meinung, dass für Neufahrzeuge der Dieselrußfilter sofort Pflicht werden sollte, sodass es eben für Neufahrzeuge keine steuerlichen Vergünstigungen gibt. Der Dieselrußfilter muss bei Neufahrzeugen sofort Pflicht werden.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja wie denn?)

Die Automobilindustrie setzt ja darauf und sieht Dieselfahrzeuge nur noch mit Rußpartikelfilter vor.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Dazu braucht es doch eine EU-Norm! Die kriegen Sie doch nicht!)

Wir wollen dies im nationalen Bereich sofort haben, und da dürfen die Finanzfragen, die Herr Minister Stratthaus dagegen anführt, keine Rolle spielen. Wir brauchen tatsächlich schnellstmöglich die Einführung des Dieselrußfilters.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein Wort zum Thema City-Maut: Die City-Maut ist sicherlich in vielen Bereichen ein sinnvolles Mittel. Durch sie können natürlich die Zufahrten zu den Städten begrenzt, können insgesamt Verkehrsfragen, die wir in den Städten haben, deutlich besser bearbeitet und kann die Förderung des ÖPNV vorangebracht werden. Aber die City-Maut ist für meine Begriffe kein adäquates Mittel zur Reduzierung der Feinstaubkonzentration, weil sie nicht an den Ursachen des Feinstaubs ansetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wieso? Wo denn sonst? Weniger Ver- kehr bedeutet weniger Feinstaub!)

Wir müssen zuallererst dafür sorgen, dass Feinstaub möglichst gar nicht erst entsteht. Das ist doch unser Problem, Herr Palmer,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wenn kein Verkehr ist, entsteht kein Feinstaub!)

und seine Lösung werden wir ganz wesentlich über diese technische Vorgehensweise hinbekommen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Sehr richtig! City-Maut ist schlecht!)

In der Vergangenheit war es so, dass wir zunächst immer die technischen Fragen lösen mussten. Die andere Frage ist die grundsätzliche Frage der Bewohnbarkeit unserer Städte. Ich würde das Thema City-Maut aber ganz gerne in einem anderen Zusammenhang diskutieren, zumal es ein riesiges Problem geben wird, wenn es darum geht, in Stuttgart die City-Maut wirklich adäquat einzuführen. Ich wage wirklich zu bezweifeln, dass das in Stuttgart in einer effizienten und auch finanziell machbaren Weise möglich ist, weil wir sehr viele Zufahrten nach Stuttgart hinein haben und die Frage der Kontrolle natürlich ein riesiges Problem darstellt. Die Verkehrsplaner sagen sehr wohl, dass eine Lösung nicht einfach ist und dass man die City-Maut eben nicht kurzfristig einführen kann.

Aber trotzdem sollte man diese Möglichkeiten prüfen, und man sollte auch die Möglichkeit der Schaffung so genannter grüner Zonen prüfen. Natürlich wollen wir eine Entlastung in den Stadtteilen, aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass solche Maßnahmen nicht immer alle kurzfristig wirken.

Unser Fazit lautet also: Ansetzen an den Ursachen, schnellstmögliche Einführung des Partikelfilters, Nachrüsten von Fahrzeugen im öffentlichen Bereich – das gilt für die Fahrzeugflotten der Städte genauso wie für die Fahrzeugflotte des Landes, und zwar in allen Bereichen, unabhängig davon, ob diese Fahrzeuge geleast werden oder nicht –, sodass wir insgesamt schnellstmöglich zu einer Reduzierung der Feinstaubkonzentration kommen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.