Protokoll der Sitzung vom 27.04.2005

Niemand darf durch Studiengebühren von einem Studium abgehalten werden.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Frommer Wunsch!)

Um die Gebühren bezahlen zu können, hat jeder Studierende Anspruch auf ein Darlehen, das er erst dann zurückzahlen muss, wenn er nach dem Abschluss des Studiums ein bestimmtes Einkommen erreicht.

Gegen die Einführung von Studiengebühren wird oft der Vorwurf erhoben, sie seien unsozial.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Aber ist der derzeitige Zustand denn gerechter? Ist es gerecht, wenn die Krankenschwester mit ihren Steuern und der Facharbeiter mit seinen Steuern das Studium ihres künftigen Chefarztes oder Geschäftsführers finanzieren?

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Wäre es nicht gerechter, wenn Akademiker einen kleinen Teil ihres erheblichen Einkommensvorsprungs, den sie durch ein Studium erzielen, als Beitrag für eine bessere Lehre für ihre Kinder in den Hochschulen in Baden-Württemberg einbringen? Ich glaube, dass dies ein sozial gerechter und wissenschaftlich sinnvoller Weg ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Landesregierung wird die Erhebung von Studiengebühren nicht zum Anlass nehmen, die Förderbeträge für die Hochschulen zu senken.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Die Botschaft hör’ ich wohl!)

Ende 2006 läuft der so genannte Solidarpakt aus. Für die Zeit danach wird das Land mit den Hochschulen mehrjährige Verträge abschließen und damit vor Einführung und Erhebung der Studiengebühr das Fundament, die staatlichen Mittel, für zahlreiche Jahre festigen, damit Vertrauen in die zweckgebundene und damit verstärkte Förderung der Lehre durch die Gebühren in Baden-Württemberg entstehen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

(Ministerpräsident Oettinger)

Bildung und Wissenschaft sind eine Gemeinschaftsaufgabe der Gesamtgesellschaft. Deshalb bin ich dankbar dafür, dass auch private Geldgeber an der Hochschulfinanzierung mitwirken. Jüngstes Beispiel: Künzelsau. Mit einem Betrag in Höhe von 10 Millionen € in Form einer Stiftung hat Reinhold Würth die Fachhochschule Heilbronn-Künzelsau auf Dauer gestärkt. Ich danke ihm und ermuntere andere Unternehmen und Unternehmer, Bürger in Baden-Württemberg, im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit großen und kleinen Beiträgen eine Förderkultur zu entwickeln, mit der die Gesellschaft unser tertiäres Bildungswesen in Ergänzung der Haushaltsförderung auf Dauer stabilisieren und stärken kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Nach wie vor gibt es bei uns zu wenige Professorinnen, weibliche Dozentinnen an den Hochschulen im Land. Die Landesregierung wird deshalb die Maßnahmen der Frauenförderung im Wissenschaftsbereich weiterentwickeln.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Ah ja?)

Ein besonderes Anliegen ist mir dabei die Verbesserung der Vereinbarkeit am Hochschulort von Familie, Kindererziehung einerseits und Beruf in der Wissenschaft andererseits.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Hätten Sie schon längst tun können! Alle Anträge abgelehnt!)

Baden-Württemberg ist ein hervorragender Medienstandort. Wir werden alles tun, damit das auch in Zukunft so bleibt. Mit dem Südwestrundfunk verfügen wir über den zweitgrößten Sender innerhalb der ARD. Der SWR macht ein erfolgreiches Hörfunk- und Fernsehprogramm und trägt in hohem Maße zur Identität Baden-Württembergs bei.

Wir stehen neben dem SWR zum dualen System. Die private Hörfunk- und Fernsehlandschaft leistet lokal, regional und landesweit einen wichtigen Beitrag zur Medienvielfalt und zur Meinungspluralität.

Mit der Filmakademie in Ludwigsburg und der Popakademie in Mannheim haben wir Ausbildungseinrichtungen, die bundesweit ihresgleichen suchen. Wir werden beide Akademien in engem Dialog mit der Film- und Musikbranche weiterentwickeln. Darüber hinaus werden wir in Ludwigsburg eine Akademie für Darstellende Kunst gründen, in der Schauspieler für Film und Bühne in Kooperation mit anderen staatlichen Einrichtungen eine gute Ausbildung für morgen bekommen. All dies stärkt den Medienstandort BadenWürttemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Neben der Forschungsförderung und dem Technologietransfer gehört auch die Wirtschaftsförderung zu den Aufgaben, bei denen Land und Kommunen einen wichtigen Beitrag leisten müssen. Im Zentrum muss die Beratung und Betreuung der baden-württembergischen Betriebe stehen: bei Investitionen an den Standorten im Land, zur Sicherung von Arbeitsplätzen sowie bei der Erschließung ausländischer Exportmärkte.

Mit entscheidend für das Wachstum sind die günstigen Finanzierungsbedingungen, die wir halten wollen. BadenWürttemberg ist zu einem der wichtigsten Finanzplätze Deutschlands geworden. Dies war nicht immer so. Wir haben unsere Position in den letzten Jahren nachhaltig gestärkt. Die Landesbank Baden-Württemberg ist die ertragsstärkste und größte Landesbank. Die Stuttgarter Börse ist die Nummer 2 in Deutschland. Über 50 % aller Bausparfinanzierungen entfallen auf Bausparkassen aus BadenWürttemberg.

Das dreigliedrige Bankensystem mit privaten Volksbanken, privaten Geschäftsbanken und öffentlich-rechtlichen Sparkassen in der Landesbank entspricht in seiner Vielfalt, Struktur und Stärke genau den Anforderungen und der Nachfrage unseres Mittelstands. Deswegen halten wir an diesen drei Säulen auch in der Landespolitik der nächsten Jahre fest.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Baden-Württemberg ist eines der am stärksten belasteten Transitländer Europas. Die Kosten für Erhaltung und Ausbau der Straßen übersteigen seit Jahren die zur Verfügung stehenden Mittel bei weitem, und zwar im Bund und zum Teil auch im Land. Die Folgen kennt jeder: Staus, Verspätungen, Stop-and-go-Verkehr, Ortsdurchfahrten ohne Lebensqualität, unvollendete Fernstraßen vor allem im südlichen Landesteil.

Bei Autobahnen und Bundesstraßen sind in Baden-Württemberg aktuell rund 30 Neu- und Ausbauprojekte mit einem Investitionsvolumen von über 1 Milliarde € planfestgestellt. Wenn wir diese Projekte auch nur annähernd abarbeiten wollten, müssten wir vom Bund pro Jahr 330 Millionen € bekommen. Der Bund stellt aber nur 170 Millionen € bereit.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Die vom Bundeskanzler im März 2005 angekündigten Mittelaufstockungen nehmen wir an, aber sie reichen noch nicht einmal aus, um frühere Kürzungen im Bundesverkehrshaushalt auszugleichen. Trotzdem und gerade deswegen bin ich bereit, aktiv an Lösungen mitzuarbeiten, die den Erhalt und den bedarfsgerechten Ausbau der Bundesautobahnen und Bundesstraßen in Baden-Württemberg für die Wirtschaft und die Arbeitswelt von morgen zum Ziel haben müssen.

Dabei darf es keine Denkverbote geben. In einem ersten Schritt fordern wir den Bund dazu auf, für weitere Strecken wie zum Beispiel den dringend erforderlichen Ausbau der A 8 von Gruibingen bis Hohenstadt auf der Schwäbischen Alb und im weiteren Verlauf auf der Albhochfläche bis Ulm eine private Finanzierung zu ermöglichen.

Der zweite Albaufstieg ist bereits seit Jahren für eine mautfinanzierte Lösung vorgesehen. Aber getan hat sich bisher wenig. Auch der dreispurige Ausbau der A 6 als zentrale Ost-West-Achse muss rasch vorangetrieben werden. Hier bietet sich wie auf der A 5 zwischen Baden-Baden und Offenburg eine Finanzierung nach dem A-Modell an, bei dem die private Vorfinanzierung aus der Verrechnung mit den Einnahmen aus der Lkw-Maut gedeckt werden kann.

(Ministerpräsident Oettinger)

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ich will generell sagen: Baden-Württemberg ist zu allen sinnvollen Modellen einer privaten Finanzträgerschaft und eines privaten Betriebs von Autobahnen bereit. Ich will, dass öffentlich-private Partnerschaft im Hochbau und im staatlichen Tiefbau bei Autobahnen diesen Standort in den nächsten Jahren stärkt und dass die notwendige Finanzierung gelingen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Langfristig werden wir die Finanzierung des Bundesfernstraßenbaus auf ein nutzerbezogenes Modell umstellen müssen. Ich glaube, dass deswegen zusätzlich zur LkwMaut mittelfristig über die Einführung einer Vignette und langfristig über die Einführung einer Pkw-Maut nachgedacht werden kann.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Der Weg, der mit der Lkw-Maut begonnen wurde, muss konsequent fortgesetzt werden. Aber es muss ganz konkrete Bedingungen geben, die ich nennen will:

Erstens: Die Maut muss klappen – finanzrechtlich, technisch –, und sie muss zweckgebunden sein. Die daraus erzielten Einnahmen dürfen nicht im Bundeshaushalt versickern, sondern müssen direkt in den Straßenbau, am besten an privatrechtliche Betreibergesellschaften gehen.

Zweitens: Wenn wir von den Autofahrern eine Gebühr verlangen, dann müssen wir sie bei der Mineralölsteuer – bei Diesel und Benzin – entlasten, und dann ist auch die KfzSteuer nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Woher kommt dann mehr Geld für mehr Straßen? – Abg. Drexler SPD: Wo- her kommt dann mehr Geld?)

Mehr Geld kommt erstens, Herr Kollege Kretschmann, von den ausländischen Pkw-Fahrern – 20 % in BadenWürttemberg –, die derzeit auswärts tanken, durchfahren und in Baden-Württemberg keinen Euro entrichten, aber unsere Straßen benutzen.

(Beifall des Abg. Alfred Haas CDU)

Zum Zweiten räume ich offen ein: Auch vom deutschen Autofahrer wird unter dem Strich – weg mit der Kraftfahrzeugsteuer, weniger Mineralölsteuer, aber Maut – etwas mehr abzuverlangen sein. Das bezahlt der Autofahrer, wenn er weiß, dass dadurch das Straßennetz in Baden-Württemberg leistungsfähig gemacht wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Wer gleicht dann die Mineralölsteuer aus? – Gegenruf des Abg. Mappus CDU: Das hat er doch gerade gesagt!)

Der öffentliche Nahverkehr spielt für die Mobilität in Baden-Württemberg eine wichtige Rolle. Es gilt in den nächsten Jahren, den bundesweiten Spitzenplatz Baden-Württembergs auf diesem Gebiet zu halten. Wir wollen die knappen

Mittel effizient einsetzen. Wir werden die Verkehrsverbünde im Land weiter vernetzen. Wir setzen auf Kooperation zwischen den Kommunen und unseren mittelständischen Busunternehmen, die zu erhalten sind.

Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm sind von entscheidender Bedeutung für die Einbindung BadenWürttembergs in das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz.