aber das dokumentiert, dass die Partizipation der Menschen in einem Land natürlich auch zu mehr Identifikation mit Entscheidungen zu einem Thema führt. Gerade gestern, Kollege Schneider, war ja bei der Eröffnungsfeier der Allianz-Arena in München explizit erfahrbar –
der Bau war auch einem Bürgerentscheid unterstellt worden, der nicht so ausgegangen ist, wie ich mir das erhofft hatte; Sie waren mit dem Ergebnis wahrscheinlich zufrieden –,
dass die Auseinandersetzung zu diesem Thema in München dazu geführt hat, dass alle Argumente für und wider dieses Stadion ausführlich diskutiert worden sind. Allein diese Partizipation der Bürger am Entscheidungsprozess rechtfertigt mehr kommunale Demokratie.
An dieser Stelle will ich etwas vorwegnehmen. Wir haben ja in unserem Gesetzentwurf auch die Möglichkeit vorgesehen, über die Bauleitpläne Bürgerentscheide durchzuführen. Wir sind der Meinung, dass die Beteiligungsmöglichkeiten, die es bis dato im Baugesetzbuch gibt, nämlich Einwendungen zu erheben und Anregungen zu geben, nicht ausreichen. Kollege Heinz, wo denn – nennen Sie mir einmal ein Beispiel – haben diese Möglichkeiten dazu geführt, dass Anre
gungen und Bedenken tatsächlich auch im Entscheidungsprozess eine entscheidende Rolle gespielt haben? Mir persönlich ist so gut wie kein solcher Fall bekannt. Insofern haben wir uns dafür entschieden, auch die Bauleitplanung, die im Übrigen zum Beispiel in Bayern nahezu 50 % der Bürgerentscheide ausmacht, in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Deswegen haben wir diese nicht mehr in den Negativkatalog aufgenommen, wie das ja bei dem Anhörungsentwurf, der seit einiger Zeit kursiert, vonseiten der Landesregierung vorgesehen ist.
Der dritte Gedanke, den ich nennen möchte: Es wird immer wieder zu Recht darauf verwiesen – das freut uns auch –, dass die Partizipationsmöglichkeit durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid schon im Jahr 1955 in der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg vorgesehen war.
Das Land hatte seinerzeit tatsächlich eine Schrittmacherfunktion. Zu Recht wurde auch wieder in verschiedensten Ausführungen, auch vom neuen Innenminister, zitiert, dass das Land damals Vorbildcharakter hatte. Viele andere Bundesländer haben das zwischenzeitlich nachgemacht, haben es nachvollzogen. Man höre und staune – Kollege Heinz, Sie nicken zustimmend; ich hoffe, die Zustimmung bleibt jetzt bei den weiteren Ausführungen erhalten –: Viele andere Bundesländer haben viel weiter gehende Partizipationsmöglichkeiten geschaffen.
Als Beispiel wurde Bayern schon genannt. Aber auch andere Länder wie Hessen, Nordrhein-Westfalen usw. haben die Quoren abgesenkt und die Möglichkeit von Bürgerentscheiden ausgeweitet. Allein um zu erreichen, dass das Land wieder Schrittmacherfunktion bekommt bzw. es den anderen Ländern wenigstens gleichtut und vielleicht auch bei der demokratischen Partizipation im Land und in den Kommunen wieder Vorbildcharakter gewinnt, haben wir uns angesichts der ganzen Vorgeschichte, die Kollege Birzele ja ausführlich geschildert hat, entschlossen, einen gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD und Grünen – im Übrigen auf der Grundlage eines von einem Aktionsbündnis ehrenamtlich engagiert erarbeiteten Entwurfs – hier in dieses hohe Haus einzubringen. Wir sind der Meinung, dass wir auch hier wieder eine Schrittmacherfunktion bekommen sollten, indem wir diesem Gesetzentwurf eine Chance geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie müssen jetzt einfach einmal über Ihren Schatten springen und diese Vorbildfunktion wieder ermöglichen, indem Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Ich will aber noch zu drei oder vier wesentlichen Facts dieses Gesetzentwurfs, den wir eingebracht haben, und dem, der als Anhörungsentwurf vonseiten der Landesregierung vorgelegt worden ist, benennen. Sie haben ja trotz aller Ankündigungen und trotz aller Niederschriften in der Koalitionsvereinbarung und aller Ankündigungen, die Sie in Debatten gemacht haben, nur eine kleine Maus geboren, auch wenn der Berg lange kreißte. Wir haben hoffentlich noch in dieser Wahlperiode die Chance, Kollege Scheuermann, wenigstens diesen kleinen Gesetzentwurf, sofern er dann hier
eingebracht wird, zu diskutieren, um vielleicht gemeinsam eine entsprechende Regelung zu finden und Entscheidungen zu treffen.
In Ihrem Anhörungsentwurf haben Sie im Wesentlichen drei Punkte stehen. Zum einen sehen Sie die Abschaffung des Positivkatalogs vor. Insoweit sind wir einverstanden; das ist positiv, weil damit die Möglichkeit, Bürgerentscheide herbeizuführen und Bürgerbegehren durchzuführen, ausgedehnt wird. Das ist sicher eine positive Entwicklung innerhalb der Koalitionsfraktionen.
Zum Zweiten wollen Sie eine Senkung des Quorums, um einem Bürgerentscheid zum Durchbruch zu verhelfen, von jetzt 30 % auf 25 %. Damit tun Sie wirklich wieder nur einen kleinen Schritt im Vergleich zu anderen Ländern. Ich will nicht schon wieder auf Bayern abheben. Dass es aber wünschenswert gewesen wäre, wenigstens auf 20 % zu gehen, zeigt gerade wieder die Erfahrung in der jüngsten Vergangenheit. Denn manche Bürgerentscheide gegen oder auch für ein Projekt sind trotz Mehrheit gerade an diesem formalen Kriterium gescheitert. An den formalen Kriterien, die in unserer Gemeindeordnung enthalten sind, sind in Baden-Württemberg im Übrigen zwei Drittel aller Bürgerentscheide gescheitert, wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage unserer Fraktion hervorgeht. Deswegen müssen diese formalen Kriterien aus unserer Sicht abgesenkt werden. Da machen Sie aber nur einen kleinen Schritt.
Der dritte Punkt – der ist ja nun wirklich gigantisch – ist: Sie verlängern die Frist, die jemandem, der ein Bürgerbegehren organisiert, nach der Gemeindeordnung eingeräumt wird, um die erforderlichen Unterschriften zusammenzubekommen, von vier auf sechs Wochen. Wir haben in unserem Gesetzentwurf vorgeschlagen, diese Frist vollständig zu streichen. Denn immer dann, wenn ein Thema virulent ist und in einer Gemeinde diskutiert wird, bilden sich Initiativen und werden Bürgerbegehren angestrengt. Dafür bedarf es keiner Frist. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, einen Bürgerentscheid auf der Basis eines Bürgerbegehrens durchführen zu wollen, wenn – zum Beispiel bei Stuttgart 21 – schon die Baugrube ausgehoben ist, sondern es geht immer darum, die Realisation von Maßnahmen und damit einhergehende Schäden zu verhindern. Dafür bedarf es keiner Frist; das ergibt sich quasi schon aus der Notwendigkeit, möglichst rasch gegen Beschlüsse vorzugehen, mit denen kein Einverständnis besteht. Deswegen haben wir gesagt, es bedürfe keiner Frist.
Von den weiteren Vorschlägen, die wir mit unserem Gesetzentwurf eingebracht haben, will ich nur noch drei oder vier nennen. Es macht überhaupt keinen Sinn
ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin –, Landkreise mit mehr Kompetenzen auszustatten – die Debatte darüber haben wir ja morgen noch einmal, wenn wir über die Verwaltungsreform sprechen –, jedoch Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger auszuschließen.
Dass Sie, Herr Kollege Schneider, das gerne haben, verstehe ich gut, weil Sie natürlich lieber selber entscheiden, als die Bürger an diesen Entscheidungen zu beteiligen.
Wir wollen das auch auf die kleineren Einheiten innerhalb von Gemeinden ausdehnen: auf Bezirksbeiräte, auf die Bezirksebene, auf die Ortschaftsratsebene, also auf Ortschaften. Überall dort sehen wir in unserem Gesetzentwurf Partizipationsmöglichkeiten vor.
ja, Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss –, betrifft die Quoren. Ich habe die Quoren schon genannt. Wir plädieren dafür, diese viel zu komplizierten Regelungen in der Gemeindeordnung zu reformieren. Wir wollen hier als Quorum durchgängig 7 %. All diese Vorschläge haben wir in unserem Gesetzentwurf vorgesehen.
Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, die Sie jetzt selber auf eine direkte Partizipation Ihrer Mitgliedschaft gesetzt haben, wir sind natürlich gespannt, ob Sie auch unseren Bürgerinnen und Bürgern mehr Chancen geben wollen für Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb des Landes und innerhalb der Kommunen. Insofern wäre es toll, wenn Sie diesen Gesetzentwurf engagiert mittragen und diese Frage mit uns engagiert diskutieren würden.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit den Gemeinsamkeiten beginnen. Wir sehen bei der Bürgerbeteiligung in der Tat Anpassungsbedarf. Unsere Vorstellung ist schon im Rahmen notwendiger Veränderungen kurz zitiert worden. Wir wollen die Bürgerbeteiligung über die kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften stärken und – das ist richtig – den Positivkatalog streichen, allerdings den Negativkatalog durch die Bauleitplanung und Bauvorschriften erweitern und das Quorum von 30 % auf 25 % absenken. Wir wollen diesen Entwurf in den nächsten Sitzungsblock einbringen. Insofern hat sich Herr Kollege Scheuermann – falls er sich überhaupt geirrt hat – allenfalls um vier Monate geirrt und mehr nicht.
Zu Ihrem Gesetzentwurf, den wir heute diskutieren: Der Gesetzentwurf ist ein bekannter rot-grüner Wanderpokal, den wir hier in regelmäßigen Abständen immer wieder vorliegen haben.
Jetzt tun Sie so, als ginge es schlechthin auf kommunaler Ebene um das Schicksal der Demokratie. Als kommunaler Praktiker muss ich Ihnen sagen: Sie haben zur repräsentati
ven Demokratie ein gespaltenes Verhältnis; denn im Bund, wo Sie noch das Sagen haben, machen Sie alles Mögliche. Da wird eine EU-Verfassung nicht einmal der Abstimmung durch das Volk unterworfen.
Da missioniert der Bundeskanzler drüben in Frankreich, und die ganze Geschichte geht prompt in die Hose. Wenn ich dann Ihre großen Gesetzgebungsmaßnahmen rot-grüner Art sehe, etwa nur in der Zuwanderungspolitik, bei der doppelten Staatsangehörigkeit, bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und zum geplanten EU-Beitritt der Türkei, komme ich zum Ergebnis, dass uns in Deutschland viel erspart geblieben wäre, wenn man diese dem Willen des Volkes unterworfen hätte.
(Beifall bei der CDU – Abg. Kretschmann GRÜ- NE: Gibt es etwas, was Sie nicht auf Rot-Grün schieben? – Abg. Birzele SPD: Sind Sie dann dafür, dass es gemacht wird? – Abg. Walter GRÜ- NE: Lauter Jasager um sich rum!)
Die kommunale Situation vor Ort hat doch ganz andere Sorgen, als Sie uns hier suggerieren wollen. Sie reden in Ihrem Gesetzentwurf von einem unbefriedigenden Zustand. Da muss ich Sie fragen: Wo ist unser Zustand unbefriedigend? Ich kann das überhaupt nicht sehen.
Was uns in den Städten, Gemeinden und Landkreisen drückt, ist doch die völlig desolate Finanzsituation, in die Sie uns getrieben haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Fischer SPD: Was hat das damit zu tun? – Zurufe von den Grünen)
Die rot-grüne Schwindsucht, unter der unsere Gemeinden leiden, ist doch das Thema – nicht aber mehr Bürgerbeteiligung.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe während meiner Tätigkeit als Landrat nicht einen Einzigen getroffen, der eine einigermaßen demokratische Legitimation hatte und fragte, wieso wir nicht mehr Bürgerbeteiligung hätten. Die Leute haben doch völlig andere Sorgen.
Ihr Gesetzentwurf ist insoweit von der Realität weit entfernt. Diese rein rot-grüne Ideologie bedient nur Ihre Klientel, die kommunalpolitisch überhaupt keine Rolle spielt. Die Volksbewegung, von der Sie reden, kann ich überhaupt nicht sehen.