Protokoll der Sitzung vom 29.06.2005

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 95. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Dienstlich verhindert ist Herr Minister Professor Dr. Reinhart und am Nachmittag Herr Minister Renner.

Meine Damen und Herren, nach § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der Landesstiftung setzt sich dessen Aufsichtsrat zur einen Hälfte aus Vertretern des Landtags und zur anderen Hälfte aus Vertretern der Landesregierung zusammen.

Herr Abg. Peter Hauk wurde vom Landtag am 5. Oktober 2000 auf Vorschlag der CDU-Fraktion für dieses Gesellschaftsorgan benannt, dem er bisher noch als Vertreter des Landtags angehört. Nachdem er inzwischen zum Minister für Ernährung und Ländlichen Raum berufen wurde, hat die CDU-Fraktion für ihn Herrn Abg. Gundolf Fleischer als Nachfolger im Aufsichtsrat der Landesstiftung BadenWürttemberg gGmbH vorgeschlagen.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Sehr gut!)

Dagegen wird kein Widerspruch erhoben. –

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Ausgezeichnete Personal- wahl!)

Dann ist es so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ferner möchte ich dem hohen Hause bekannt geben, dass nach Mitteilung der SPD-Fraktion vom gestrigen Tage Herr Abg. Ulrich Maurer auf Grund seines Parteiaustritts nicht mehr Mitglied der SPD-Landtagsfraktion ist. Somit hat Herr Kollege Maurer jetzt den Status eines fraktionslosen Abgeordneten.

Meine Damen und Herren, im E i n g a n g befindet sich die Mitteilung der Landesregierung vom 13. Juni 2005 – Zweiter Bilanzbericht der Landesregierung zum Landesgleichberechtigungsgesetz. Sie ist Ihnen als Drucksache 13/4391 zugegangen.

Ich schlage vor, die Mitteilung der Landesregierung, Drucksache 13/4391, an den Sozialausschuss zu überweisen. Auch dagegen erhebt sich kein Widerspruch. – Dann ist es so beschlossen.

Wir treten damit in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales – Arbeitsplätze in Baden-Württemberg sichern: Lohn- und Sozialdumping aktiv bekämpfen – Drucksache 13/4325

Dazu rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/4448, auf.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Schmiedel das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vermittlung illegaler Arbeitnehmer ist ein Milliardengeschäft. Die Profite durch Steuerhinterziehung, Sozialversicherungsbetrug und unerlaubtes Lohndumping sind so hoch wie die Gewinnspannen im Rauschgifthandel. Deshalb breitet sich die illegale Beschäftigung immer weiter aus und nimmt seit der Osterweiterung der Europäischen Union sprunghaft zu, auch in Baden-Württemberg.

Der Bund hat auf diese verheerende Entwicklung mit dem Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit reagiert. In der Folge wurde die Zahl der Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit deutlich erhöht, ebenso die Zahl der für die Kontrollen zuständigen Mitarbeiter beim Zoll. In Baden-Württemberg sind dies mittlerweile 840 Personen. Dies zeigt erste Erfolge, denn pauschal geht die Schwarzarbeit in der Bundesrepublik insgesamt zum ersten Mal zurück.

Doch für einen nachhaltigen Erfolg bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit ist es unerlässlich, dass sich das Land mit seinen Behörden gleichermaßen anstrengt. Dies können wir leider nicht feststellen, obwohl wir fünf Handlungsfelder intensiv untersucht haben. Was wir festgestellt haben, meine Damen und Herren, ist, dass es ein erhebliches Handlungsdefizit gibt, das bis zum Ignorieren des gesamten Themas geht.

(Beifall bei der SPD)

Erstens: Die Landesregierung berichtet in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag selbst, dass sich die Zusammenarbeit der Landesbehörden mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit verschlechtert habe, und zwar durch die Verwaltungsreform. Jetzt bekommt nicht einmal mehr die Steu

erfahndung vom einstmals schlagkräftigen Wirtschaftskontrolldienst Informationen.

Zweitens: Den 840 Ermittlern bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in Baden-Württemberg stehen ganze zehn Steuerfahnder mit dem Schwerpunkt „Illegale Beschäftigung“ gegenüber. Deshalb kommen letztlich nur Bruchteile der Ermittlungen bei den Strafverfolgungsbehörden an. Da tut sich bei der Steuerfahndung in Baden-Württemberg ein unerträgliches Nadelöhr auf.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Drittens: Wenn tatsächlich einmal jemand dingfest gemacht wird und ein Millionenschaden nachgewiesen wird, kommt der Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch ungeschoren davon,

(Abg. Capezzuto SPD: Was?)

denn auch die Fahnder, die sich mit der Aufdeckung von illegal angehäuftem Vermögen beschäftigen und dieses abschöpfen sollen, sind heillos überfordert.

Viertens: Die Landesregierung stellt in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag fest, dass es erforderlich ist, frühzeitig Erkenntnisse über die Auftragsverhältnisse zu erlangen, um unerlaubten Arbeitnehmerverleih aufzudecken. Sie unterschlägt aber, dass sie das Instrument dazu, jedenfalls was die Bauwirtschaft anbelangt, in den Händen hält, es jedoch nicht anwendet. Wenn die Freistellungsbescheinigungen nach § 48 b des Einkommensteuergesetzes nicht so großzügig pauschal, sondern auftragsbezogen erteilt würden, lägen die erforderlichen Erkenntnisse frühzeitig vor. Es war bei der Schaffung dieses Instruments nie und nimmer daran gedacht, dass 95 % der Fälle für drei Jahre pauschal freigestellt werden. Die Freistellung sollte der Einzelfall sein, damit man die Kontrolle hat. Jetzt gibt es pauschal eine dreijährige Freistellung, und man jammert, dass man nicht wisse, was los sei.

Und fünftens: Sie lassen es zu, dass ganze Busse von Scheinselbstständigen bei den Handwerkskammern in Baden-Württemberg vorfahren, alle unter derselben Adresse ihre Betriebsstätte anmelden und alle im Handwerksregister eingetragen werden. Der Zoll, meine Damen und Herren, kann Dutzende von Wohnungen nennen, alle Zimmer ausgestattet mit Stockbetten und jedes Stockbett eine Betriebsstätte.

(Abg. Capezzuto SPD: Oh Jesses! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Dabei weiß die Regierung, dass die Handwerkskammern eine Prüfpflicht haben, verehrte Frau Kollegin – das steht in der Handwerksordnung –, ob es sich bei der Anmeldung um eine verfestigte Niederlassung handelt. Zu einer verfestigten Niederlassung gehören Büro und Lagerräume, da reicht eine Schlafstätte nicht.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb fragen wir die Regierung, würden wir gern den Herrn Minister Pfister fragen,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wenn er da wäre!)

der nicht da ist – aber vielleicht kann man ihm die Frage ausrichten, Herr Ministerpräsident –:

(Abg. Wieser CDU: Das machen wir sicher! – Abg. Dr. Lasotta CDU: Wir geben ihm das Protokoll!)

Warum kommt der Minister seiner Rechtsaufsicht über die Handwerkskammern nicht nach?

(Beifall bei der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Abg. Capezzuto SPD: So wie heute Morgen!)

Warum sorgt die Landesregierung nicht dafür, dass offensichtliche Scheinselbstständigkeit gar nicht erst eingetragen wird? Warum vernachlässigt die Landesregierung die Bekämpfung der Schwarzarbeit systematisch? Ich sage es Ihnen: Weil Ihnen das Thema „Illegale Beschäftigung“ wurst ist.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Capezzuto SPD: Was?)

Das Thema Scheinselbstständigkeit ist der Regierung gerade einmal Scheinaktivitäten wert. Derselbe Minister hat, nachdem er mit dem Thema konfrontiert wurde, in einer Pressekonferenz erklärt, es gebe jetzt eine Taskforce zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im Wirtschaftsministerium.

(Abg. Fischer SPD: Wo ist der Staatssekretär? Wo ist der Minister?)

Befragt, wie man denn die Taskforce erreiche, hat er eine Telefonnummer herübergereicht.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Dann haben die Journalisten nachgeschaut und haben gesagt: „Aber das ist ja Ihr Vorzimmer, Herr Minister.“ Der Minister ist seine eigene Taskforce.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So hochrangig ist das angesetzt! – Abg. Wieser CDU: Das ist hochrangig angehängt!)

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen. Aber Sie lassen Handwerk und Mittelstand in Baden-Württemberg im Stich.

(Beifall bei der SPD)

Sie schützen ordentliche Arbeitsverhältnisse nicht, sondern liefern sie der schonungslosen Konkurrenz durch illegal beschäftigte Billigarbeiter aus. Damit schaden Sie dem Land Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)