Was müsste dazu an der Grundschule selber besser laufen? Es ist unbestritten, dass es in Baden-Württemberg hervorragende Grundschulen gibt. Das sind die, die wir alle besuchen. Ich habe zwei oder drei davon auch in meinem Wahlkreis; ich gehe dort immer sehr gern hin.
Die sind innovativ, engagiert, bringen Modelle auf den Weg, die dann im Land Nachahmung finden. Meine große Sorge aber ist: Ihre Reformen, meine Damen und Herren von der CDU, und auch die Reformen der Landesregierung
bleiben hier immer stecken. Es gibt keine Baden-Württemberg-weit organisierte flexible Eingangsstufe. Es gibt Schulen, in denen es das gibt, und die Kinder, die dort anfangen, haben einen enormen Vorteil. Sie haben gerade eben gesagt, dass sich 200 Schulen in Baden-Württemberg dazu entschlossen haben, keine Noten mehr zu geben, sondern Leistungsempfehlungen.
Es gibt 450 Grundschulen in Baden-Württemberg, die bewegungsorientiert sind, aber wir haben 1 700 Grund- und Hauptschulen in Baden-Württemberg. Wenn Sie die Zahlen zusammenzählen, erkennen Sie: Es gibt Schulen, die sich auf den Weg machen und Hervorragendes leisten, und es gibt in Baden-Württemberg Schulen, die das eben nicht tun. Wir sind hier für alle verantwortlich und nicht nur für einige wenige.
Meine große Sorge an dieser Stelle ist wirklich – und das lässt sich anhand der Grundschule eben exemplarisch darstellen –, dass es immer häufiger Zufall ist, ob ich die Möglichkeit habe, mein Kind auf eine gute öffentliche Schule zu schicken, oder nicht. Wir haben hier das Wohnortprinzip. Ich kann es mir nicht aussuchen. Es gibt, wie ich gerade schon gesagt habe, Schulen, die innovativ, hervorragend und gut arbeiten, und es gibt eben Grundschulen, die das nicht tun. Wenn ich dann das Pech habe, mit meinen Kindern in der Nähe einer Grundschule zu wohnen, die sich nicht auf den Weg gemacht hat und zum Beispiel auch die Bildungspläne nicht umgesetzt hat – auch darüber gibt es ja Befragungen und Untersuchungen –, dann gehen diese Kinder eben schlechteren Bildungschancen entgegen.
Das ist die Wahrheit in Baden-Württemberg. Für diese Politik sind Sie hier verantwortlich, mit Ihren Modellprojekten, die auf die Länge nie richtig ausgestattet sind und die nie flächendeckend eingeführt werden.
Nein, ich will nicht die Schulbezirke abschaffen, sondern ich will für ganz Baden-Württemberg die gleichen Bildungschancen, nicht nur in Modellschulen, sondern in jeder normalen Grundschule, wie wir sie hier in Baden-Württemberg haben.
Es wäre wichtig, eine verbesserte Eingangsstufe an allen baden-württembergischen Grundschulen einzuführen. Dafür müssten Mittel und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, weil die Kindergärten und die Grundschulen an dieser Stelle zusammenarbeiten müssen.
Das Zweite ist, dass der Leistungsdruck, der durch die Grundschulempfehlung inzwischen schon in der zweiten Klasse erzeugt wird, zurückgenommen werden muss. Dafür haben wir ja die Empfehlung, auf jeden Fall einmal die sechsjährige Grundschule einzuführen. Es gibt aber auch –
wenn Sie das nicht wollen – andere Möglichkeiten, nämlich Schulberichte statt Zeugnisse oder Elterngespräche statt Zeugnisse.
Nach wie vor fehlt die verlässliche Halbtagsschule, weil Sie sich da mit unterschiedlichen Kombinationen durchmogeln.
Wenn man daraus ein Resümee zieht, ist festzustellen: Die Grundschule ist sicherlich die Schule in Baden-Württemberg, die insgesamt am innovativsten ist. Aber, wie gesagt, es gibt große Unterschiede zwischen Grundschulen in Baden-Württemberg. Wir sind hier für alle verantwortlich. Mit immer neuen Modellen, die für ein paar Schulen ein Stück weit infrage kommen, aber für die große Mehrheit keine Veränderung bedeuten, schaffen Sie keine neue Schullandschaft. PISA hat uns viele Hausaufgaben gegeben – Sie haben wenig davon gelöst.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen. Es bezieht sich auf Baden-Württemberg und steht bei IGLU 2004 auf Seite 178:
Die Leistungen in der Grundschule sind signifikant weniger vom sozialen Hintergrund abhängig als in späteren Schulstufen.
Der Zusammenhang zwischen schulischer Leistung und sozialer Herkunft der Schüler ist im baden-württembergischen Schulsystem insgesamt erfreulich gering. IGLU belegt jedoch, dass soziale Disparitäten in den weiterführenden Schulen größer sind als zuvor in der Grundschule.
Intellektuell kann ich das nicht nachvollziehen, Frau Haußmann. Ihr Kollege Wintruff, Vorsitzender des Schulausschusses, sagt: „Dies sagen wir auch.“ Und Sie sagen jetzt, das sei ein Geschwalle. Also, entschuldigen Sie einmal!
Das muss zumindest auch etwas mit der Schnittstelle Grundschule/weiterführende Schule zu tun haben. Genau das haben wir in unserem Antrag thematisiert. Ich danke der Landesregierung zunächst für ihre ausführliche Stellungnahme dazu. Denn sie unterstreicht darin etwa das Erfordernis, die Kooperation zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen weiter zu intensivieren. Nimmt man eine engere Kooperation auch der weiterführenden Schulen untereinander hinzu, ergibt das sicher einen wichtigen Schritt, die genannte Schnittstelle besser zu gestalten.
Die Landesregierung bekundet, etwa für die Erprobung von jahrgangsübergreifendem Unterricht in den Klassenstufen 5 und 6 auch von Realschulen und Gymnasien offen zu sein. Auch das weist, Frau Rastätter, in die richtige Richtung.
In der Frage der Treffsicherheit der Grundschulempfehlung bleiben wir freilich unterschiedlicher Meinung. Ich will das hier nicht ausdiskutieren, aber zunächst sagen, was wir mit einem „Schulübergang auf neuen Wegen“ nicht meinen. Wir meinen nicht die freie Elternwahl.
PISA zeigt: Bundesländer, die so verfahren, haben hinsichtlich sozialer Disparitäten besonders schlechte Werte. Wir meinen auch nicht die verbindlich vorgegebene sechsjährige Grundschule.
Der Landeselternbeirat, meine Damen und Herren, weist zum Beispiel einerseits darauf hin, dass sich die Probleme nach sechs Jahren nicht entscheidend anders darstellten als nach vier Jahren, dass aber andererseits eine noch längere gemeinsame Grundschulzeit – etwa neun Jahre – die Probleme der Unterforderung weiter verschärfen würde.
In unserem Antrag nehmen wir Bezug darauf, dass es der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried gelingt, in erheblichem Umfang Schüler mit Realschulempfehlung zum Abitur zu führen, in geringerem Umfang auch solche mit einer Hauptschulempfehlung. Dazu sagt die Landesregierung:
Die Erfahrungen mit der Integrierten Gesamtschule Mannheim sind... Ausdruck der Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit des gegliederten Schulwesens in Baden-Württemberg...
Anderes Beispiel: abermals Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule, Amtzell. Dort ist es gelungen, die Hauptschule durch besondere Angebote für annähernd zwei Drittel – es sind 62 oder 63 %, nicht ganz 66 % – der Schülerinnen und Schüler attraktiv zu machen, also ein ganz anderer, den lokalen Gegebenheiten entsprechender Weg. Auch dieser Weg ist, meine ich, beispielhaft – nicht zuletzt übrigens hinsichtlich des Themas „Eltern und kommunale Partnerschaft“.
Uns reicht es nicht, solche Modelle zuzulassen. Wir wollen, dass Schulen, Eltern, Schulträger und auch die Schüler selbst dazu ermuntert werden, neue Wege des Schulüber
gangs vor Ort zu finden und zu erproben. Was sich bewährt, soll beispielgebend wirken und von unten weiter wachsen.