Protokoll der Sitzung vom 27.07.2005

Sie geben die Information der Presse, aber die Opposition muss noch ein paar Wochen zuwarten, bis sie in die Details der Planungen eingeweiht wird. Das finden wir sehr bedauerlich. Wir haben ja schon öfter in diesem Hause betont, dass dies kein guter Umgang mit der Opposition ist.

Ich werde jetzt einfach einmal eine Bemerkung zu dem machen, was ich der Presse über das, was Sie beim Thema Studiengebühren vorhaben, entnehme.

Das Entscheidende ist ja die Frage: Machen Sie Ihre Versprechungen, mit ihrer Regelung werde kein junger Mensch aus finanziellen Gründen vom Studium abgehalten, wahr?

(Abg. Pfisterer CDU: Sicher!)

Ich bezweifle, dass Sie diese Versprechungen einhalten.

Ich will einmal ein paar Elemente benennen:

Sie sagen, BAföG-Empfänger würden nicht zusätzlich belastet, über der Grenze von 15 000 € würden ihnen die Schulden erlassen. Aber jetzt rechnen Sie es doch einmal durch: Zurzeit gibt es eine Schuldenobergrenze beim BAföG in Höhe von 10 000 €. Der Rest wird erlassen.

(Abg. Fleischer CDU: Ja!)

Das bedeutet, dass zukünftig 5 000 € zu den Studiengebühren hinzuzurechnen sind. Das heißt, die BAföG-Empfänger werden für ein normales Studium bei den Studiengebühren voll zur Kasse gebeten. Das bedeutet das im Klartext.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Ja! – Zurufe der Abg. Mappus und Dr. Klunzinger CDU)

Nur für die Langzeitstudierenden würde es vielleicht zu einer kleinen Erleichterung kommen.

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

Sie sagen, für kinderreiche Familien wollten Sie Erleichterungen einführen. Wenn ich die Presseberichterstattung richtig verstanden habe, wollen Sie Familien erst dann eine Erleichterung gewähren, wenn drei Kinder gleichzeitig studieren –

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Drei Wunderkinder!)

also nicht, wenn die Familie mindestens drei Kinder hat, sondern nur, wenn mindestens drei Kinder gleichzeitig studieren. Da müssen ja mindestens Zwillinge dabei sein, damit es von der zeitlichen Abfolge her klappt.

(Zurufe von der CDU)

Haben Sie einmal durchgerechnet, in wie vielen Fällen Familien drei Kinder gleichzeitig an einer Hochschule haben? Das ist doch eine Mogelpackung!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Mappus CDU: Wenn ihr das nicht hin- kriegt! – Abg. Seimetz CDU: Bei mir war es so! – Abg. Fleischer CDU: Es gehen auch fünf gleichzei- tig!)

Eine kleine Minderheit könnte es treffen. Aber ich glaube, das haben Sie sauber durchgerechnet, damit die Voraussetzungen nicht zu oft erfüllt werden.

Wenn Sie über eine sozialverträgliche Beteiligung der Studierenden ernsthaft reden wollen, führt kein Schritt daran vorbei, dass wir sämtliche Kosten des Studiums in den Blick nehmen und dafür sorgen, dass die Finanzierung der Lebensphase Studium insgesamt auf neue Beine gestellt wird. Das wird nicht ohne eine Reform der Lebensunterhaltsfinanzierung in Richtung einer elternunabhängigen Studienfinanzierung gehen. Nur mit einer elternunabhängigen Studienfinanzierung werden wir den Studierenden aus einkommensschwachen Familien tatsächlich helfen. Denn der große Kostenbatzen sind nun einmal nicht die 500 € Studiengebühren, sondern die Kosten des Lebens, die jeden Monat neu anfallen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So ist es!)

Da muss geholfen werden. Da brauchen wir Ihre Reformbereitschaft, auch auf Bundesebene, damit wir für die Kinder aus den einkommensschwachen Schichten und den unteren Mittelschichten neue Verhältnisse schaffen, damit sie konzentriert studieren können und schuldenfrei ins Berufsleben starten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das war aber eine lange Bemerkung!)

Das Wort erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Professor Dr. Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 23. Juni 2005 haben die Regierungschefs der Länder und der Bund die Exzellenzinitiative, eine Vereinbarung von Bund und Ländern, unterzeichnet und damit

(Minister Dr. Frankenberg)

gleichzeitig den Pakt für Forschung und Innovation ins Leben gerufen. Beide Vereinbarungen fördern die Forschung in Deutschland nachhaltig und bringen neue Elemente für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Forschung in die Forschungslandschaft.

Ich möchte heute im Wesentlichen zu dieser Exzellenzinitiative sprechen

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Nicht zu Studiengebüh- ren!)

und nicht, liebe Frau Bregenzer, zu einer Wahlkampfinitiative, zu der Sie eher gesprochen zu haben scheinen. Ich glaube auch nicht, dass das Thema Studiengebühren en passant in einer Diskussion über die Exzellenzinitiative zu erledigen ist, obwohl die Einführung von Studiengebühren für uns schon etwas mit Exzellenz zu tun hat, nämlich mit den notwendigen Mitteln, die wir für eine weitere und bessere Exzellenz in der Lehre an unseren Hochschulen benötigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Denjenigen, die glauben, uns vorwerfen zu können, wir hätten die Exzellenzinitiative verzögert und damit für ein Jahr oder anderthalb Jahre zusätzliche Forschungsmittel von unseren Universitäten ferngehalten, muss man die Geschichte des Zustandekommens dieser Exzellenzinitiative vor Augen halten,

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

aber auch die Tatsache, dass nachhaltige Forschungsförderung nicht etwas ist, was man in wenigen Monaten messen könnte und bei dem es auf wenige Monate ankäme. Es ginge dieser Bundesrepublik Deutschland nicht besser, wenn die Exzellenzinitiative schon sechs Monate früher begonnen hätte.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Das war schon ein Jahr vorher fertig!)

Denn ich fürchte, der Bundeskanzler hätte Neuwahlen nicht sechs Monate früher ausgeschrieben. Das wäre eigentlich die bessere Konsequenz zur Exzellenzförderung in Deutschland gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Carla Bregen- zer SPD: Vereinzelter Beifall! – Abg. Alfred Winkler SPD: Das war jetzt billig!)

Es begann mit dem Brain-up, nämlich mit dem Vorschlag von Frau Bundesministerin Bulmahn, einzelne Hochschulen zu Elitehochschulen zu ernennen oder auswählen zu lassen und sie mit 50 Millionen € pro Hochschule zu dotieren. Es ist sicherlich richtig, dass wir nie ein deutsches Harvard haben werden. Wenn wir vergleichen und uns fragen, wohin wir denn mit einer Eliteförderung wollen, dann können nur amerikanische Staatsuniversitäten oder in Europa etwa Oxford und Cambridge die Maßstäbe sein. Auf diesen Weg können wir mit einer solchen Initiative durchaus gehen.

Auf diesen Vorschlag eines Brain-ups von Frau Bulmahn haben alle Länder gemeinsam reagiert. Insofern ist da auch keine parteipolitisch zuordenbare Strategie eingeschlagen

worden, sondern alle 16 Länder haben unter der Federführung von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ein gemeinsames Papier erarbeitet. Wir waren also nicht die Verhinderer, sondern wir waren von Anfang an dabei, aus diesem Vorschlag von Frau Bulmahn etwas für das deutsche Hochschulsystem Umsetzbares zu machen. Insofern darf ich auch an dieser Stelle noch einmal meinem Kollegen Zöllner aus Rheinland-Pfalz danken, der über diese gesamte Zeit konstruktiv an der Erarbeitung des Drei-Säulen-Modells mitgearbeitet hat. Ohne diese Einigkeit zwischen den 16 Ländern wäre es dazu nicht gekommen.

Die drei Säulen werden dem deutschen Hochschulsystem, bei dem wir eher von exzellenten Fachbereichen der Fakultäten als von insgesamt exzellenten Universitäten ausgehen können, gerechter. Sie werden ihm gerechter, weil sie auch den Aspekt der Nachwuchsförderung als ein zentrales Element aufgreifen, mit dem wir verhindern wollen, dass viele Nachwuchswissenschaftler für lange Zeit ins Ausland gehen. In der dritten Säule wagen wir so etwas wie Innovationspotenzial für die Forschung, denn wir brauchen auch Forschungsmittel für Bereiche, die nicht dem Mainstream der Forschung und auch der Gutachter folgen.

Wir haben im Verlauf der Verhandlungen über die Exzellenzinitiative in dieser zweiten Phase, als es nicht um Machtspiele, sondern um eine Sachauseinandersetzung ging, den Aspekt der Vollkostenfinanzierung eingebracht. Das war eine baden-württembergische Initiative. Die deutsche Drittmittelforschung leidet derzeit darunter, dass wir nur die unmittelbaren Forschungskosten finanzieren und die Hochschulen deshalb ihre eigene Grundausstattung umso mehr beanspruchen, je mehr Drittmittel sie einnehmen, und schließlich überbeanspruchen, um diese Drittmittelprojekte durchführen zu können.

Großbritannien hat inzwischen einen Vollkostenzuschlag auf die unmittelbaren Projektkosten von 50 bis 80 % eingeführt. Ein solcher Zuschlag wird standardmäßig auch in den USA, etwa von der National Science Foundation, gezahlt. Auf diese Weise entstehen im Übrigen am ehesten Elitehochschulen. Denn diejenigen, die intensiv forschen, haben dann nicht ein Minus in ihrer Grundausstattung, sondern erhalten einen Zuschlag zu ihrer Grundausstattung, der ihnen die Forschung wirklich voll ermöglicht.

Wir haben es immerhin geschafft, dass in allen drei Säulen der Exzellenzforschung – in den Graduiertenschulen, in den Clustern und in der dritten Säule – ein Vollkostenzuschlag von 20 % gewährt wird, der zumindest Teile dessen abdeckt, was aus der Grundsubstanz der Hochschulen zu erbringen ist. Denn es wäre schon eigenartig gewesen, wenn diejenigen, die den Exzellenzzuschlag erhalten, aus ihrer Grundausstattung schließlich so viel hätten finanzieren müssen, dass Forschung und Lehre der Grundausstattung gelitten hätten. Wenn es diesen Vollkostenzuschlag nicht geben würde, Frau Bauer, wäre dieses Programm von Forschungsexzellenz zu einem Programm der Verminderung der Lehrexzellenz geworden.

Insofern hat sich über die langen Verhandlungen – und die verschiedenen Schritte haben sich gelohnt – eine akzeptable Lösung gefunden, meiner Ansicht nach sogar eine gute Lösung, zu der alle Beteiligten beigetragen haben.

(Minister Dr. Frankenberg)

Ich bin, Frau Bauer, ein Anhänger der Einheit von Forschung und Lehre. Das mag Ihnen altmodisch vorkommen, aber so ganz tot ist Humboldt noch nicht.

(Abg. Dr. Christoph Palmer CDU: Sehr gut! – Abg. Christine Rudolf SPD: Er ist schon ziemlich lange tot! – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Der Geist von Humboldt ist noch nicht tot. – Aus der Exzellenz der Forschung ergibt sich die Exzellenz der Lehre. Mein Verständnis gerade von „Universitas“ ist, dass jemand, der schlecht forscht, nicht gut lehren kann. Je besser die Forschung ist, umso besser und attraktiver kann auch die Lehre sein. Diejenigen, die für Forschung zusätzlich eingestellt werden, werden auch lehren und werden für die Studierenden mit eine hervorragende Lehre leisten.

Unser Ministerpräsident Günther Oettinger hat in seiner Regierungserklärung vom 27. April 2005 die Exzellenzinitiative als ein wichtiges hochschulpolitisches Ziel bezeichnet. Sie, Frau Bauer, haben jetzt für das Jahr 2006 die landesseitige Finanzierung angemahnt und mich aufgefordert, ich möge doch mit unserem Finanzminister darüber sprechen.