Protokoll der Sitzung vom 05.10.2005

Das Wort erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich kurz dem Kollegen Schmiedel zuwenden, was die Strompreispolitik angeht, und zunächst einmal damit aufräumen, wir hätten in Baden-Württemberg gemessen am Bundesdurchschnitt besonders überhöhte Strompreise. Dem ist nicht so, Herr Kollege Schmiedel. Wenn Sie sich die durchschnittlichen Stromerlöse aus dem Jahr 2003 – diese Zahlen liegen jetzt gerade vor – anschauen, werden Sie feststellen, dass die im Bundesdurchschnitt bei 8,78 Cent und in Baden-Württemberg hingegen bei 8,31 Cent je Kilowattstunde liegen.

Was ist geschehen? Es ist richtig, das Baden-Württemberg im Jahr 2000 zu einem Zeitpunkt die Genehmigungspflicht aufgehoben hat, zu dem die Strompreise in Baden-Württemberg durch die Liberalisierung um rund 30 % gesunken sind. In der Zwischenzeit sind die Strompreise – das ist wahr – wieder gestiegen, aber sie liegen heute – im Schnitt jedenfalls gesehen – auch in Baden-Württemberg nicht höher, als es 1999/2000 der Fall war.

(Abg. Schmiedel SPD: Für die Privatkunden schon!)

Im Übrigen will ich Sie daran erinnern, dass mit Ihrer Zustimmung – übrigens auch mit Zustimmung des Bundesrats – in der Zwischenzeit ein neues Energiewirtschaftsgesetz beschlossen worden ist, und dieses Energiewirtschaftsgesetz gibt allen Bundesländern nicht mehr die Möglichkeit, generell eine Strompreiserhöhung zu genehmigen oder nicht zu genehmigen, sondern dieses Energiewirtschaftsgesetz sagt doch völlig zu Recht: Wo können wir eigentlich bei der Strompreisgestaltung Einfluss haben? Keinen Einfluss haben wir bei den Gestehungskosten; das gilt für Strom, das gilt für Gas, das gilt für andere fossile Energieträger wie beispielsweise Öl; ich komme nachher noch darauf zurück. Wir hätten vielleicht Einfluss auf die steuerliche Belastung der Energiekosten – auch darauf komme ich noch zurück –, doch auch da geht im Augenblick keiner ran, obwohl das die einzige Möglichkeit wäre – Kollege Hofer hat darauf hingewiesen –, die hohen Strom- und Energiekosten insgesamt ein Stück weit zu senken.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Der einzige Bereich, in dem wir wirklich noch Möglichkeiten haben, betrifft die Netzzugangskosten. Die sind in der Tat aufgrund einer Monopolsituation in der Vergangenheit missbraucht worden.

(Beifall der Abg. Beate Fauser und Kleinmann FDP/DVP)

Genau an dieser Stelle wird angesetzt, meine Damen und Herren. Deshalb lassen Sie, Herr Kollege Schmiedel, einmal die Kirche im Dorf! Tatsache ist: Wir haben ein Energiewirtschaftsgesetz beschlossen, und durch dieses Energiewirtschaftsgesetz werden alle Länder als einen Hebel, aber auch als den einzigen Hebel die Möglichkeit haben, überall dort, wo erhöhte Netzzugangskosten zu verzeichnen sind, genau in dieser Situation zuzugreifen. Das werden wir auch tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei der FDP/DVP)

(Minister Pfister)

Ich will aber zum Thema zurückkommen. Es geht um die Ölpreise. Keiner meiner Vorredner hat behauptet, wir wären in der Lage, kurzfristig oder auch nur mittelfristig vom Öl wegzukommen. Das glaube ich auch nicht. Wir fangen übrigens hier nicht bei null an. Ich will einmal daran erinnern, dass sich der Anteil des Mineralöls am Primärenergieverbrauch in den letzten 30 Jahren glatt halbiert hat,

(Abg. Drexler SPD: Wieso?)

und diese Entwicklung wird selbstverständlich auch in den nächsten Jahren weitergehen. Das ist völlig normal. Alle Prognosen, die wir haben, Kollege Schmiedel, meine Damen und Herren, und alle Institute, die wir befragen, sagen seriöserweise, dass wir bis zum Jahr 2020, also in den nächsten 15 Jahren, einen weiteren Rückgang von Ölprodukten in der Größenordnung von 20 % haben werden. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass nach wie vor auch dann der fossile Anteil am Brennstoffverbrauch bei 90 % liegen wird. Meine Damen und Herren, es ist also richtig, wenn wir sagen: Wir müssen eine Politik machen, bei der wir vom Öl wegkommen, bei der wir von der Abhängigkeit wegkommen. Das ist absolut richtig. Das würde ich voll unterstreichen. Aber niemand soll glauben, dass dies innerhalb von 10 oder 15 Jahren möglich wäre. Herr Kollege Kretschmann, da würden Sie sich irren.

Es gibt eine zweite Illusion: Ich glaube auch nicht daran, dass das Öl in der Zukunft billiger wird. Im Gegenteil, die Ölpreise werden eher steigen. Die Gründe sind genannt worden. Ein Grund ist die weltweite Ölnachfrage. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass wir heute eine Nachfrage von etwa 80 Millionen Fass pro Tag haben und dass diese Nachfrage bis zum Jahr 2030 oder 2035 auf 130 Millionen Fass pro Tag ansteigen wird. China ist genannt, Indien ist genannt, die Schwellenländer sind genannt. All das ist bekannt. Darauf haben wir zunächst einmal keinen großen Einfluss.

Wir haben auch keinen großen Einfluss auf die Frage, ob die Amerikaner bereit sind, in der nächsten Zeit ihre Raffineriekapazitäten zu erweitern, was sie dringend müssten. Wir haben im Grunde nicht einen Mangel an Öl, wenn Sie so wollen, sondern wir haben einen Mangel an Raffineriekapazitäten. Ob die Amerikaner oder auch andere ihre Raffineriekapazitäten erweitern, liegt nicht in unserer Hand. Der Landtag von Baden-Württemberg kann Resolutionen beschließen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Der Rohölpreis steigt!)

Die Amerikaner werden sich davon aber nicht übermäßig beeindrucken lassen.

Hinzu kommen die politischen Unsicherheiten. Diese kennen Sie alle. Sie kennen die politische Situation im Dreieck Saudi-Arabien, Iran, Irak, Terrorismus, Krieg und Ähnliches mehr.

Aber wenn man diesen Hintergrund kennt, wenn man diese Zusammenhänge kennt, dann ist die Frage, die der Kollege Hofer gestellt hat, natürlich absolut richtig. Dann muss man eine zweigeteilte Strategie verfolgen. Dann muss man auf der einen Seite natürlich – darauf komme ich noch zurück –

mit geeigneten Strategien und Maßnahmen versuchen, diesen Weg der Abhängigkeit vom Öl in der Zukunft zu verringern. Das ist das eine. Das Zweite ist aber: Wer es gut meint mit der Volkswirtschaft, wer es gut meint mit dem Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger, wer es gut meint mit dem Autofahrer, der nicht weiterhin abgezockt werden soll, der tut gut daran, auch eine Strategie zu entwickeln, die darauf abzielt, dass die hohen Ölpreise kurzfristig – nicht in 30 Jahren, sondern kurzfristig – gesenkt werden können, damit diese volkswirtschaftliche Belastung nicht ins Unermessliche steigt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler und Abg. Fischer SPD: Wie?)

Dass ausgerechnet Sie, Kollege Kretschmann, jetzt Krokodilstränen über hohe Ölpreise und über hohe Benzinpreise vergießen, das ist, muss ich sagen, schon fast heuchlerisch,

(Zuruf von der FDP/DVP: Nicht nur fast!)

wenn ich mir vorstelle, dass der heutige aktuelle Verbraucherschutzminister – der heißt Trittin – vor nicht allzu langer Zeit öffentlich gefordert hat: Wir brauchen einen Benzinpreis von 5 DM.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE)

Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass durch Ihre Steuerpolitik, und zwar nicht in den Fünfziger- oder Sechzigerjahren, sondern in den letzten Jahren, eine zusätzliche Belastung im Ölpreissektor von rund 20 Milliarden € stattgefunden hat, Stichwort Ökosteuer.

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Die Ergebnisse können Sie jetzt besichtigen. Die Ergebnisse sind bekannt: europäischer Spitzenplatz bei Ölpreisen.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Dafür tragen Sie im Wesentlichen die Verantwortung oder mit die Verantwortung. Wir haben eine katastrophale Situation bei der energieintensiven Industrie – Stichworte Chemie, Papier, Aluminiumwirtschaft und vieles andere mehr.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die sind doch alle von der Ökosteuer befreit!)

Deshalb, meine Damen und Herren, noch einmal: Wir müssen zwei Strategien verfolgen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sie wollen höhere Rentenbeiträge!)

Nein, wir müssen zwei Strategien verfolgen. Die eine Strategie heißt, dass wir eine langfristig verlässliche Energiepolitik auf den Weg bringen müssen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Eine langfristig verlässliche Energiepolitik bedeutet – –

(Abg. Schmiedel SPD: Jetzt mal los: Was ist die langfristig verlässliche Energiepolitik?)

(Minister Pfister)

Wenn Sie mich bitte ausreden lassen, Herr Kollege Schmiedel!

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Eine langfristig verlässliche Energiepolitik bedeutet, dass wir erstens auf einen Energiemix setzen müssen, und zwar von allen Energieträgern, die wir haben – ich komme darauf zurück –, und dass zweitens innerhalb dieses langfristigen Energiemixes die regenerativen Energieträger eine ganz besondere Rolle spielen.

(Abg. Drexler SPD: Dann machet’s doch! Seit 1996 an der Regierung! Windkraft wird bekämpft! Solar wird bekämpft! Biomasse wird bekämpft!)

Wir haben damit angefangen und zum Ende des letzten Jahrzehnts, Herr Kollege Drexler, gesagt, dass wir den Anteil der regenerativen Energieträger von damals 6 % bis 2010 auf 12 % erhöhen werden.

(Abg. Drexler SPD: Jetzt seid ihr gerade bei 8 %! Zwei Prozentpunkte Zunahme!)

Wir sind jetzt bei 8,5 % und werden dieses Ziel erreichen.

(Abg. Drexler SPD: Bei 8 % seid ihr!)

Wir werden auch in der Zeit von 2010 bis 2020 die Möglichkeit haben, den Anteil der regenerativen Energieträger noch einmal zu erhöhen.

(Abg. Drexler SPD: CO2-Ausstoß: keine Reduzie- rung!)

Wie wir dies machen, werde ich Ihnen nachher in der zweiten Runde in aller Ruhe erläutern. Wenn es darum geht, meine Damen und Herren, den Anteil der regenerativen Energieträger zu erhöhen, braucht sich Baden-Württemberg erst recht nicht von der SPD oder den Grünen etwas vormachen zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Sie machen nichts! Sie machen null! – Glocke des Präsidenten)