Herr Oettinger, wir fragen Sie in dieser Situation: Geht es so weiter? Was ist Ihre Strategie, um das Land BadenWürttemberg unabhängiger vom Erdöl zu machen? Wir brauchen einen Kurswechsel, wie ihn etwa die „Financial Times“ am 6. September 2005 beschreibt. Ich zitiere:
Der Ölpreis wird aller Voraussicht nach hoch bleiben und sogar weiter steigen. Das ist mit der richtigen Strategie eine riesige Chance für Deutschland. Die gewaltige Verschiebung auf den Energiemärkten lässt weltweit große neue Geschäftsfelder entstehen. Wer das als Erster erkennt, kann viel Geld verdienen. Es geht darum, die Marktwirtschaft nicht auszuhebeln, sondern sie zu nutzen.
Genau solch einen Kurswechsel, Herr Oettinger, brauchen wir im Land Baden-Württemberg. Wir brauchen einen Kurswechsel, was den Automobilstandort BadenWürttemberg betrifft. Die baden-württembergische Automobilindustrie wird nur dann aus der Krise herauskommen – ihre Krise wird ja deutlich an den 8 500 Entlassungen bei Daimler-Chrysler –, wenn sie auf andere Antriebstechniken setzt, wenn sie auf sparsame Antriebstechniken setzt, wenn sie darauf setzt, dass wir in Zukunft dem Benzin auch Biokraftstoffe beimischen. Dazu hätten wir endlich einmal kritische Worte und einen kritischen Dialog der Landesregie
rung mit der Automobilindustrie in Baden-Württemberg erwartet. Denn jeder weiß doch, dass jetzt und in Zukunft in diesem Land Tausende von Arbeitsplätzen davon abhängen werden. Es war leider Fehlanzeige in dieser Hinsicht.
Zweitens: Energieeffizienz wird eine der Schlüsseltechnologien im globalen Wettbewerb sein. Auch hierfür haben wir Firmen in Baden-Württemberg. Als Beispiel nenne ich eine mittelständische Firma im Hohenloheschen, die neue Motoren für Aufzüge entwickelt hat. Würden alle Aufzüge in der Bundesrepublik Deutschland mit solchen Motoren ausgestattet, würden wir die Energie von zwei Atomkraftwerken einsparen. Man sieht also, Energieeffizienz ist die Zukunftstechnologie für den Wettbewerb auf den globalen Märkten. Diese Firma verkauft ihre Aufzugsmotoren hauptsächlich nach China und sehr wenig im Inland, weil keine Strategien dafür bestehen, Druck auf energiesparende Energieeffizienztechnologien auszuüben. Auch hier sind Sie gefragt, Herr Oettinger, eine Kehrtwende vorzunehmen, weg von der Angebotsstrategie, Energie einfach nur billiger zu machen, wie Sie das populistisch im Wahlkampf gemacht haben.
Wir haben in Baden-Württemberg einen hohen Bevölkerungszuwachs. Das bedeutet für den ganzen Wohnungsbau, dass wir dort riesige Einsparpotenziale realisieren können. Wir erwarten von der Landesregierung eine Kampagne für Null-Energie-Häuser, für Solarsiedlungen. Wir erwarten, dass für die Altbausanierung endlich ein Programm aufgelegt wird, das diese Anreize schafft. Mit dem lächerlichen Programm, das wir jetzt mit 1,25 Millionen € haben, können wir diese Herausforderungen nicht meistern.
Heizen mit Holz und Sonne, das ist die Zukunftsstrategie für regenerative Energien für das Land Baden-Württemberg mit dem Ziel, uns in diesem Bereich völlig unabhängig vom Öl zu machen. Das ist keine Zukunftsmusik in weiter Ferne. Das liegt alles auf dem Tisch, und allein für Holzpelletsanlagen werden riesige Wachstumsraten vorausgesagt, wenn wir mehr dafür tun, dass sie durch Marktanreizprogramme auch eingebaut werden.
Die Kommunen haben die Möglichkeit, für Neubaugebiete den Ölhahn abzudrehen. Wir haben gemeinsam die Gemeindeordnung geändert, sodass dort jetzt auch ein Anschluss- und Benutzungszwang aus Klimaschutzgründen möglich ist. Mit Kraft-Wärme-Kopplung können wir riesige Einsparpotenziale realisieren und in den Ausbau der regenerativen Energien gehen.
Aber auch beim Ausbau von Bus-, Bahn- und Radverkehr muss eine Wende eintreten hin zu einer stärkeren Umwidmung der GVFG-Mittel auf die Schiene und nicht, wie Sie es wollen, auf die Straße. Das ist das Gebot der Stunde: Verzicht auf Prestigeprojekte wie Stuttgart 21, die nur einen minimalen verkehrspolitischen Effekt haben, wie wir alle wissen.
Herr Oettinger, außerdem erwarten wir von Ihnen, dass Sie im Bundesrat Initiativen zum Abbau von Subventionen ergreifen, die der Energieverschwendung dienen, wie die Mehrwertsteuerbefreiung bei grenzüberschreitenden Flügen. Wir brauchen die Abschaffung der Pendlerpauschale,
die Kfz-Steuer muss auf eine CO2-Steuer umgelegt werden, und wir brauchen endlich eine Kerosinsteuer im Luftverkehr.
Ich meine also: Die Alternativen liegen auf dem Tisch. Herr Ministerpräsident Oettinger, ich habe Ihnen einen Brief geschrieben und Ihnen die einzelnen Maßnahmen für dieses Land vorgeschlagen. Ergreifen Sie die Initiative hin zu einer Energiewende, zu einer Strategie weg vom Öl in BadenWürttemberg.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist denn für die Wirtschaft und für die Bürger eines Landes gleichermaßen wichtig? Das sind klare Verhältnisse, Zuverlässigkeit, stabile Rahmenbedingungen
und auch Sicherheit in der Versorgung, und zwar bei den Rohstoffen für die Wirtschaft, bei den Gütern des täglichen Lebens für die privaten Haushalte und bei der Energie für beide.
Weltmarktfirmen bauen Arbeitsplätze ab. Die Auswirkungen auf die Zulieferer hat noch niemand genau bedacht. Dazu kommt noch die Entwicklung des Ölpreises. Meine Erlebnistankstelle im Schwarzwald verlangt gerade 1,359 € für den Liter Super bleifrei. Wer mit dem Heizölkauf noch zugewartet hat, muss jetzt anderthalb Mal so viel zahlen wie vor einem Jahr.
Wenn man sich nun das globale Umfeld ansieht, so stellt man fest, dass es ungünstig ist. Die Experten weltweit erwarten, dass der Rohölpreis zwar etwas hin und her schwankt, aber in der Tendenz steigt. Das hat mit einem Punkt zu tun, der sich „Peak oil“ nennt. „Peak oil“ heißt – er soll etwa 2008 kommen –, dass dann alle Ölfelder, die beim gegenwärtigen Stand der Technik wirtschaftlich explorierbar sind, in der Förderung sind. Es gibt dann zwar noch weitere Ölfelder, aber diese sind schwieriger zu erschließen. Das heißt, dort wird die Ölförderung teurer.
Dann gibt es die Rolle der Spekulanten, die man nicht im Griff hat. Die Spekulanten sind nicht am Öl, sondern nur an den Preisunterschieden interessiert. Außerdem gibt es verschiedene Kopplungen, sodass von einem Lieferanten verschiedene Ölpreise angeboten werden – also ein sehr undurchsichtiges System, das man sich auch einmal vornehmen sollte.
China, Indien, die Schwellenländer treiben die Nachfrage hoch. In diesem globalen Umfeld müssen wir in BadenWürttemberg jetzt überlegen, wie wir vom Öl wegkommen können.
Das hat zunächst einmal nichts mit einem bestimmten Parteibuch zu tun. Vielmehr sind sich die energiepolitischen Sprecher der Fraktionen in diesem Ziel durchaus einig.
Im Rahmen einer Klimaschutzpolitik, aber auch einer Strategie „Weg vom Öl“ kommt der energetischen Nutzung von Biomasse eine besondere Bedeutung zu. Biomasse ist damit in Baden-Württemberg das Schwergewicht unter den erneuerbaren Energien.
Das stammt nicht von mir, sondern von Herrn Kollegen Witzel anlässlich einer Pressekonferenz in diesem Sommer.
Sie haben auch darauf hingewiesen, dass wir eine höhere Pelletproduktion im Land bräuchten. Das habe auch ich selbst schon mehrfach gesagt. Wir haben nun eine große Anlage in Buchenbach in Betrieb. Wir werden Ende dieses Jahres im Kreis Freudenstadt eine mittlere Anlage bekommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald in größerem Umfang einheimische Pellets anbieten können.
Das ganze Feld der Biomasse wird bei der Zukunftsoffensive IV eine große Rolle spielen. Wir werden 10 Millionen € für den ganzen Bereich der nachwachsenden Rohstoffe und der Bioenergie bereitstellen –
ein breites Feld: von der Biomasse über die Optimierung von verschiedenen Blockheizkraftwerken bis hin zur Konditionierung von Kraftstoffen. Ziel sind anwendungsreife Techniken.
Seit Juli dieses Jahres liegt uns allen auch die Klimaschutzkonzeption für Baden-Württemberg vor. Hier sind zwei Themenbereiche wichtig: einerseits ein Aktionsprogramm für Anreize zur energetischen Gebäudesanierung – also
Schauen wir uns kurz die Kraftstoffe an. Da gibt es verschiedene Entwicklungen. Beim Erdgas läuft es nicht so wie gewünscht – viel zu wenig Fahrzeuge; da ist noch einiges zu tun.
Erfreulicher ist die Situation bei biogenen Kraftstoffen und hier vor allem beim Sun-Diesel, den Daimler-Chrysler in Sachsen ja schon seit vier Jahren erforscht und herstellt. Der Sun-Diesel hat einen Vorteil: Man kann nicht nur, wie bisher, die Ölfrüchte nehmen, sondern man kann jede Form von Biomasse verwenden, vom Restholz bis hin zum Mais mit Stumpf und Stiel. Jetzt muss das alles nur noch etwas günstiger werden. Aber die Entwicklung stimmt.
Etwas Ärgerliches habe ich diese Woche im „Schwarzwälder Boten“ unter der Überschrift „Rußfilter verträgt den Biodiesel nicht“ gelesen. Ich habe mich bei Daimler-Chrysler, bei BMW und bei Peugeot erkundigt und habe erfahren: Das stimmt tatsächlich. Die Dieselfahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 4 erfüllen, überschreiten, wenn sie Biodiesel tanken,
die vorgeschriebenen Grenzwerte bei den Stickoxiden, und die Kraftstofffilter verstopfen schneller. Das heißt, bei modernen Fahrzeugen gibt es keine Freigabe für Biodiesel. Wer also ein Fahrzeug mit Rußfilter hat, kann keinen Biodiesel tanken. Das darf ja wohl nicht wahr sein.
Nun hat unsere Automobilindustrie schon die Entwicklung hin zum Rußfilter verschlafen – so muss man es sagen –, und jetzt stellt sie mit großen Augen fest, dass die Rußfilter keinen Biosprit vertragen. Hier ist also einiges zu tun. An dieser Stelle rufe ich auch die Automobilindustrie auf: Anstatt hier nur dauernd nach Kostensenkungspotenzialen zu suchen und Leute zu entlassen, sollte man vielleicht einmal schleunigst dieses Problem lösen.