Protokoll der Sitzung vom 05.10.2005

Es ist so. Sie können das nachlesen. Das war die Studie von 2004.

(Abg. Drexler SPD: Aber sie lesen sie nicht!)

Aber interessanterweise muss natürlich gefragt werden: Wer liest Tageszeitungen? Das ist der Spagat.

Dabei erinnere ich mich auch daran, Herr Ministerpräsident, dass wir gemeinsam bei einem großen Verlagsjubiläum waren. Bei der Frage, wer sich an den Angeboten an Ganztagsschulen beteiligt, hat es den Aufruf gegeben, da sollten sich auch die Zeitungsmacher – das sage ich jetzt einmal im weitesten Sinne – einbringen, damit man eben nicht immer nur auf ein Medium fixiert ist, sondern dass dafür gesorgt wird, dass man kompetent lernt, mit der Vielfalt der Medien umzugehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das gibt es doch schon ewig!)

Lassen Sie mich mit einem Satz schließen, der von einem Mediziner stammt, der ganz in der Nähe, nämlich in Hohenheim, tätig war. Es handelt sich um einen Satz von Paracelsus.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: War das auch ein Zahnarzt?)

Er sagt, bezogen auf die Medizin: Es macht immer die Dosis, ob ein Ding Gift ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Pauli CDU)

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen nicht schon am Beginn ihres Lebens vergiften, sondern dass sie vernünftig mit dem umgehen können, was in dieser Gesellschaft nun mal Realität ist. Das ist unser aller gemeinsame Anstrengung wert.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sollten nicht in einen alten Fehler verfallen, den wir auch schon bei der Debatte über zu dicke Kinder hier gemacht haben: Jede Forderung in Richtung Schule oder Staat wird mit der Bemerkung gekontert, das sei Aufgabe der Eltern. Wir sollten uns endlich darauf einigen, dass beide dafür Verantwortung haben.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Scheffold CDU: Da sind wir uns doch alle einig!)

Niemand spricht den Eltern die Verantwortung ab, aber niemand kann auch der Schule die Verantwortung absprechen.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Das ist doch klar! Das ist eine Binsenweisheit!)

Die Kinder, Herr Kollege Müller, werden den Eltern nicht von der Ganztagsschule weggenommen. Das ist wirklich völlig absurd.

(Abg. Mappus CDU: Das hat er auch nicht gesagt! Das hat er nicht gesagt!)

Doch, so hat er es gesagt. Zumindest ist es so angekommen. Wir sollten darüber auch nicht streiten. Wir brauchen die Ganztagsschulen.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU – Abg. Map- pus CDU: Bedarfsgerecht!)

Dort können die Kinder und Jugendlichen Medienkompetenz lernen. Damit sind wir bei einem entscheidenden Thema: Medienkompetenz muss vermittelt werden.

(Abg. Drexler SPD: Wo?)

Es ist teilweise schwierig, diese den Eltern zu vermitteln, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Kinder oft viel mehr vom Computer verstehen als die Eltern. Wer soll denn hier je etwas vermitteln? Da müssen wir schon aufpassen.

(Abg. Mappus CDU: Das ist vielleicht bei euch so! – Abg. Dr. Scheffold CDU: Das Ausschalten soll- ten sie beherrschen!)

Meine Damen und Herren, wir dürfen auch nicht vergessen: Viele Kinder sitzen schon im Kindergartenalter vor dem Bildschirm, vor dem Fernsehgerät. Auch da müssen wir schon aktivierend eingreifen. Kollegin Kipfer hat darauf hingewiesen: In Rheinland-Pfalz wird in dieser Frage mehr getan. Wir sollten uns einmal die Frage stellen: Wie können wir unseren Unterricht zukünftig so gestalten, dass das Thema besser integriert wird? Es wird nicht reichen, wie es der

Herr Minister gesagt hat, dies im Gemeinschaftskundeunterricht zu behandeln.

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Vielmehr muss das eine echte Unterrichtseinheit werden, und es muss die Kinder eigentlich immer begleiten.

Meine Damen und Herren, die Zukunftskommission des Landes hat schon vor Jahren Medienkompetenz als einen selbstverständlichen, aber auch kritischen und verstehenden Umgang mit den neuen Medien definiert. Diese Kompetenz, meine Damen und Herren – darauf hat Herr Kollege Müller zu Recht hingewiesen –, kann man sich aber nur aneignen, wenn man auch die alten oder vielleicht ewig jungen Kulturtechniken wie Lesen, Rechnen und Schreiben tatsächlich beherrscht. Wenn man anfängt, Computer in die Schule zu stellen, und hofft, dass dies das Allheilmittel sei, wird man scheitern. Vielmehr geht es darum, den Kindern wirklich eine gute Ausbildung in diesen alten Kulturtechniken zu vermitteln. Das ist der allererste Schritt.

Kinder müssen lernen, die Bilderflut, der sie täglich ausgesetzt sind – Frau Kollegin Kipfer hat auf die Werbung hingewiesen –, richtig einzuordnen. Sie müssen über das Lesen von Büchern – wie man weiß, liest man wieder –, über das Hören, über das sinnliche Erfahren im Schulgarten lernen, dass es noch einen anderen, realeren Zugang zu dieser Welt gibt als den, der ihnen mit der Flimmerkiste vorgemacht wird. Das ist die Aufgabe, die die Schule hat, und natürlich müssen hierzu auch die Eltern beitragen.

Jetzt müssen wir uns die Frage stellen: Was resultiert eigentlich aus dieser Diskussion? Sollen wir jetzt nach Hause gehen, zufrieden darüber, dass wir uns alle einig sind und uns dieses Themas und seiner Problematik bewusst sind? Oder wie schreiten wir hier voran?

Es gab 1993 eine Kommission mit dem Namen „Gewalt in den Medien“, die eine Vielzahl von Vorschlägen entwickelt hat. Ein Teil dieser Vorschläge wurde umgesetzt; ein anderer, großer Teil der Vorschläge wurde jedoch nicht umgesetzt, und ein weiterer Teil ist vor dem Hintergrund der Entwicklung, die inzwischen stattgefunden hat, obsolet geworden.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns so einig sind, frage ich, warum wir uns nicht beispielsweise im Rahmen einer Anhörung – ich hoffe, dass die medienpolitischen Sprecher aller Fraktionen den Antrag, den ich stellen werde, auch unterschreiben werden – Fachleute in den Ständigen Ausschuss holen, um mit ihnen die Fragen zu diskutieren: Was können wir auf den verschiedenen Ebenen tun? Was ist die Aufgabe der Politik im Bereich der Schule? Wie können wir beispielsweise über den Aufsichtsrat des SWR auf den SWR Einfluss nehmen? Holen wir uns doch einmal Herrn Voß hinzu und diskutieren mit ihm über die auch im SWR gezeigte Gewalt. Auch dort gibt es ja Auswüchse, die nicht gutzuheißen sind.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns das gemeinsam machen. Lassen wir diese wichtige Debatte nicht zum Endpunkt werden, sondern zum Anfang einer viel umfangreicheren Diskussion. Dabei müssen dann aber auch Resultate

herauskommen; denn sonst besteht wieder die Gefahr, dass die Leute sagen: „Im Landtag und im Bundestag wird immer

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Geschwätzt!)

über Politik diskutiert. Aber was wird denn tatsächlich getan, um das Problem in den Griff zu bekommen?“ Wir sollten hier zusammenarbeiten und etwas Gutes tun.

Zum Schluss noch ein Zitat aus dem Buch „Vorsicht Bildschirm!“ von Professor Spitzer. Er zitiert darin den Medienpädagogen Tilman Ernst, der über die zunehmende Gewaltdarstellung in den Medien sagte:

Eine human orientierte, demokratische Gesellschaft gibt sich selbst auf, wenn sie solche Dinge schlicht und einfach akzeptiert und sich nicht weiter darum kümmert.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns weiterhin um dieses Thema kümmern, damit wir, wenn wir das nächste Mal hier darüber diskutieren, vielleicht schon erste Erfolge verzeichnen können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Renner.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorhin ist die Frage aufgeworfen worden, ob sich das Thema, das wir gerade behandeln, überhaupt für eine Aktuelle Debatte eigne. Ich meine, es eignet sich durchaus; denn es ist ein Dauerthema, ein Thema, das uns nicht nur heute, sondern eigentlich Tag für Tag zu interessieren hat.

Ich denke, wenn wir das Thema „Medienkonsum und Medienproblematik“ auf die Frage verkürzen, ob es gut und richtig war, private Fernsehsender bei uns in Deutschland zuzulassen, dann sind wir reichlich blauäugig. Es geht doch nicht nur um das Fernsehen, um den Medienkonsum via Fernsehschirm –

(Abg. Mappus CDU: Richtig!)

auch wenn das noch immer das Leitmedium der Kinder und Jugendlichen ist –, sondern wir müssen doch auch über das Internet reden – wir haben inzwischen über 8 Millionen Domains –, das alle Zugangsmöglichkeiten auch zu Gewalt und Pornografie bietet. Zum Zweiten reden wir in diesem Zusammenhang auch über Computerspiele. Über 60 Millionen solcher Computerspiele sind im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft worden. Drittens ist über das Thema Handy und die mit diesem Medium verbundenen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten zu sprechen. Es reicht nicht aus, das Thema allein auf Fernsehkonsum zu verkürzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Alfred Haas CDU und Dr. Noll FDP/DVP)

Ein Zweites will ich sagen: Wir wären doch auch dann keine „Oase“, wenn es bei uns keine privaten Fernsehsender gäbe. Die lägen dann ringsherum und wären dennoch alle über eine Schüssel zu empfangen, lägen jedoch außerhalb unserer gesetzlichen Reichweite. Das ist doch die Wahrheit.

(Abg. Mappus CDU: So ist es!)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir uns fragen, was wir tun können. Ich denke, Aufgabe der Politik ist der gesetzliche und erzieherische Jugendmedienschutz. Dieses Anliegen verfolgen wir schon eine ganze Weile. Seit 2003 ist der neue Staatsvertrag in Kraft, durch den die Aufsichtsstruktur bei den Landesmedienanstalten geschaffen worden ist und der zunehmend Wirkung entfaltet. Sie alle, die Sie in den Rundfunkräten und in den einzelnen Gremien sitzen, haben, so meine ich, dort auch Ihre Aufgabe wahrzunehmen und sich zu Wort zu melden. Das gilt im Übrigen auch für die öffentlich-rechtlichen Anstalten, wo ja auch nicht immer alles zum Besten steht.