Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. M a r t i n R i v o i r S P D – A u f t r a g s v e r g a b e b e i m N e u b a u d e r C h i r u r g i e a m U n i v e r s i t ä t s k l i n i k u m U l m

Herr Abg. Rivoir, Sie haben das Wort zur Verlesung Ihrer Mündlichen Anfrage.

Ich frage die Landesregierung:

a) Trifft es zu, dass sich die zuständige Bauverwaltung beim Neubau der Chirurgie am Universitätsklinikum Ulm auf die Vergabe an einen Generalunternehmer festgelegt hat und damit mittelständische Firmen aus der Region von vornherein in aussichtsloser Position und de facto vom Wettbewerb ausgeschlossen sind?

b) Ist die Landesregierung nicht auch der Auffassung, dass eine solche Festlegung den Interessen der mittelständischen Bauunternehmen im Kern zuwiderlaufen und dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg insgesamt schaden würde?

Herr Staatssekretär Fleischer vom Finanzministerium erhält das Wort zur Beantwortung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Landesre

gierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Herrn Abg. Rivoir wie folgt:

Zu Frage a: Es trifft zu, dass sich der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg im Einvernehmen mit dem Universitätsklinikum Ulm beim Neubau der Chirurgie am Universitätsklinikum Ulm auf die Vergabe an einen Generalunternehmer festgelegt hat. Das Finanzministerium hat hierzu seine Zustimmung erteilt. Bei diesem Neubau für die Chirurgie des Klinikums Ulm handelt es sich um eine sehr komplexe Baumaßnahme mit hohem Technikanteil, für die bisher nur eine Entwurfsplanung vorliegt. Gerade im Technikbereich gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungsmöglichkeiten mit verschiedenen technischen Systemen.

Die Leistung soll einschließlich der Medizintechnik ausgeschrieben werden. Dies bedingt eine Vielzahl von Schnittstellen zu den üblichen technischen Gewerken. Dieser Problematik kann mit einer konventionellen, gewerkeweisen Ausschreibung mittels Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis, in welchem jede einzelne Position der Bauausführung vom Auftraggeber präzise zu beschreiben ist, nicht Rechnung getragen werden.

Deshalb soll die Leistung im Wege einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm ausgeschrieben werden. Der wesentliche Vorteil dieser Ausschreibungsart liegt darin, dass bei dieser Verfahrensweise die an der Ausschreibung teilnehmenden Firmen die Möglichkeit haben, ihr individuelles System einzusetzen und optimal mit den verschiedenen Anforderungen zu koordinieren. Bei einer Ausschreibung mittels Leistungsprogramm werden nur gewisse Standards für die Bauausführung und technische Leistungsmerkmale vorgegeben. Nur auf diese Weise kann die technisch, wirtschaftlich und gestalterisch beste sowie funktionsgerechteste Lösung der Bauaufgabe einschließlich der Anforderungen aus der komplexen Medizintechnik und der Ausstattung erreicht werden.

Die Ausschreibung dieser Leistung mittels Leistungsprogramm und Vergabe an einen Generalunternehmer steht voll im Einklang mit dem geltenden Vergaberecht. Sowohl die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen als auch das Mittelstandsförderungsgesetz Baden-Württemberg und die Mittelstandsrichtlinien für öffentliche Aufträge des Landes Baden-Württemberg sehen diese Vergabeart vor, wenn dies wirtschaftlich und technisch Vorteile bringt. Davon ist aus den dargelegten Gründen beim Neubau für die Chirurgie des Klinikums Ulm auszugehen.

Zu den Chancen der mittelständischen Firmen aus der Region ist anzumerken, dass die Generalunternehmer erfahrungsgemäß für eine Vielzahl der auszuführenden Arbeiten Firmen aus der Region als Nachunternehmer einsetzen. Die Nachunternehmer sind in unserem Land durch das badenwürttembergische Mittelstandsförderungsgesetz besser geschützt als in den anderen Bundesländern – in denen gibt es eine solche Regelung nicht –; der Generalunternehmer ist nämlich verpflichtet, seinen Nachunternehmern keine schlechteren Vertragsbedingungen aufzuerlegen, als zwischen ihm und dem Betrieb Vermögen und Bau BadenWürttemberg vereinbart sind.

Zur Frage b: Die Landesregierung teilt nicht die Auffassung, dass die Festlegung, den Neubau der Chirurgie in

(Staatssekretär Gundolf Fleischer)

Ulm an einen Generalunternehmer zu vergeben, die Interessen der mittelständischen Bauunternehmen willkürlich vernachlässigt. Diese Verfahrensweise ist aus den dargelegten Gründen im Interesse eines wirtschaftlichen und sparsamen Mitteleinsatzes geboten. Sie lässt technisch bessere Lösungen und erhebliche finanzielle Einsparungen sowie eine zügigere Abwicklung der Baumaßnahme erwarten.

Zum Thema Mittelstandsfreundlichkeit bei der Vergabe staatlicher Bauaufträge ist grundsätzlich noch Folgendes zu sagen: Die Zustimmung zu einer Vergabe an Generalunternehmer wird vom Finanzministerium äußerst restriktiv gehandhabt. Sie wird nur erteilt bei komplexen Maßnahmen, in welchen das Know-how von Firmen gegenüber einer konkreten Ausführungsplanung eines Architekten technisch und wirtschaftlich erhebliche Vorteile erwarten lässt. Es handelt sich in der Regel um nicht mehr als drei bis vier Fälle pro Jahr, in welchen das Finanzministerium die Zustimmung zu einer Generalunternehmerausschreibung erteilt. Alle anderen der rund 35 000 Bauaufträge, die der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg jährlich zu vergeben hat, werden nach Gewerken und in der Regel bei einem Auftragswert ab 20 000 € öffentlich ausgeschrieben. Erfahrungsgemäß wird der weit überwiegende Teil dieser Aufträge von mittelständischen Baufirmen und Handwerksbetrieben ausgeführt.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass bei den wenigen Generalunternehmerausschreibungen in hohem Maße die großen Bauunternehmen aus dem Land zum Zuge kommen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Doktorarbeit!)

Von einer Schädigung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg insgesamt durch die Vergabe der Baumaßnahme „Neubau der Chirurgie am Universitätsklinikum Ulm“ an einen Generalunternehmer zu sprechen, erscheint der Landesregierung unter den dargelegten Gründen nicht angemessen.

Gibt es eine Zusatzfrage? – Keine.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Damit ist diese Mündliche Anfrage erledigt.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 4 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. M a r t i n R i v o i r S P D – P r i v a t i s i e r u n g d e r U n i v e r s i t ä t s k l i n i k e n

Herr Abg. Rivoir, Sie haben das Wort zur Verlesung Ihrer Mündlichen Anfrage.

Ich frage die Landesregierung:

a) Auf welche Position hat sich die Landesregierung beim Thema „Privatisierung der Universitätskliniken“ geeinigt, nachdem Wirtschaftminister Pfister jüngst die Forderung nach der Privatisierung von mindestens einer der vier Universitätskliniken erhoben, Wissenschaftsminister Frankenberg aber mit dem Hinweis auf eine ergebnisoffene Prüfung widersprochen haben soll?

b) Welchen Auftrag wird diese ergebnisoffene und zeitnahe Wirtschaftlichkeitsprüfung haben, die Minister Frankenberg in diesem Zusammenhang gegenüber der Presse angekündigt hat, und wird diese Wirtschaftlichkeitsprüfung die Universitätsklinika als Ganzes in den Blick nehmen oder nur ihre kommerziell ausgerichteten Teile?

Falls wieder eine Doktorarbeit vorgelesen werden sollte, wäre ich auch mit einer schriftlichen Antwort einverstanden.

Das Wort zur Beantwortung erhält Herr Staatssekretär Dr. Birk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Abg. Rivoir wie folgt:

Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, die rechtliche Verflechtung der Universitätsklinika sowie die Änderung der Rechtsform bis hin zu einer Privatisierung einschließlich der Öffnung für private Mitgesellschafter ergebnisoffen zu prüfen und die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile abzuwägen. Diese Prüfung erstreckt sich sowohl auf die formelle Privatisierung als auch auf die materielle Privatisierung. Hierbei sind im Einzelnen verschiedene Gesichtspunkte wie etwa steuerrechtliche Folgen im Hinblick auf die Umsatzsteuer, die Grundsteuer, die Grunderwerbsteuer und die Kapitalertragsteuer sowie weitere Steuerarten zu prüfen. Dies ist zu berücksichtigen und auch entsprechend zu bewerten.

Das Wissenschaftsministerium geht diesen Prüfauftrag offensiv an. Derzeit werden intern Chancen und Risiken einer Privatisierung sowie mögliche Modelle geprüft. Zu gegebener Zeit wird auch entsprechend externer Sachverstand eingeholt und hinzugezogen.

Ferner prüft das Wissenschaftsministerium verschiedene Optionen, um die Wirtschaftlichkeit der Universitätsklinika weiter zu steigern. In Betracht kommt insoweit eine Übertragung der Bauherreneigenschaft samt Liegenschaften auf die Universitätsklinika

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das machen wir auf jeden Fall!)

mit dem Ziel, diesen den Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen und so deren Effizienz zu steigern. Weitere Wirtschaftlichkeitsressourcen können in einer engeren Zusammenarbeit der Universitätsklinika in den Servicebereichen liegen, indem an allen Standorten einheitlich anfallende Aufgaben zentral von einer Einrichtung wahrgenommen werden. Mit einem Ergebnis wird bis Frühjahr 2007 gerechnet.

Auch in anderen Ländern werden derzeit ähnliche Überlegungen und Prüfungen angestellt. Im Vordergrund stehen häufig die Weiterentwicklung der vorhandenen Strukturen, die Steigerung der Effizienz und die Optimierung der Ausgestaltung des Verhältnisses von Universitätsklinikum und Universität, ohne dass jeweils konkrete Privatisierungsabsichten verfolgt würden. Das Wissenschaftsministerium wird alle Überlegungen – auch in den anderen Bundesländern – intensiv beobachten und weiter verfolgen.

(Staatssekretär Dr. Dietrich Birk)

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die wirtschaftliche Situation der Universitätsklinika in BadenWürttemberg ungleich besser ist als die in anderen Bundesländern. Insoweit ist das Land Baden-Württemberg auch im Rahmen dieser Prüfung und einer eventuellen weiteren Privatisierung sicherlich in einer besseren Ausgangssituation.

Inwieweit eine externe Prüfung der Wirtschaftlichkeit erfolgt, ist derzeit noch nicht abschließend entschieden.

Frau Abg. Bauer, eine Zusatzfrage.

Ich hätte eine Zusatzfrage. Ich möchte gern wissen, ob die Landesregierung beabsichtigt, die Stiftung Orthopädische Klinik, die in Heidelberg eng mit der Universitätsklinik zusammenarbeitet, zu privatisieren, und, wenn ja, an welchen Träger, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Erlös sie dies beabsichtigt.

Frau Abg. Bauer, da mir dazu derzeit kein aktueller Sachstand vorliegt, schlage ich vor, dass wir Ihnen die Antwort auf Ihre Frage schriftlich mitteilen.

Einverstanden, gut. Das machen wir so. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Keine weiteren Zusatzfragen.

Tagesordnungspunkt 5 ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Klaren Kurs bei den Flughäfen im Land herbeiführen: Vorlage einer Flughafenkonzeption für Baden-Württemberg – Drucksache 14/42

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Herr Abg. Haller erhält für die SPD-Landtagsfraktion das Wort.

Meine Damen und Herren!