Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

Kilometerbereich. Wo – frage ich mich – und wie soll das in einer Agrarstruktur wie in Baden-Württemberg mit den sehr kleinen Schlägen denn überhaupt verwirklichbar sein? Das funktioniert nicht. Für mich sind die Feldversuche vollkommen sinnlos und schädlich, und sie tragen Unfrieden ins Land hinein.

Jetzt noch ein kurzer Abstecher zu dem, was in der oberen Etage an Politik läuft. Im September dieses Jahres hat Deutschland für die Zulassung von Genraps des Technikkonzerns Bayer gestimmt. Verantwortlich war Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Nun droht uns allen, dass dieser Genraps als Futtermittel in der EU zugelassen wird. 14 von 25 Mitgliedsstaaten haben nicht zugestimmt. Das ist aber keine qualifizierte Mehrheit; somit entscheidet jetzt die Kommission. Die Kommission hat diesen Anträgen auf Zulassung schon immer zugestimmt. Das Land hier hat sich immer massiv dafür eingesetzt, dass die Haftungsregeln verändert werden. Stattdessen will das Land nun einen Fonds,

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

in den alle in irgendeiner Form einzahlen und bei dem das Risiko nachher auf alle verteilt wird. Das ist nicht der Weg, den wir als Grüne gehen wollen.

Immer mehr Menschen im Land wollen diese grüne AgroGentechnik nicht haben, und Sie tun eigentlich alles dafür, dass Genfood hoffähig wird.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ha no, ha no!)

Das ist ganz klar der falsche Weg.

Ich fasse kurz zusammen, was wir als Forderung in unserem Papier haben und was zur Abstimmung ansteht: Wir wollen, dass kein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Flächen im Eigentum des Landes stattfindet. Das soll sich auch in Pachtverträgen niederschlagen. Wir wollen keine Forschungsvorhaben und Projekte unterstützen, weder finanziell noch ideell. Wir wollen, dass die Kontrollen auf Verunreinigungen bei Saatgut verstärkt werden und dass sich das Land auf EU-Ebene für niedrige Kennzeichnungsschwellenwerte einsetzt. Da ist noch einiges im Argen.

Die Einhaltung der gültigen Kennzeichnungsregeln bei Lebensmitteln wollen wir strikt überwacht sehen. Wir wollen, dass das Land den Aufbau gentechnikfreier Regionen unterstützt. Wir wollen, dass sich das Land auf Bundes- und EUEbene für die gesetzliche Verankerung gentechnikfreier Zonen nach dem Vorbild von Österreich und der Schweiz einsetzt.

Und wir wollen als letzten und siebten Punkt, dass eine Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln gefüttert wurden, eingeführt wird. Bisher gilt das nur für pflanzliche Produkte. Dies wollen wir auch auf tierische Produkte ausgedehnt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Tosender Applaus der Restgrünen!)

Das Wort erhält Frau Abg. Brunnemer.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Herr Dr. Murschel, es ist richtig, dass wir hier nicht zum ersten Mal über Gentechnik diskutieren. Und ich bin überzeugt, auch nicht zum letzten Mal.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Das ist doch gut!)

Wir haben oft gehört, wie Ihre Fraktion zu diesem Thema steht. Wie wichtig Ihre Fraktion dieses Thema nimmt, zeigt die geringe Präsenz Ihrer Fraktionskollegen.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Aha!)

Uns in der CDU-Fraktion geht es darum, dieses wichtige Thema so transparent wie nur möglich zu machen; denn wir sind der Meinung, dass nur Transparenz Vertrauen schafft. Und Vertrauen brauchen wir bei einem verantwortungsvollen Umgang mit grüner Gentechnik. Wir in der CDU-Fraktion legen sehr großen Wert auf objektive, wissenschaftlich fundierte Forschung und auf gute Information der Bürgerinnen und Bürger.

Wir wollen keine Bevormundung und keine Angstmache. Wir wollen Eigenverantwortung und unternehmerische Freiheit. Klar ist: Dafür ist Information und Wissen die Voraussetzung, denn ein Erzeuger und ein Verbraucher kann nur dann frei entscheiden, ob er gentechnisch veränderte Lebensmittel kauft oder anbaut, wenn er Information und Wissen darüber hat. Wir müssen dafür sorgen, dass Koexistenz gewährleistet ist und dass die Nahrung, die gentechnisch veränderte Organismen enthält, auch durchgängig gekennzeichnet ist. So ist es in der europäischen Gesetzgebung verankert.

Klar ist auch, dass wir für eine sinnvolle Koexistenz klare Anbauregeln brauchen. Wer gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen will, muss dies genauso störungsfrei tun können wie derjenige, der seine Felder auf konventionelle oder ökologische Weise bestellen will.

Jetzt will ich einmal klarlegen, worüber wir überhaupt reden. Nach dem beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geführten Standortregister ist für Baden-Württemberg klar, dass es bisher keinen kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gibt. Wir haben nur beim Mais zugelassene gentechnisch veränderte Sorten.

Diese Sorten wiederum werden in Versuchsvorhaben des Landes angebaut und sind von den zuständigen Behörden in Bezug auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt als sicher eingestuft. Dennoch, meine Damen und Herren, wurden einige dieser Felder zertrampelt. Ich sage: Das ist nichts anderes als mutwilliges Zerstören von fremdem Eigentum.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Jawohl!)

Das ist auch ein Zeichen dafür, dass diese Leute, die das getan haben, nicht bereit sind, sich mit den Tatsachen und Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung auseinanderzusetzen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Denn eines ist doch klar: Nur intensive Forschungen, die über einen längeren Zeitraum betrieben werden, liefern die Voraussetzung dafür, dass wir das Risiko vernünftig bewerten können und dann auch eine mögliche Nutzung der grünen Gentechnik vornehmen können.

Eines ist auch klar: Wer grüne Gentechnik hier bei uns verhindert, muss wissen, dass sie dann woanders stattfindet und von dort zu uns zurückkommt – ohne unseren Einfluss und ohne eigene Erfahrung unserer Wissenschaftler.

Ich möchte Sie bitten: Schauen Sie einmal dorthin, wo in der Biotechnologie gegenwärtig der Ton angegeben wird. Das sind nicht mehr deutsche oder europäische Firmen. Das sind vielmehr die US-Amerikaner, die in diesem Bereich weltweit bereits heute Milliardenumsätze erzielen und Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen haben. Arbeitsplätze sind auch bei uns dringend nötig.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Hier möchte ich auch gegenüber dem Bundeslandwirtschaftsminister anmahnen, nicht so zögerlich von Monat zu Monat zu agieren und das verkorkste Gentechnikgesetz endlich in Ordnung zu bringen.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Unsere Schlussfolgerung kann nur lauten: Wir müssen die Entscheidung über den Anbau grüner Gentechnik denen überlassen, die auch das wirtschaftliche Risiko dafür tragen. Wir müssen durch eigene, unabhängige Anbauversuche noch mehr Erkenntnisse gewinnen.

Wir haben in Baden-Württemberg hervorragende Forschungseinrichtungen. Sie können dazu beitragen, dass die Risiken und die Chancen geklärt werden. Wer diese Forschung nicht will, schadet sich selbst und schadet auch dem Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg.

Zum Schluss möchte ich noch eines sagen: Die Angstmache vor der grünen Gentechnik verfängt längst nicht mehr. Außer bei Mais gibt es überhaupt keine Möglichkeit zum regulären Anbau. Solange unsere Bauern diesen Mais nicht anbauen, so lange ist das, worüber wir hier diskutieren, alles Theorie.

Ich denke, eines ist Realität: dass Versuchsfelder zertrampelt wurden und dass dies ein krimineller Akt ist. Zu dieser Feststellung möchte ich auch den Beifall der Grünen haben.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Den kriegen Sie! Kei- ne Sorge!)

Das Wort erhält Herr Abg. Winkler.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns hier in den letzten Jahren in der Tat mehrfach mit diesem Thema beschäftigt. Es ist schließlich ein Reizthema in dieser Gesellschaft.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Diese Zeitungsartikel liegen noch nicht lange zurück.

(Der Redner hält einen Zeitungsartikel mit der Überschrift „Skandal um Genreis weitet sich aus“ in die Höhe.)

Das Reizthema Gentechnik kommt nicht von ungefähr, weil die Versprechungen der Gentechnik und die Zusagen bezüglich der Sicherheit von den Herstellern von gentechnisch verändertem Saatgut nicht eingehalten werden. Es ist ein Phantom, obwohl es rechtlich abgesichert ist, diese Koexistenz in den Mittelpunkt der Gentechnik zu stellen. Meine Damen und Herren, wenn Aldi alle Reissorten aus dem Sortiment nimmt, weil er keine mehr dabei hat, die nicht mit Gentechnik vermischt ist, dann ist Koexistenz, gentechnisch gesehen, einfach nicht möglich. Das wissen wir doch schon heute.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Und das, obwohl der Anbau von Gentechnik in den zehn Jahren seit 1996 von 1,9 Millionen t auf über 90 Millionen t sprunghaft angestiegen ist. Dennoch ist ihr Anteil am Gesamtumsatz der landwirtschaftlichen Produkte noch winzig klein. Diese winzig kleine Menge gentechnisch erzeugter landwirtschaftlicher Erzeugnisse taucht bereits heute in den Lebensmitteln auf, weil es keine Koexistenz und keine Trennung zwischen beiden gibt.

Die Forschung ist gesichert, gestützt auf Rot-Grün – die letzte Bundesregierung –, aber natürlich auch auf EURecht. Aber die Ablehnung von GVO ist auch gestützt, und zwar gestützt auf deren Risiken und auf die Situation, in der wir uns heute befinden, Kollegin Brunnemer. Wir befinden uns am Anfang der Gentechnik. In der Landwirtschaft wird uns eine „Schrotttechnologie“ im Bereich der Gentechnik angeboten, und zwar bezüglich der Risiken und der Vorteile, die sie hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deswegen müs- sen wir ja forschen!)

Niemand bestreitet, dass in der Fantasie der Forscher von diesen Forschern Unheimliches für möglich gehalten wird. Aber heute wird das mit einem Risiko angeboten, das für die Gesellschaft und die Verbraucher keinen Vorteil hat und für die Landwirte maximal – davon redet man – einen Vorteil von 8 % bietet und sie gleichzeitig in eine Lieferanten- und Bezugsabhängigkeit zu den Saatgutherstellern bringt. Von den Risiken für die Natur und die Gesundheit will ich noch gar nicht sprechen.

Jetzt komme ich zur Gesundheit. Zwei Jahre lang haben Amerikaner in Europa gentechnisch veränderten Mais eingeführt. Er war nicht nur nicht zugelassen, sondern hat gentechnisch eine Immunität gegen Antibiotika erzeugt. Ein antibiotisch wirksames Ernährungsmittel, das die Wirksamkeit

von Antibiotika heruntersetzte, war zwei Jahre lang in Umlauf, und niemand hat es gemerkt. Reden wir jetzt nicht davon, dass gentechnisch veränderte Pflanzen in Europa ein Fortschritt für die Verbraucher wären. Das ist immer noch ein Risiko. Das ist eine „Schrotttechnologie“ am Anfang ihrer Existenz. Niemand von uns würde in das Flugzeug von Otto Lilienthal steigen, um damit nach Mallorca zu fliegen, und dafür auch noch bezahlen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Umso mehr brauchen wir neutrale Forschung! Deswegen brauchen wir neu- trale Forschung!)

Nein, es ist so: Die gentechnisch veränderten Pflanzen bieten keinen Nutzen für den Landwirt. Das habe ich ausgeführt. Und für die Natur ist die Gentechnik riskant, denn es gibt Kollateralschäden. Alle Schädlinge, auf die die Gentechnik zielt – – Diese Gentechnik trifft auf verwandte Schädlinge. Sie ist nicht so selektiv, weil das Bti, das Bacillus thuringiensis, als Eiweiß schon bisher als Spritzmittel eingesetzt wird, das jetzt in der Pflanze existiert. Von diesem Eiweiß wissen wir, dass es nicht nur selektiv wirkt, sondern auch andere, nämlich Nützlinge, beeinflusst.