Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

Das Wort erhält Herr Abg. Kübler.

(Abg. Peter Straub CDU zu Abg. Jochen Karl Küb- ler CDU: Hast du einen Weinberg?)

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich glaube, dass beim Thema Weinmarktordnung nahezu alle Fraktionen einer Meinung sind. Deshalb werden Sie manches sicherlich zum zweiten Mal hören.

Die EU, meine Damen und Herren, hat sich bei der Überarbeitung der Weinmarktordnung vier Optionen gesetzt. Eine

ist aber nur die einzig richtige, und zwar eine grundlegende Reform der Weinmarktorganisation. Warum sie notwendig ist, hat die Kollegin Chef schon sehr deutlich gesagt: Die europäischen Weinbauländer stehen nämlich verstärkt unter Druck durch die Weine aus der neuen Welt. Da nenne ich neben Neuseeland auch Australien, Südafrika und Chile. Viele, viele andere mehr ließen sich anführen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Alles richtig!)

Die Marktanteile der europäischen Weinbauländer sind sehr stark zurückgegangen. Die Importe sind in letzter Zeit um 10 % gestiegen. Die sogenannten Billigweine aus der neuen Welt, meine Damen und Herren, sind längst bei uns in Deutschland und in Europa angekommen und werden von den Weintrinkern leider nicht mehr abgelehnt.

Kollegin Chef, ich möchte für unsere Region noch den Lemberger erwähnen, den ich sehr gern trinke,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Nicht allein!)

und einen ganz hervorragenden Riesling von bestimmten Standorten im Hohenloher Land. Dann haben wir, glaube ich, alles abgedeckt.

(Abg. Hans Heinz CDU: Das Remstal! – Abg. Tho- mas Blenke CDU: Das Remstal sollte auch noch er- wähnt werden!)

Der Verbrauch ausländischer Weine in unserem Land ist inzwischen auf einen Anteil von 55 % gestiegen. Die Ursache dafür sind ganz klar bessere Wettbewerbsbedingungen im Ausland, geringere Kosten und weniger Vorschriften. Die Folge davon ist natürlich: Der europäische Weinmarkt steht unter Druck. Also besteht erheblicher Handlungsbedarf.

Was können wir tun, was kann die EU tun? Die EU, die im landwirtschaftlichen Bereich ja meist eine erhebliche Zahl an Vorschriften und neuen Verordnungen bringt, hat am 22. Juni dieses Jahres die Mitteilung „Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im europäischen Weinsektor“ veröffentlicht. Daraus will ich stichwortartig einige Punkte nennen:

Die Rückführung der Destillationsmaßnahmen ist aus unserer Sicht absolut okay – verbunden mit einer weiteren Verteilung und Aufteilung des nationalen Weinbudgets.

Wir sind für eine Erhaltung der Fördermaßnahmen, aber nicht für eine Entkopplung der Fördermaßnahmen wie im Agrarsektor.

Die Einschränkung der Anreicherung mit Saccharose soll erhalten bleiben. Das ist eine Forderung des Deutschen Weinbauverbands. Ob dies so durchgehen wird, da habe ich meine erheblichen Zweifel.

Es ist eine Änderung im Bezeichnungsrecht vorgesehen. Diese lehnen wir ab. Denn die Herkunftsbezeichnung ist ein Prädikat in Baden-Württemberg und in Deutschland.

Die Rodung wurde von meiner Kollegin Chef angesprochen. Wir sind in Deutschland sehr zurückhaltend bei die

sem Rodungsprogramm und möchten davon Abstand nehmen.

Was können und was müssen wir für unsere Winzer und Weinbauern tun, meine Damen und Herren? Die grundsätzliche Ausrichtung der EU ist okay. Aber es sind einige vorsichtige Schritte zu gehen. Ich zähle sie auf:

Die Erhaltung der traditionellen Kellerwirtschaft muss Ziel sein.

Wir lehnen die Aufhebung des Anbaustopps ab. Denn darüber sollen die Regionen selbst entscheiden. Je nach Region, je nach Gebiet, je nach Lage soll darüber selbst entschieden werden.

Wir sind für die Beibehaltung des Verschnittverbots von Drittlandsweinen, denn, meine Damen und Herren, wir möchten auch in Zukunft in Baden-Württemberg noch reinen Wein einschenken.

Wir sind für die Wahrung der weinbaulichen Tradition, der hohen Qualität und der regionalen Typizität. Auch diese soll erhalten bleiben.

Ein besonderes Augenmerk muss auf die Verbesserung unserer Vermarktungsstrukturen und auf die Unterstützung regionalspezifischer Kooperationsmodelle in unserem Land gelegt werden.

Baden-Württemberg hat eine Entschließung für den Bundesrat erarbeitet und ist dabei auf großen Konsens mit den Weinbau treibenden Ländern in Deutschland gestoßen. Wir müssen weiterhin das Image des baden-württembergischen und des deutschen Weins stärken.

Ich darf am Schluss auch ein Lob an unsere Winzer und Weingärtner im gesamten Land aussprechen. Sie sorgen dafür, dass wir über den Wein und über die Regionen Werbung in Deutschland und Europa haben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Die Winzerinnen auch!)

Ich verspreche mir eine Umsetzung dieser Weinmarktordnung während der deutschen EU-Präsidentschaft im nächsten Jahr. Darauf hoffen wir. Unsere Angela Merkel wird das mit ihrer Regierung schon schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Winkler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kübler, wenn Sie gerade eben die Winzer loben und fast schon lobpreisen, dann sage ich Danke schön. Ich zähle mich dazu.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Gern geschehen! – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Taugt er was? – Zuruf von der CDU: Sagen Sie auch etwas zu den Weintrinkern!)

Auf der Tagesordnung steht heute ein Antrag zum Thema „Auswirkungen der Reform der EU-Weinmarktordnung“. Meine Damen und Herren, das ist ein absurder Titel und ein

absurder Antrag. Es gibt gar keine EU-Weinmarktordnung. Man ist erst dabei, sich eine zu überlegen. Man weiß noch nicht annähernd, wie sie aussehen wird, und hat vier Vorschläge dafür. Also kann man nicht annähernd sagen, was das Ergebnis einer Weinmarktordnung ist. Insofern könnte man den Antrag einstampfen, und wir treffen uns in vier Jahren wieder.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP: Dann wäre es zu spät, Herr Kollege! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist ein typischer FDP/DVP-Antrag!)

Natürlich nicht, richtig. Wir werden uns schon damit befassen müssen, was überhaupt in der Pipeline und was geplant ist. Aber warum müssen wir uns damit befassen? Warum müssen wir uns mit einer Weinmarktordnung befassen, meine Damen und Herren? Meine Damen und Herren, ich mache jetzt keine Werbung. Schauen Sie nicht auf den Hersteller.

(Der Redner hält ein Schaubild mit Weinwer- bung in die Höhe.)

Hier werden zwölf Weine angeboten, und keiner über 2 €, einer sogar unter 1 €. Drei davon sind deutsche, und die anderen neun sind ausländische Weine. Wenn so die Zukunft des deutschen Weines aussieht,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann gute Nacht!)

dann sind wir zu spät dran. Dann müssen wir uns dringend damit befassen.

(Beifall des Abg. Hans-Martin Haller SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Der ist zum Blumengießen! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ja, was denn jetzt? Sollen wir oder sollen wir nicht?)

Das ist die große Gefahr. Wenn ich das so hoch halte, dann sieht man auch, wohin der Trend geht: In zehn Jahren gibt es in Deutschland keinen Weinproduzenten mehr, der Weine zu diesen Preisen herstellen kann. Das ist ganz klar. Das geht in anderen Gegenden, z. B. in Kalifornien, wo Mexikaner als Billigarbeiter arbeiten und wo man mit einem Vollernter durchrauschen kann und die Löhne nichts kosten.

Bei uns ist das anders. Die Vorschläge zur Weinmarktordnung lauten ja, die Überproduktion abzubauen, dem Preisverfall entgegenzuwirken und die Lager- und Destillationskosten abzubauen. Das ist nötig. 1,3 Millionen € gibt die Europäische Union für den Wein aus, und die Hälfte davon für die Destillation und Lagerung von Wein, der nicht gebraucht wird, weil dieser Alkohol überhaupt nicht gebraucht wird. Er lässt sich industriell viel besser herstellen. Man könnte ihn vielleicht kostenlos an diejenigen, die ein alkoholfreies Bier bestellen, anstelle eines zusätzlichen Schnapses abgeben, aber sonst gibt das keinen Sinn.

(Heiterkeit)

Nein, dieses Geld wird für etwas ganz Wichtiges gebraucht, nämlich für Marketingmaßnahmen zur Erschließung neuer Märkte. Wir bewirtschaften in der EU 45 % der Weltweinfläche und trinken 60 % der Weltweinmenge. Das bedeutet, dass wir der größte Importeur von Weinen in der Welt sind.

Die neuen Weinländer zeichnen sich durch Folgendes aus: Südafrika, Amerika, Chile – sie sind genannt worden – sind Weinländer, die nicht in der Tradition selbst Wein trinken und ihre großen Weinmengen im Grunde alle loswerden müssen. Das ist unser Problem. Bisher waren Weinländer, die exportiert haben, gleichzeitig diejenigen, die in ihrer Tradition Wein konsumiert haben. Die Franzosen haben mit über 50 Liter pro Kopf doppelt so viel konsumiert wie wir. Dort nimmt der Konsum stark ab. Bei uns hält sich der Weinverbrauch im Gegensatz zum Bier noch einigermaßen. Das heißt, Wein ist bei uns eben ein wichtiges Nahrungsmittel. Das ist auch richtig so. Er ist nicht nur ein Genussmittel, sondern ein wichtiges Nahrungsmittel.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Also zum Einrei- ben nehmen wir ihn nicht!)

Welche Optionen gibt es in der EU? Da gibt es eine große Bandbreite. Die einen wollen alles lassen, wie es ist – da wissen wir, dass es so nicht weitergeht; wir können es nicht so lassen. Die anderen wollen alles freigeben und liberalisieren: weg mit Schranken und Zuschüssen. Dann können wir ganz einpacken, weil wir dann mit den anderen nicht konkurrieren können.

In der EU wird auch widersprüchlich argumentiert. Es wird gefordert, Flächen abzubauen, weil wir nicht so viel Wein brauchen und kein Geld für die Destillation ausgeben wollen. Das ist richtig: Diese Flächen gehören herausgenommen, denn dieser Wein verkauft sich nicht. Er ist kein Qualitätswein, und wir brauchen ihn nicht.

Gleichzeitig wird gesagt: Im Jahr 2010 oder 2013 beenden wir den Anbaustopp; dann könnt ihr wieder Wein anbauen. Es ist Irrsinn, jetzt Prämien für die Rodung von Flächen zu bezahlen und 2013 alle Flächen wieder zum Anbau freizugeben. Das ist Unsinn. Die jetzigen Anbauflächen sind die Flächen, die Qualitätswein bieten und dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die europäischen Weine, die deutschen und die badischen Weine sind wichtig, weil sie Qualitätsweine sind.