Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

Die Frage der Akzeptanz der Imame ist eine Kernfrage, bei der es aber keine Garantie gibt. Ich kann also die Frage der Weiterbildung gern aufgreifen und auch in das Konzept der Universität Tübingen einbeziehen. Aber das Gelingen des Konzepts hängt davon ab, dass die Imame akzeptiert werden. Dafür ist das Beiratsmodell wesentlich. Dieses Modell ist weit gediehen. Es gibt aber keine Garantien. Der Islam hat keine Kirchenverfassung, schon gar keine römisch-katholische.

(Heiterkeit des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Ich bin in dieser Hinsicht selbst „rechtgläubig“, insofern kann ich das sagen. Wir sind also darauf angewiesen, dass das Bei ratsmodell und die Ausbildung akzeptiert werden.

Das Gleiche gilt für die Frage: Was ist, wenn jemand im Grun de genommen nicht mehr tragbar ist? Ein solches Problem ist bei Kirchen leichter zu lösen, aber auch dort haben wir schwie rige Fälle zu lösen gehabt. Hier müssen wir darum werben, dass dieses Modell akzeptiert wird. Wir müssen den Beirat so aufbauen, dass sich möglichst alle muslimischen Glaubens richtungen darin wiederfinden. Wir müssen einfach die Ak zeptanz herstellen.

Man muss auch immer bedenken, dass es inzwischen an un seren Universitäten viele integrierte Muslime, überwiegend türkischer Herkunft, gibt, die inzwischen nur noch so wenig Türkisch können, dass sie in der Moschee der türkischspra chigen Predigt gar nicht mehr folgen können. Denen geht es also ungefähr so wie früher manchem Katholiken bei der Lateinischen Messe. Man wusste zwar, wovon der Priester sprach, aber man wusste nicht genau, was gesagt wurde. Auch das müssen wir berücksichtigen. Diese Bürger werden dann – das ist ja nichts Negatives – in die Moschee gehen und in der einzigen Sprache, die sie wirklich beherrschen, nämlich in Deutsch, die Predigt hören können. Das ist dann für beide Seiten ein großer Gewinn.

Vielen Dank.

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Kluck das Wort.

Herr Minister, wird die Lan desregierung Kontakt mit der türkischen Religionsbehörde aufnehmen, die ja bisher, zumindest für diese DITIB-Mo scheen, Imame geschickt hat?

Zweitens: Ich hatte schon einmal gefragt, ob das Wissen schaftsministerium meine Auffassung teilt, dass Tübingen der richtige Standort ist. Das brauchen Sie jetzt nicht mehr zu be antworten. Das hat der Wissenschaftsrat gut beantwortet. Aber ist die Landesregierung auch der Auffassung, dass die Päda gogische Hochschule Ludwigsburg, die eine Außenstelle in Reutlingen hat – Frau Kollegin Rastätter hat das Thema an gesprochen –, im Fortgang des Verfahrens sehr gut kooperie ren könnte?

Bitte, Herr Minister.

Zu der ersten Frage kann ich nur sagen, dass für die DITIB zunächst Tübingen im Gespräch ist. Man muss sagen, dass sich bei uns im Ministerium durch den gan zen Vorgang inzwischen ein wahres Expertentum in Sachen Islamwissenschaft herausgebildet hat; es gibt dabei einen he rausragenden Experten, der diese Dinge nicht nur alle be herrscht, sondern auch die Kommunikation macht und zu al len Tagungen entsprechender Art geht.

Zu der zweiten Frage kann ich nur sagen: Ludwigsburg ist auch nach allen Evaluationen eine unserer wirklich guten Pä dagogischen Hochschulen – ohne andere als nachrangig zu würdigen.

Für die Fraktion GRÜ NE darf ich Frau Abg. Bauer um die nächste Frage bitten.

Herr Minister Frankenberg, ich möchte an die Fragen von Frau Kollegin Rastätter an schließen. Erstens zur Transparenz des Verfahrens: Sie sag ten, Transparenz sei dadurch hergestellt, dass der Wissen schaftsrat eine Gutachterkommission dazu bestellt hatte. Ich glaube, mit „Transparenz“ ist etwas anderes gemeint, nämlich die Einbindung der Expertise, die auch hier im Haus ist, die etwa im Schulausschuss und im Wissenschaftsausschuss ver sammelt ist, und der Expertise der muslimischen Organisati onen.

Dazu kann ich Ihnen eine Rückmeldung geben. Wir hatten im Sommer ein Gespräch mit muslimischen Verbänden. Dabei mussten wir feststellen, dass mitnichten Transparenz herge stellt war, dass sie nicht über die verschiedenen Konzepte, die vorlagen, informiert waren, sondern nur eine Teilinformation erhalten hatten.

Das hat uns alarmiert. Wir haben festgestellt, dass sie über haupt nicht darüber ins Bild gesetzt worden waren, dass das Thema „Ausbildung von islamischen Religionslehrern“ zum jetzigen Zeitpunkt als Entscheidungskriterium für die meis ten Kinder, die in unsere Schulen gehen, ohne Relevanz ist. Denn in den Gymnasien ist derzeit nun einmal leider nur ein verschwindend geringer Anteil von muslimischen Kindern. Wenn man jetzt also ein islamisches Zentrum aufbaut und sagt: „Zunächst einmal beschränken wir uns auf die Gymna siallehrerausbildung“, dann nützt das den muslimischen Kin dern, die hier leben, relativ wenig.

Deswegen bitte ich Sie erstens darum, darzustellen:

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wollen Sie die mus limischen Kinder vom Gymnasium fernhalten?)

Warum haben Sie nicht den Weg gewählt, im Dialog mit den Verbänden und dem Landtag zu einer Abwägung der verschie denen Aspekte zu kommen?

Insbesondere interessiert mich die Antwort auf den zweiten Teil meiner Frage: Warum haben Sie sich dafür entschieden, beim Thema „Ausbildung von islamischen Religionslehrern“ zunächst die Gymnasiallehrerausbildung anzugehen und erst zu einem späteren Zeitpunkt die Ausbildung für all diejenigen Schularten, die für diese Kinder eigentlich relevanter wären, zu verstärken?

Bitte, Herr Minister.

Ich beantworte zunächst den zweiten Teil Ihrer Frage: Seit Jahren laufen nun die Modellversuche – sie werden ausgeweitet – für die Ausbildung von Religionsleh rern an Grund-, Haupt- und Realschulen.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Grund- und Hauptschulen. – Das heißt, wir haben mit der Ausbildung für genau die Schularten begonnen, die Sie ange sprochen haben. Es ist genau so, wie Sie es haben wollen. Es läuft schon so.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Aber nicht mit der regulären Lehrerausbildung!)

Das Zweite: Das Konzept des Wissenschaftsrats sieht vor, dass die Imamausbildung im Vordergrund steht. Dem folgt die Aus bildung von Religionslehrern an Gymnasien. Es hat auch ei ne gewisse inhaltliche Logik, wenn man den Aufbau der Is lamwissenschaft eben als Aufbau eines wissenschaftlichen Bereichs sieht.

Was die Transparenz betrifft: Beide Seiten haben sich sehr umfangreich bemüht, alle muslimischen Gemeinschaften ein zubeziehen. Das gilt besonders für Tübingen. Wir haben die se Gespräche auch geführt.

Diese Frage ist auch von den beiden Islamgelehrten und der Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrats, die die Konzepte ge prüft hat, in den Vordergrund der Prüfung gestellt worden. Die haben gesagt: In Tübingen ist die Einbeziehung so weit ge diehen, dass man sich darauf wirklich verlassen kann und sie das beste Fundament für die Beiratslösung – darum geht es – ist.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion Herr Abg. Kaufmann.

Herr Minister Frankenberg, ich komme auf die Frage der Ausbildung von Religionspäda gogen zurück. Meine Vorrednerinnen haben in ihren Fragen schon zum Ausdruck gebracht, dass insbesondere der Bedarf an Grund-, Haupt- und Realschulen eine wichtige Rolle spielt und dass sowohl an den Pädagogischen Hochschulen Heidel berg und Freiburg als auch an der Pädagogischen Hochschu le Karlsruhe seit vielen Jahren die entsprechenden Modellvor haben und Ansätze vorhanden sind.

Ich muss daher noch einmal nachfragen: Inwieweit möchten Sie islamische Religionspädagogik in eine klassische Lehrer ausbildung mit entsprechenden Prüfungen überführen, sodass diese Lehrkräfte dann auch an den genannten Schulen zur Ver fügung stehen? Das ist meines Erachtens im Moment nicht der Fall.

Vorhin wurde schon angedeutet, dass Sie sich mit diesem Stu diengang in Tübingen zunächst einmal auf die Ausbildung der Lehrer an den Gymnasien konzentrieren wollen. Deshalb ist es schon von Interesse, wie es an den von mir genannten Hochschulen weitergehen soll und wann dies tatsächlich Be standteil der Lehrerbildung sein kann.

Herr Minister, bitte.

Herr Kaufmann, die Modellversuche lau fen in einer Hinsicht sehr gut, in einer anderen Hinsicht aber eher unbefriedigend. Wir würden gern an mehr Pädagogischen Hochschulen ausbilden und auch den von Ihnen skizzierten Weg gehen. Wir haben aber zu wenig Bewerberinnen und Be werber. Es gibt viele, die dieses Fach studieren wollen, aber nur wenige davon sind muslimischen Glaubens. Wenn wir nicht genügend Studierende muslimischen Glaubens haben, die Religionspädagogik studieren wollen, nützt eine Auswei tung nichts.

Wir wären heilfroh, wenn wir an den Standorten, die dies an bieten, die Plätze mit Lehramtskandidaten muslimischen

Glaubens besetzen könnten. Denn natürlich wird kein protes tantischer Religionslehrer, der islamische Religionspädago gik studiert hat, für den islamischen Religionsunterricht ak zeptiert. Das ist die Hürde, die wir überwinden müssen. Wenn wir dies schaffen, sind wir auch in der Lage, die Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen auszuweiten und sozusa gen in ein normales Fach zu überführen.

Vielen Dank. – Jetzt er teile ich Herrn Abg. Kluck für die FDP/DVP-Fraktion das Wort.

Herr Minister, Ihre soeben er folgten Ausführungen sollen aber keine Aufforderung sein, zu konvertieren?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP und der SPD)

Nein.

Frau Abg. Rastätter für die Fraktion GRÜNE, bitte.

Ich möchte doch noch ein mal eine Nachfrage zur Ausbildung von islamischen Religi onslehrern für die Grund-, Haupt-, Werkreal- und Realschu len stellen. Bisher gibt es an den Pädagogischen Hochschu len lediglich einen zweisemestrigen Erweiterungsstudiengang. Die Pädagogischen Hochschulen haben ein großes Interesse daran, dass daraus eine ordentliche Lehramtsausbildung für islamische Religionspädagogik entwickelt wird. Das heißt, im Grunde genommen haben sie schon die Module entwickelt. Jetzt müsste die Umsetzung erfolgen.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Dann könnte man auch das Problem der fehlenden Bewerber lösen. Denn jetzt haben wir die Situation, dass es in BadenWürttemberg Lehrkräfte muslimischen Glaubens gibt, die den Erweiterungsstudiengang absolviert haben und nicht in den Schuldienst eingestellt werden. Im Augenblick ist das ein grö ßeres Problem. Die Bewerber sind da und würden sich auch gern für ein ordentliches Fach ausbilden lassen. Ich kenne aber das Beispiel zweier junger Lehrerinnen, die dann keine Ein stellung bekommen haben.

Daher ist meine Frage: Wäre es nicht zielführend, jetzt mit der Lehramtsausbildung für islamische Religionspädagogik an den Pädagogischen Hochschulen zu beginnen und dies sofort mit der Universität zu verzahnen, anstatt sich auf die Lehr amtsausbildung für Gymnasiallehrkräfte zu konzentrieren? Dort haben wir im Augenblick noch nicht den Bedarf – wir werden ihn hoffentlich irgendwann bekommen –, weil die Kinder eben schwerpunktmäßig nicht ins Gymnasium gehen, sondern in die Grund-, Haupt- oder Realschule.

Bitte, Herr Minister.

Die Voraussetzung dafür, dass wir die Aus bildung an den Pädagogischen Hochschulen aufbauen und ausweiten, ist, dass es überhaupt genügend Islamwissenschaft ler und Islamwissenschaftlerinnen gibt. Denn damit Studie

rende in diesem Fach als Vollfach ausgebildet werden kön nen, brauche ich Professorinnen und Professoren, die selbst in den Islamwissenschaften entsprechend wissenschaftlich ausgebildet sind.

Insofern steht am Anfang eigentlich weder die Frage nach ei ner Lehramtsausbildung für das Gymnasium noch die Frage nach der Imamausbildung, sondern an der Basis steht die Fra ge nach der Einrichtung eines islamwissenschaftlichen Fach bereichs, an dem Islamwissenschaft im Sinne universitärer Wissenschaft betrieben wird und an dem sich die nächste Ge neration von Wissenschaftlern qualifiziert, die dann eigentlich erst Islamwissenschaft an den Hochschulen zum Zweck der Religionslehrerausbildung ausüben können.

Denn in einem Beifach kann ich leichter ausbilden. Für ein volles Studienfach brauche ich dagegen natürlich auch an den Pädagogischen Hochschulen entsprechende Professorenstel len – das ist das Leichtere – und entsprechend qualifizierte Kandidaten. Dafür muss ich erst einmal die Islamwissenschaft ausbauen.