Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen sind übereingekom men, Punkt 8 von der Tagesordnung abzusetzen.

Ich rufe deshalb Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Ernährung und Ländlichen Raum – Kein Patent auf Tiere und Pflanzen – Drucksache 14/4544

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Ausführungen mit einem Zitat beginnen:

Im Grundgesetz wurde dem Tierschutz Verfassungsrang gegeben – und im Patentrecht werden Tiere und Pflanzen mit Toastern und Staubsaugern gleichgestellt. Das passt nicht zusammen! Tiere und Pflanzen sind keine Erfindun gen des Menschen.

Das sagte Herr Mörsdorf, der ehemalige saarländische Um weltminister, der der CDU angehört. Er begründete damit sei ne Zustimmung zur Bundesratsinitiative des Landes Hessen zum Verbot der Patentierung von Pflanzen und Tieren. Kon kret forderte das Bundesland Hessen, eine Patentierung von Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen und Tiere sind, künf tig auszuschließen, wenn sie auf klassischen Züchtungsme thoden wie Kreuzung und Selektion beruhen.

Nun sieht aber die Hessische Landesregierung ein Patent auf Tiere und Pflanzen grundsätzlich sehr kritisch und hat deshalb in ihrer Bundesratsinitiative noch das weiter gehende Ziel for muliert, dass der Erwerb von Patenten auf Tiere und Pflanzen sowie deren Fortpflanzungsprodukte, die aus patentierten Ver fahren hervorgehen, untersagt wird.

Wir Grüne unterstützen diese Forderungen in vollem Umfang und fordern die Landesregierung hier auf, diese hessische In

itiative zu unterstützen und sich bei der Bundesregierung für ein grundsätzliches Verbot der Patentierung von Tieren und Pflanzen einzusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Aktuell liegen dem Bundestag auch zwei Anträge der Grünen und der SPD vor – die Initiativen wurden im Juni und im Ju li dieses Jahres eingebracht –, mit denen die Bundesregierung ebenfalls aufgefordert wird, sich für eine Änderung der EURichtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Er findungen einzusetzen und damit eben ein Verbot der Paten tierung von Tieren und Pflanzen zu erreichen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist es zwingend, dass diese Richtlinie geändert wer den muss, denn das Europäische Patentübereinkommen ver bietet zwar Patente auf Pflanzensorten und auf Tierrassen, aber Patente auf Pflanzen und Tiere werden durch die EU-Richtli nie 98/44 ausdrücklich erlaubt. Inzwischen gibt es über 1 000 Patente auf Tiere und auf Pflanzen; darunter sind auch Paten te auf Nutztiere wie Schweine und Rinder sowie auf Nutz pflanzen wie Brokkoli, Sojabohnen, Weizen oder Sonnenblu men, das heißt, Patente auf Tiere und Pflanzen, die entweder durch genetische Verfahren oder durch konventionelle Züch tungsverfahren erzeugt wurden.

Das zeigt uns doch ganz klar: Das Verbot der Patentierung von Pflanzensorten und Tierrassen, wie es das Europäische Patent amt vorschreibt, ist weitgehend wirkungslos.

Es gibt natürlich gelegentlich auch Ausnahmen. Erst aufgrund von Massenprotesten von Bauern und Bauernverbänden so wie von Umweltorganisationen Mitte letzten Jahres in Mün chen wurde z. B. ein Schweinepatent zur Selektion von Tie ren durch Markergene verhindert. Dennoch zeigt die gesam te Entwicklung durch die massive Zunahme der Zahl von Pa tenten auf Tiere und Pflanzen das wachsende Risiko der Mo nopolisierung von genetischen Ressourcen. Die Gefährdung der genetischen Ressourcen nimmt dadurch nicht nur bei uns, sondern auch weltweit zu. Es kommt faktisch zu einer schlei chenden Enteignung der Allgemeinheit.

Nun enthält auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP – vielleicht haben Sie sich entsprechend sachkundig gemacht – das Ziel eines Verbots der Patentierung von Tieren und Pflanzen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Hier gibt es eine grundlegende Übereinstimmung. Das ist an sich ein erfreulicher Sachverhalt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

In der Praxis ist es allerdings so – daran entzündet sich auch die Kritik von uns Grünen –, dass sich die Bundesregierung und die Bundestagsfraktionen leider als Bremser erweisen. Es kommt hier zu einer unglücklichen Verzögerungstaktik. Im Bundesrat wurde die Initiative Hessens auf Eis gelegt mit der Begründung, man wolle erst abwarten, wie die Entscheidung über die Beschwerde gegen das Brokkolipatent vor der Gro ßen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts aus fällt. Das ist momentan der Stand.

Genauso verhält sich die CDU/CSU-FDP-Koalition im Bun destag, indem sie zum Ausdruck bringt: Wir sind zwar grund sätzlich für ein Patentierungsverbot, aber wir wollen erst ein mal die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts abwarten.

(Abg. Elke Brunnemer CDU: Das ist auch der rich tige Weg!)

Die Landesregierung von Baden-Württemberg argumentiert in der Stellungnahme zu unserem Antrag ebenso. Ich muss da zusagen – unser Antrag ist ja schon älter –: Die Stellungnah me der Landesregierung zu unserem Antrag unterscheidet sich sogar völlig von den Aussagen, die von der CDU/CSU-FDPRegierungskoalition aus Berlin kommen, indem sie u. a. zum Ausdruck bringt, dass sie überhaupt keinen Handlungsbedarf sehe, die EU-Richtlinie strenger und klarer zu formulieren. Insofern erwarte ich heute eine Klarstellung von den Regie rungsfraktionen und von der Landesregierung, dass die Posi tion so, wie sie in der Stellungnahme zu unserem Antrag steht, nicht mehr aufrechterhalten wird, sondern dass Sie im Gegen satz dazu inzwischen auch ein Verbot der Patentierung von Tieren und Pflanzen anstreben.

Ich möchte aber noch betonen, dass für mich das Ziel dadurch noch nicht erreicht ist. Sie wissen, dass es keine Kontrollins tanz für das Europäische Patentamt gibt. Die Große Beschwer dekammer ist ein Eigengremium. Das heißt, unabhängig da von muss das Signal ausgehen, dass man diese strengeren Re gelungen will. Es kann nicht sein, dass immer dann, wenn wieder ein Patent erteilt werden soll und die Bauernverbände und Umweltorganisationen dagegen Sturm laufen, erst wie der mit allen Mitteln versucht werden muss, die Vergabe des Patents zu verhindern. Hier müssen klare, transparente Regeln geschaffen werden. Die Richtlinie muss geändert werden.

Deshalb erwarte ich, dass Sie, wenn Sie schon dieser Auffas sung sind, unserem Antrag zustimmen, der genau dies begehrt. Wir brauchen hier keine weitere Verzögerungstaktik, sondern einen neuen Umgang mit Patenten auf biologische Verfahren, wonach die Erteilung von Patenten auf Tiere und Pflanzen ein für alle Mal beendet wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Rombach für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema „Patente auf Tiere und Pflanzen“ gibt es in der Tat unterschiedliche Be trachtungsweisen und unterschiedliche Auffassungen.

Einerseits erfordern Entwicklungen und Forschungen, wie wir alle wissen, auch im Bereich Biotechnologie hohe Investitio nen, die nur durch einen wirksamen Schutz für die entspre chenden Akteure rentabel sind. Ein derartiger Schutz in Ver bindung mit einem Verwertungsrecht ist die zentrale Voraus setzung dafür, dass auf dem Gebiet der Biotechnologie über haupt Investitionen getätigt werden. In einem wissenschafts- und wirtschaftsorientierten Land wie Baden-Württemberg sind Forschung und Entwicklung insgesamt der Motor für die betroffenen Wirtschaftszweige.

Andererseits ist klar, dass unsere natürlichen Lebensgrundla gen zu schützen sind. Patente auf Tiere und Pflanzen hemmen den Züchtungsfortschritt, weshalb auch ich persönlich und insbesondere der bäuerliche Berufsstand solche Patente grund sätzlich ablehnen

(Beifall des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Ja, genau!)

und eine Änderung der Biopatentrichtlinie fordern. Das ha ben Sie angesprochen. Der Weg ist im Grundsatz – das kön nen wir, glaube ich, feststellen – nicht unstrittig. Sie sind aus führlich darauf eingegangen, Frau Rastätter, was den Antrag von Hessen anbelangt.

Ich stelle fest, dass in der Stellungnahme alle Fragen aus dem Antrag ausführlich beantwortet sind. Insoweit kann der An trag vom Grundsatz her als behandelt betrachtet werden.

Zu dem zuletzt von Ihnen genannten Punkt, was die Bundes ratsinitiative anbelangt: Ich bin immer dafür, dass ein zielfüh render Weg eingeschlagen wird – aber maßvoll. Ich glaube, dass die in der Stellungnahme der Landesregierung zu Ihrem Antrag enthaltene Aussage, dass die Initiative zur Änderung der Biopatentrichtlinie so lange ausgesetzt werden soll, bis die Entscheidung der Beschwerdekammer vorliegt, einen Weg in die richtige Richtung aufzeigt. Deshalb werden wir dem fol gen und den Sachverhalt weiterhin aufmerksam im Auge be halten, um die Zusammenhänge auch entsprechend sachge recht beurteilen zu können. Damit werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Re nate Rastätter GRÜNE: Schade!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Winkler für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rombach, exakt der letzte Satz in Ihrer Rede stört. Denn genau das Gegenteil wä re richtig gewesen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Am 16. Juli 2008 hat das Europäische Patentamt in München ein Patent auf die Zucht von Schweinen mit der Nummer EP 1651777 erteilt.

(Abg. Hans Heinz CDU: Das war jetzt interessant!)

Das Patent basiert auf der Nutzung von Erbanlagen, die bei allen Schweinerassen vorkommen, und es wurde ursprünglich von Monsanto angemeldet. Es bezieht sich auf ein Verfahren zur Gendiagnose von Schweinen, die durch die Fütterung von gentechnisch verändertem Mais bestimmte Fähigkeiten ent wickeln.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Welche?)

Aber der Erfolg bzw. der Effekt des Patents wäre, dass jeder Nachkomme dieses Schweines unter diesen Patentschutz fal len würde.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Schweinerei!)

Dabei muss man sagen: Es gibt in diesem strittigen Punkt schwierige Diskussionen bezüglich des Europäischen Patent amts. Denn dieses umstrittene Patent ist mittlerweile wieder zurückgezogen worden. Sie haben das vorhin erwähnt.

Buchstaben und Sinn des Gesetzes klaffen auseinander. Ich zitiere aus dem Patentgesetz, § 2 a Abs. 1:

Patente werden nicht erteilt für