Protokoll der Sitzung vom 28.10.2010

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Im Herbst 2010 haben wir eine bessere Situation bei den Ge treidepreisen und auch bei den Milchpreisen. Im September lag der Auszahlungspreis bei 32,9 Cent. Ich darf hinzufügen, dass das nur eine Zwischenstation nach oben sein darf. Wir haben stabile Kartoffel-, Obst- und Gemüsepreise. Die Schlachtschweinepreise sind leider weiterhin unter starkem Druck. Die Kostenseite wird aber auch durch steigende Prei se bei den Dünge- und Futtermitteln belastet.

Ist jetzt alles gut, und können wir uns zurücklehnen, meine Damen und Herren? Nein. Gerade die Milchwirtschaft ist ein wichtiger und bedeutender Teil der Agrarwirtschaft. Sie er zeugt ein Viertel des Produktwerts der Landwirtschaft insge samt. Im Jahr 2008 waren dies 1,1 Milliarden €. Die Molke reibranche leistet übrigens einen großen Anteil zum Export des Landes Baden-Württemberg. „Made in Germany“ ist al so nicht nur bei Autos und Maschinen gefragt. Dies gilt auch für hochwertige Produkte der Landwirtschaft, auch aus der Milchwirtschaft unseres Landes.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Milch in Germany!)

Wie bereits gesagt: Die Landwirtschaft kommt aus einem tie fen Tal niedriger Erzeugerpreise im Wirtschaftsjahr 2008/ 2009. Der Milchmarkt war intensiv betroffen. Es gab Liqui ditätsengpässe und Existenzsorgen. Solche Entwicklungen können sich sehr schnell umkehren, wie wir jetzt sehen.

Es ist mittlerweile ein geflügeltes Wort: Was geht es uns an, wenn in China ein Sack Reis umfällt? Es geht uns sehr wohl etwas an, wenn in China ein Sack Reis umfällt; denn aufgrund der Globalisierung hat das sehr wohl Auswirkungen in Deutschland und auch in Baden-Württemberg.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Bis ins Allgäu!)

In Zukunft ist also weiterhin mit Markt- und Preisschwankun gen zu rechnen. Nichtsdestotrotz setzen wir alles daran, die Landwirtschaft in unserem Bundesland wettbewerbsfähig zu halten und sie noch wettbewerbsfähiger zu machen.

Meine Damen und Herren, wir als Union haben unsere Bau ern in der Krise nicht im Stich gelassen. Ich zähle auf, welche Maßnahmen wir ergriffen haben: Liquiditätsdarlehen, Über brückungsdarlehen auf dem Kapitalmarkt, steuerliche Erleich terungen. Wir haben auch geholfen, als das Maiunwetter im Jahr 2009 unsere Obstbauern am Bodensee und im Oberland so hart getroffen hat. Wir haben etwas bei der Agrardieselbe steuerung getan, beim Selbstbehalt und bei der Obergrenze. Wir haben übrigens auch Dinge zugunsten der Landwirtschaft wieder zurückgebaut, die unter Rot-Grün beschlossen worden sind und sich als belastend erwiesen haben.

Wir haben das Agrarinvestitionsprogramm nochmals ver stärkt. Ich möchte ausdrücklich dafür danken, dass wir zusätz liche Mittel im Landeshaushalt bereitgestellt haben, nämlich zweimal 3 Millionen €.

Wir haben die Beratung und die Bildung im Bereich des Schwarzwalds intensiviert – in Baden-Württemberg-Nord, in Schwäbisch Hall und auch im Oberland. Das Landwirtschaft liche Zentrum Baden-Württemberg in Aulendorf berät zurzeit 200 Betriebe. Das Angebot, die Betriebe wettbewerbsfähig zu machen, kommt also sehr gut an.

Ich möchte die Marktstrukturförderung für die Molkereibran che ansprechen. Immerhin wird hier ein Investitionsvolumen von 42 Millionen € begleitet. Auch für die angewandte For schung und Innovation sei hier ein Kontrakt des Landwirt schaftlichen Zentrums in Aulendorf und der Außenstelle in Wangen im Allgäu mit der Universität Hohenheim erwähnt.

Meine Damen und Herren, wir werden uns nicht auf irgend welchen Lorbeeren ausruhen. Das wollen wir nicht, und das können wir auch nicht. Wir müssen unsere Landwirtschaft weiterhin tatkräftig unterstützen.

Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele, wie wir als engagierte Partner der Landwirtschaft ans Werk gehen wollen. Zunächst einmal zur Ausgleichszulage und zu den Agrarumweltmaß nahmen: Wir wollen eine flächendeckende Landwirtschaft und eben nicht nur Landwirtschaft auf begünstigten Standorten. Wir setzen uns für die Ausgleichszulage ein. Sie hat sich be währt. Ich mache Ihnen da aber nichts vor: Wir müssen auch mit der EU noch hart darum ringen, dass die bisherigen Ge

bietskulissen erhalten bleiben. Die müssen wir verteidigen, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Helmut Walter Rüeck und Friedlin de Gurr-Hirsch CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Ich spreche mich auch für Agrarumweltmaßnahmen und die Weiterführung des MEKA-Programms aus. Die europäische Agrarpolitik muss auch in Zukunft auf zwei Fundamenten ste hen, nämlich der ersten und der zweiten Säule mit der entspre chenden Förderung und Unterstützung von Landwirtschaft und ländlichem Raum.

Wir müssen uns auch um die Konkurrenzsituation kümmern, die sich derzeit zwischen der Energieerzeugung in der Land wirtschaft und der Lebensmittelerzeugung durch die Land wirtschaft ergibt. Ich möchte hier heute keine inhaltliche Dis kussion vom Zaun brechen, aber wir müssen uns der Dinge annehmen, die sich da in der Praxis zeigen. Wir brauchen ei nen weiteren Bürokratieabbau, insbesondere eine Vereinfa chung bei Cross-Compliance-Kontrollen und einen Abbau von Wartezeiten bei der Investitionsförderung.

Ich sage auch: Wir müssen uns darüber unterhalten – im Sin ne eines Ziels –, inwieweit wir durch eine steuerliche Risiko rücklage – wie in der Wirtschaft – der Landwirtschaft helfen können, dürre und magere Zeiten zu überbrücken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ich spreche mich für ein landesweites Schulmilchprogramm aus – landesweit! –, für das es in unserem Land bereits gute Ansätze gibt. Das müssen wir weiterführen.

Ich spreche mich auch für Lokalisierung und Globalisierung aus. Das heißt „Von hier für hier“, aber auch, dass wir auf dem Weltmarkt bestehen können, wie vorhin schon erwähnt wur de.

Jetzt darf ich mich auch einmal an die Zuhörerinnen und Zu hörer hier im Saal wenden: Ich danke den Verbrauchern. „Geiz ist geil“ ist Gott sei Dank vorbei und muss bei den Lebens mitteln, wenn es um etwas geht, was uns mit Essen und Trin ken am Nächsten kommt, tabu sein. Sie kaufen bewusst ein, sie kaufen regional ein und helfen und unterstützen damit die Landwirtschaft. Ob es der Landwirtschaft gut geht und ob sie bestehen kann, meine Damen und Herren, entscheiden auch Sie an der Ladentheke. Unterstützen Sie weiterhin unsere Landwirtschaft aus der Region und für die Region, meine Da men und Herren!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landwirtschaft ist ein wichtiger und unverzichtbarer Wirtschaftszweig in BadenWürttemberg. Wir – das Land und auch die CDU-Landtags fraktion – sind verlässlicher Partner der Bauernfamilien in un serem Land.

(Zuruf von der CDU: Sehr verlässlich! – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Schon immer gewesen!)

Wir vertreten handfeste Positionen. Wir sind für Klarheit, Wahrheit, Vertrauen und Verlässlichkeit, meine Damen und Herren.

In der Aussprache wird Kollege Karl Rombach als einziger Milchviehhalter im Landesparlament – das darf ich auch ein mal feststellen – aus der Praxis vortragen und sich übrigens – davon bin ich überzeugt – wohltuend von so manchem agrar politischen Pillepalle abheben, wie wir es vor allem von Kol legen der Grünen schon gehört haben.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe zwei Bekanntgaben zu machen: Erstens will ich versuchen, Punkt 5 der Tagesordnung noch vor der Mittagspause aufzurufen. Deshalb hoffe ich auf Ihre Diszip lin hinsichtlich der Redezeit, weil wir das andernfalls nicht hinbekommen. Dieser Punkt wird auf keinen Fall abgesetzt.

Zweitens zum Thema Milch: Ich warte noch immer darauf, dass eine Fraktion hier eine Debatte über die Schnapsbrenne rei veranstaltet. Es wäre vielleicht attraktiver, einmal eine sol che Sitzung zu leiten.

(Heiterkeit – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber nur, wenn statt Wasser dann etwas anderes ausge schenkt wird!)

Jetzt bekommt für die SPD-Fraktion Herr Abg. Winkler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den Vorschlag des Präsidenten kann man aufnehmen, aber er ist bezüglich der Auswirkung von Probegetränken mit Vorsicht zu genießen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nur ohne Alkohol!)

Meinen Beitrag zur Aussprache über diesen Antrag mit dem Thema „Wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft in Ba den-Württemberg“ möchte ich mit einer Bemerkung über Ku wait, China und Indien beginnen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Kuwait?)

Kuwait, China und Indien sind die großen Landaufkäufer der Welt. Sie kaufen zurzeit und seit Jahren in der Dritten Welt in großem Maßstab landwirtschaftliche Flächen auf, in den Drit te-Welt-Ländern, die ihre Ernährung selbst nicht sichern kön nen. Es geht darum, dass zurzeit bei der Produktion landwirt schaftlicher Erzeugnisse und bei landwirtschaftlichen Flächen ein Wettbewerb um Kapital und um zukunftssichernde Ernäh rung weltweit hergestellt wird. Wenn wir uns dessen bewusst sind, wissen wir auch um den Stellenwert der eigenen Land wirtschaft vor Ort, und damit komme ich wieder zum Thema zurück.

Die Weltmarktpreise der landwirtschaftlich nutzbaren Grund stücke explodieren. Wir hatten 1950 pro Kopf der Bevölke rung doppelt so viel landwirtschaftliche Produktionsfläche zur Verfügung wie heute. Das liegt daran, dass erstens die Bevöl

kerungszahl sehr stark gestiegen ist und zweitens die Dürre flächen weltweit „ausgeglichen“ wurden. In Afrika hat man landwirtschaftliche Flächen entnommen. Brandrodungen in Brasilien, Argentinien und Indochina haben einen Teil dieser Flächen wieder „ausgeglichen“. Das war aber nicht gut fürs Klima.

Ich mache diesen Einstieg deshalb, weil ich glaube, dass die Wichtigkeit der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft mög licherweise nicht genügend präsent ist.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Nur 2,1 % der Erwerbstätigen arbeiten in der Landwirtschaft, aber 10 % aller Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt von der Landwirtschaft und den nachgelagerten Betrieben – ich ver weise etwa auf die Ernährungsindustrie – abhängig.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Mehr!)

Die Land- und Forstwirtschaft setzt 54 Milliarden € um. Mit Lebensmitteln und Gastronomie – das gehört zusammen – sind es 600 Milliarden €, und dies großenteils im ländlichen Raum.

Vielleicht noch eines zur Erinnerung für die Verbraucher: Vor 100 Jahren musste ein Durchschnittshaushalt 65 % des Ein kommens für Ernährung ausgeben. Heute sind wir bei 15 %, und für Grundnahrungsmittel sind es nur noch 8 %.

Der Preisindex für Nahrungsmittel lag immer unter dem Preis index für die Lebenshaltung. Das bedeutet, die billigen Nah rungsmittel haben zum Wohlstand geführt, weil weniger Geld für Nahrungsmittel gebraucht wird und mehr für anderes aus gegeben werden konnte.

Der reine Agrarhandel mit Drittländern steigt. Deutschland ist nach den USA und Holland der drittgrößte Agrarexporteur der Welt. Wir haben Frankreich abgelöst. Osteuropa wird für uns immer wichtiger. Im Jahr 2008 ist allein der Agrarexport nach Russland um 25 % gestiegen. Wir sind auf dem Weltmarkt an gekommen – mit allen Vor- und Nachteilen. Die Markt schwankungen bekommen wir heute viel stärker mit als frü her.

Milch ist ein Beispiel dafür. Von August 2008 bis April 2009 gab es einen Hochpreis für Milch mit 40 Cent pro Liter und mehr. Das bedeutet, die Märkte haben sofort reagiert. Der ho he Preis hat dazu geführt, dass die Kauflust zurückging und die Überproduktion angekurbelt wurde. Plötzlich brachen die Preise wieder auf nicht tragbare 24 und 23 Cent zusammen. Hohe Preise dämpfen die Nachfrage, niedrige Preise produ zieren Nachfrage. Das ist der Schweinezyklus, wie wir ihn in der Volkswirtschaft seit Beginn des vorletzten Jahrhunderts kennen. Der Begriff stammt aus der Landwirtschaft und ist ein volkswirtschaftlicher Begriff für marktwirtschaftliche Vor gänge.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Deshalb heißt es auch „Schweinezyklus“!)