Protokoll der Sitzung vom 28.10.2010

Herr Minister, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Ja.

Bitte, Herr Abgeordne ter.

Vielen Dank, Herr Minister. – Das Thema des Antrags lautet „Wirtschaftliche Situation der Land wirtschaft in Baden-Württemberg“. Der Landwirtschaftsaus schuss war in Südtirol. Dort haben wir eine Milchgenossen schaft besichtigt. Deren Vertreter haben erklärt, dass sie dort – bei einem Tiefpreis von 26 Cent pro Liter bei uns – 40 Cent pro Liter an ihre Milchviehbetriebe ausgezahlt hätten. Sie ha ben die gleiche landwirtschaftliche Situation, wie sie bei uns besteht: Mittellagen, Höhenlagen.

Wie kann Baden-Württemberg von Südtirol lernen, wenn dort eine Genossenschaft in der Lage ist, bei den gleichen Produk tionsbedingungen – mit Kleinbetrieben – 40 Cent pro Liter zu zahlen, auskömmlich zu wirtschaften und Verdienste zu erzie len?

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Mit Bio!)

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Lieber Kollege Winkler, einige von uns waren dabei. Die machen nicht nur Bio – auch bei uns liegen die Biopreise höher; das ist gestaffelt –, sondern konventionell und Bio in gleicher Weise. Sie waren dabei, ich war dabei, deshalb brauchen Sie keinen Nachhilfeunterricht in dieser Frage.

(Abg. Alfred Winkler SPD: 5 % oder 10 % Bio!)

Ich glaube, die entscheidende Antwort – ich hätte sie auch so gegeben – hat Herr Paul Locherer beeindruckend und appel lierend hinaus in die Öffentlichkeit getragen: Das liegt an der Frage, wie der nationale Markt aufgestellt ist, wie der natio nale Markt tickt.

Wir haben mehrfach in Südtirol gefragt: Wie schafft ihr es, dass ihr diese Preise am Markt erreichen könnt? Ich habe es noch im Ohr – Sie wahrscheinlich auch –, dass uns der Lan desrat Berger gesagt hat: Die italienische Hausfrau – diese re präsentiert hier einen Markt von 60 Millionen Einwohnern; das sind nicht nur die 500 000 Südtiroler – kauft erst dann ein ausländisches Lebensmittel, wenn die Alternative der Hun gertod wäre.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Ursula Haußmann SPD: Die Leute müssen auch regionale Produkte kaufen! Das ist der Punkt!)

Es gibt dort also eine vollständige Solidarisierung mit dem, was im eigenen Land produziert wird. Weil Italien bezüglich

Milch natürlich eine Unterversorgung hat, während bei uns in Oberschwaben der Markt sozusagen vor der Haustür ist, kann natürlich ein Südtiroler Betrieb, der in erster Linie den gesamt italienischen Markt beliefert, andere Preise verlangen, als die Produkte erzielen, die in den weltweiten Markt mit einem massiven Wettbewerb gehen, wo der Preisdruck entsprechend groß ist.

Ich glaube, Sie haben das Thema „Große Handelsketten“ an gesprochen, die sich am Weltmarkt orientieren. Daraus ergibt sich eine Aufgabe, bei der es sich lohnt, gemeinsam daran zu arbeiten, dass sich die Preissituation bei uns stabilisieren kann.

Noch einige Sätze: Lieber Paul, herzlichen Dank für die Re de; das war eine komplette Auflistung dessen, was wir alles tun und was auch Wirkung hat. Das war die Antwort, die Ba den-Württemberg und der Bund auf die Krise 2009 geben kön nen und gegeben haben. Es war ganz, ganz wichtig, die Li quidität unserer Betriebe zu erhalten.

Wir hören ständig draußen bei den Menschen von deren Ver ärgerung darüber, dass Großbanken und Milliardenkredite für große Unternehmen in der Krise die Schlagzeilen gemacht ha ben. Dies hat die Meinung der Menschen darüber bestimmt, in welchen Bereichen die Politik sich engagiert. Ich habe mich gerade beim Kollegen Ernst Pfister versichert, wie hoch allein bei uns im Land die Zahl der Hilfen für kleine und mittelstän dische Betriebe war: 3 300 bis 3 400. Kein Einziger der Be troffenen hat aber Interesse daran, dass groß in der Zeitung steht, in welch schwieriger Lage diese Betriebe waren. Die Politik trägt es nicht nach außen; wir können nur eine Zahl in der Summe sagen.

Das Gleiche gilt auch für die Landwirtschaft. Das sind ja kei ne riesigen Betriebe, in die wir viele Millionen oder Milliar den hineingeben müssten. Aber wir haben in dieser Krise an die 700 Anträge positiv bedienen können und dabei 34 Milli onen € investiert. Dazu kommen das Sonderprogramm Milch, das Grünland-Milchprogramm der Bundesregierung und vie les, vieles mehr. Das waren wirkungsvolle Beiträge – nicht für die Betriebe, die sowieso am Ausstieg waren und jetzt eben die Krise zum Anlass dazu genommen haben, sondern es war eine wirksame Hilfe für all die Betriebe, die eine Perspektive haben, die wir stabilisieren und die wir stärken wollen.

Meine Damen und Herren, Landwirtschaft wird nur betrieben, wenn sich die Arbeit auch lohnt, wenn sie Familieneinkom men sichert und wenn es vor allem im Generationswechsel ei ne Perspektive für die Höfe gibt. Momentan ist Europa dabei, die neuen Rahmenrichtlinien für die Jahre über das Jahr 2013 hinaus festzulegen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir Ba den-Württemberger gestärkt mit weiteren 14 sachlich arbei tenden deutschen Ländern – da können wir auf ein ideologisch ausgerichtetes Land verzichten – so weit wie möglich Kon sens halten und mit vereinter deutscher Kraft in diese europä ische Auseinandersetzung hineingehen. Da geht es um Struk turen, da geht es um die Frage der Säulen und deren Ausge staltung, und da geht es natürlich letztendlich und vor allem auch um das Geld, um die Frage, wie viel Geld in dieses Sys tem hineinkommt, damit Betriebe und Einkommen stabilisiert und gesichert werden können.

Der globale Agrarmarkt, meine Damen und Herren, eröffnet der deutschen Landwirtschaft neue Chancen, beinhaltet aber

auch viele Risiken. Deshalb braucht unsere Landwirtschaft Solidarität, und unsere Gesellschaft braucht die Landwirt schaft. Sie stellt hohe Ansprüche an unsere Landwirtschaft – völlig selbstverständlich –, ohne dass wir bereit sind, etwas konkret dafür zu bezahlen. Dazu gehört eine Grundsicherung der Nahrung. Dazu gehört, dass unsere Landschaft, unsere Na tur, unsere Artenvielfalt und der Tierschutz auf hohem Niveau sind. Hinzu kommt für die Landwirtschaft zunehmend die neue Aufgabe, einen Beitrag für eine zukunftsgerichtete Ener gieversorgung zu leisten.

Der Appell an die Solidarität bei jeder einzelnen Entschei dung, beim Einkauf, ist angesprochen. Das kann man nur un terstützen. Zweitens brauchen wir aber auch in der Frage, wie wir uns in Europa aufstellen und wie wir – auch konkret in den Zahlungen bzw. über Haushaltsstrukturen – im Land, im Bund und europaweit verlässliche Partner der Landwirtschaft sein können, eine Solidarität über Parteigrenzen hinweg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Lieber Kollege Murschel, zur Umkehr ist es nie zu spät. Rei hen Sie sich in den Kreis der Fraktionen hier im Landtag ein, die sehr vernünftig diskutieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE)

Lieber Herr Präsident, ich bedaure, wenn ich die Redezeit überzogen habe. Ich möchte noch darauf hinweisen: Nachher findet hier eine Präsentation unserer Streuobstkampagne statt. Dabei gibt es nicht nur Apfelsaft, sondern auch andere Ge tränke, die Sie wünschen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber nicht dass der Apfelsaft anfängt zu gären! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber nicht dass der Apfelsaft ins Leere läuft!)

Dann kann ich mit Ihnen anstoßen. Dann sehen Sie es viel leicht auch etwas entspannter, wenn ich die Redezeit überzo gen habe.

Herr Minister, gestat ten Sie noch eine Nachfrage des Herrn Abg. Dr. Wetzel?

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Das machen wir noch. Ja.

Bitte, Herr Dr. Wetzel.

Herr Minister, Sie haben vorhin ausgeführt, dass sich bei der letzten Konferenz der deutschen Landwirtschaftsminister in Lübeck 15 Land wirtschaftsminister für etwas entschieden hätten und ein Land wirtschaftsminister, der den Grünen angehört, sich dagegen ausgesprochen habe. Was war denn so problematisch, dass sich dieser Minister nicht einreihen konnte, oder was waren denn seine Vorschläge? Können Sie das dem Hohen Haus sa gen?

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Wir hatten 50 Tagesordnungs punkte. Drei Viertel der Zeit wurden aber für einen einzigen Punkt aufgewendet, und da wiederum wurden drei Viertel der

Zeit für das Bemühen verwendet, diesen etwas isoliert und ei genartig auftretenden Kollegen „einzufangen“.

Der Auseinandersetzung ging eine Geschichte voraus. Es ging darum, welche Verhandlungsposition Deutschland in den Ver handlungen auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Ge meinsame Agrarpolitik nach 2013 einnimmt. Das ist das Leit thema gewesen. Im Mittelpunkt standen die Fragen: Was sind unsere Eckpunkte? Worauf verständigen wir uns? Wie wer den die erste und die zweite Säule ausgestaltet?

Der Kollege, der neu hinzukam – es kann ja eine erfrischen de Unterhaltung werden, wenn jemand neue Gedanken ein bringt –, hat wenig Neues eingebracht. Vielmehr bedeuteten seine Ansichten eine Rückkehr hin zu der Vorstellung, dass man die Märkte im Gleichgewicht halten könnte, wenn man sie nur weiter ökologisierte. Er hat – so wie der Kollege Mur schel – versucht, gesellschaftliche Ansprüche zu formulieren. Das können Ansprüche aus dem Wahlprogramm der Grünen sein. Aber es entspricht nicht den mehrheitlichen Erwartun gen der deutschen Bevölkerung an die Landwirtschaft und schon gar nicht den Erwartungen der Landwirtschaft gegen über sich selbst oder den Notwendigkeiten, dass die Landwirt schaft in eine sichere Zukunft gehen kann.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Ah ja!)

Das müssten wir vielleicht im Einzelfall weiter vertiefen. Die Marschrichtung war jedenfalls: Die Produktion herunterfah ren und mehr Auflagen – z. B. Umweltauflagen – und Stan dards einbauen,

(Abg. Paul Locherer CDU: Noch mehr Bürokratie!)

obwohl unserer Landwirtschaft nur noch wenig Flächen zur Verfügung stehen – diese sind auch noch heiß umkämpft; wir brauchen sie dringend –, die nicht schon mit bestimmten Schutzregimen behaftet sind.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Wir haben schon in den vergangenen Jahren kräftige Beiträ ge geleistet, damit sich unsere Landwirtschaft umwelt- und naturverträglich entwickelt und nicht umgekehrt. Bei uns hat sich eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik entwickelt. Wir sollten dies nicht übertreiben, damit wir nicht in einen Wett bewerbsnachteil kommen und nicht deswegen mehr Betriebe aufgeben müssten. Den Leuten vorzumachen, dass dadurch Betriebe in einem globalen Agrarmarkt gesichert werden könnten, ist völlig daneben gedacht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort für die CDUFraktion darf ich Herrn Abg. Rombach geben.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ein sehr guter Mann!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Minister, für die klaren Äuße rungen Ihres Hauses und Ihrer Person zu diesem Thema.

Ich möchte hier deutlich feststellen, Herr Dr. Murschel: Ich kann schon nachvollziehen, warum gerade Ihre Fraktion das Thema Bildung in diesem Haus immer so überstrapaziert.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Denn aus der Zusammenarbeit im Ausschuss und aus Ihren Äußerungen in persönlichen Gesprächen habe ich immer wie der das Gefühl – beim besten Willen von mir –, dass Ihnen der fachliche Input immer wieder mitgegeben werden muss.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Denn es ist ein Unterschied, ob man über etwas spricht oder ob man von etwas spricht, von dem man eine entsprechende berufliche Erfahrung hat.