Protokoll der Sitzung vom 24.11.2010

Sie sind ein integraler Bestandteil unseres Energiekonzepts. Damit organisieren wir auch die Energiewende. Die Stadtwerke bei uns in Baden-Württem berg haben im Vergleich zu denen in vielen anderen Ländern in Deutschland sehr viele unternehmerische Freiheiten. Wir wollen, dass sie diese nutzen und damit die Energiewende mit organisieren. Sie sind ein idealer Partner für die Kommunen. Sie haben die Nähe vor Ort, und sie bilden neue Wertschöp fungsketten zwischen mittelständischen Betrieben und priva ten Haushaltungen, z. B. über die Kraft-Wärme-Kopplung, Energieeffizienzprojekte für öffentliche Einrichtungen, neue Konzepte für Straßenlaternen, Ampelanlagen und Contrac ting. Hier gibt es einen neuen Markt. Dafür wollen wir die Stadtwerke stützen. Das tun wir bereits seit vielen Jahren, und dies im Übrigen im Einklang mit den Stadtwerken.

Baden-Württemberg hat noch 183 Stadtwerke. Mit diesen Stadtwerken stehen wir in intensivem Kontakt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da sagen die Stadt werke etwas anderes! – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Jetzt lautet die entscheidende Frage: Brauchen sie eigene Net ze? Die einen sagen Ja, die anderen sagen Nein. Für beides gibt es gute Argumente.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Was sagt Herr Ne meth?)

Herr Walter, Herr Nemeth sagt, dass zumindest die Grünen in diesem Bereich wie so oft einen reinen Zickzackkurs ver folgt haben.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sehr gut! – Abg. Alb recht Fischer CDU: So wie immer!)

Erst haben Sie das Unbundling in Berlin durchgesetzt, und jetzt wollen Sie mit aller Gewalt, dass die Stadtwerke auch im Konzept mit Vertrieb und Produktion unbedingt die Netze ha ben,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Nicht unbedingt!)

obwohl das gar nicht notwendig ist. Meine Damen und Her ren, dazu muss ich einfach sagen: Das ist nicht immer klug, und das muss auch nicht immer richtig sein. Das brauchen wir von Stuttgart aus gar nicht zu entscheiden und zu beurteilen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: So ist es!)

Das ist Aufgabe der kommunalen Hoheit. In den Kommunen soll diese Frage richtig entschieden werden. Wichtig ist uns aber, dass wir auch auf kommunaler Ebene einen funktions

fähigen, störungssicheren und bedarfsgerechten Netzbetrieb haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Be ate Fauser FDP/DVP)

Das muss das Ziel unserer Politik sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Klarer Sieger nach Punkten!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Untersteller für die Fraktion GRÜNE.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aber keine Unterstel lungen!)

Das mache ich nie. – Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kolle ge Nemeth,

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Jetzt geht es schon los!)

ich empfehle Ihnen: Werfen Sie einmal einen Blick in die Pressemitteilungen, die der Verband kommunaler Unterneh men in den letzten Monaten in Sachen Laufzeitverlängerung veröffentlicht hat. Sie können nachlesen, was darin zu der Fra ge „Auswirkungen der Laufzeitverlängerung auf die kommu nalen Unternehmen“ steht.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Was sagt der Verband der Energiewirtschaft? – Gegenruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Wenn 20 000 MW Leistung nicht stufenweise aus der Nut zung herausgenommen werden, wie es von Rot-Grün geplant war, sondern länger am Netz bleiben, dann rechnen sich In vestitionen, die in den letzten Jahren von kommunalen Unter nehmen gemacht wurden – in Anlagen, die wesentlich höhe re Stromgestehungskosten haben als ein altes, abgeschriebe nes Kernkraftwerk –, nicht mehr.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: So ist es! – Abg. Paul Nemeth CDU: Erneuerbare?)

Ich habe nicht von erneuerbaren Energien gesprochen. Ich rede vor allem von KWK.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Richtig!)

Bei den erneuerbaren Energien gestehe ich Ihnen zu – es steht im EEG –: Einspeisen hat Vorrang. Aber bei KWK haben Sie das Problem.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Kollege Nemeth, bei Netz, Produktion, Stromhandel ha ben Sie selbstverständlich recht: Unbundling. Aber ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel dafür, wie das aussehen kann.

Im Jahr 1997 hat eine kleine Gemeinde im Schwarzwald – Schönau – einen Bürgerentscheid durchgeführt. Gegenstand des Bürgerentscheids war, dass man das Stromnetz überneh men wollte – damals wahrscheinlich noch vom Badenwerk.

1 700 Kunden hatte das Unternehmen am Anfang. Es gab noch kein Unbundling. Heute haben die Energiewerke Schönau nicht 1 700, sondern 98 000 Kunden. Warum? Das Netz war der Anfang. Anschließend hat man gesagt: Wir gehen auch in den Produktionssektor, in den Stromhandel. Heute handeln die Energiewerke bundesweit. Beispielsweise ich bin Kunde der Energiewerke Schönau. Ich bin einer der 98 000 Men schen, die atomstromfreien, aber dafür regenerativen oder KWK-Strom aus Schönau beziehen. Das kann man machen oder nicht. Ich halte es für eine gute Sache.

An diesem Beispiel kann man sehen: Das Netz ist für viele Stadtwerke der Anfang. Beispielsweise kann im jetzigen Pro zess, in dem 400 Konzessionsverträge im Bereich der EnBW auslaufen, das Netz der Anfang sein.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Kann!)

Für viele ist es der Anfang. Anschließend folgen oft weitere Schritte, nämlich der Einstieg in die Produktion und den Stromhandel.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das müssen Sie auch managen können!)

Wenn Sie heute einmal schauen – um das Beispiel zu nehmen –, was in Schönau passiert ist, dann stellen Sie fest: Es hat einen Ausbau regionaler Wertschöpfung gegeben, man hat neue An lagen gebaut. Die kleine Gemeinde Schönau hat heute in die sem kleinen Energieversorgungsunternehmen 50 neue Arbeits plätze. Wenn Sie einmal schauen, was in den kommenden zwei, drei Jahren in Baden-Württemberg ansteht – wir reden über 400 Verträge, die allein bei der EnBW auslaufen; es gibt auch hochinteressante, die etwas größer sind als der von Schö nau, Stichwort Stuttgart –, dann erkennen Sie, dass wir über das interessanteste Gebiet in Süddeutschland – neben Mün chen – reden.

Ich sage jetzt einmal, was in München möglich ist: Dort gibt es die Stadtwerke, die es sich zum Ziel gesetzt haben, bis zum Jahr 2025 100 % der Versorgung über grünen Strom abzude cken. Wieso soll das perspektivisch nicht auch bei einem Stadtwerk Stuttgart gehen, vielleicht nicht bis zum Jahr 2025, aber wenige Jahre danach? Wieso soll das nicht auch in Stutt gart möglich sein?

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Bitte nicht so viel Goldgräberstimmung!)

Eine solche Rekommunalisierung ist eine Chance, sowohl in ökonomischer Hinsicht – es ist eine Chance für die Stärkung der Daseinsvorsorge in den Kommunen – als auch in ökolo gischer Hinsicht. Ich wünsche mir, dass die Landesregierung Kommunen, die in einen solchen Prozess gehen, stärker un terstützt.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, bei dem dies sinnvoll ge wesen wäre, Herr Minister: Morgen findet die Verbandsver sammlung des Neckar-Elektrizitätsverbands statt. Wir reden über 167 Kommunen, die darin zusammengeschlossen sind. Es gehören noch acht, neun Landkreise dazu. Der NEV hat vor, eine Netz KG zu gründen. Das ist sein gutes Recht; das kann er machen.

Aber wenn eine Kommune, die NEV-Mitglied ist, Nein sagt, sich daran nicht beteiligen will, eine eigene Stadtwerkslösung machen will, passiert Folgendes: Diese Kommune kann nicht aus dem NEV heraus. Sie kann ihre Mittel, die im NEV ste cken, nicht herausziehen, sondern muss sie im Verband belas sen mit der Folge, dass der NEV z. B. mit dem Geld der Stadt Metzingen in Konkurrenz zu dem Projekt der Stadt Metzin gen geht, dass die eigenen Stadtwerke das Netz übernehmen und zukünftig stärker in die Stromversorgung gehen. Das ist die Situation. Da hätte ich mir schon auch gewünscht, dass das Land die Möglichkeit, die Kommunen in diesem Fall zu stärken, genutzt hätte.

Lassen Sie mich noch ein zweites Beispiel anführen. Morgen wird beim NEV über eine Satzung verhandelt. Ich lese Ihnen dazu einmal etwas vor. In § 3 heißt es:

Die Verbandsmitglieder unterrichten den Verband über alle ihnen bekannt gewordenen bedeutsamen Vorgänge in der Elektrizitätsversorgung.

Sprich eine Stadt wie Metzingen, die sagt: „Nein, wir machen bei der Netz KG nicht mit“, die etwas Eigenes macht – die Stadtwerke –, ist danach verpflichtet, den NEV auch noch über das zu unterrichten, was dort gemacht wird. Wo sind wir ei gentlich?

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wer hat den Vertrag denn unterschrieben?)

Eine Bananenrepublik ist dagegen Gold.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ein Quatsch! – Glo cke der Präsidentin)

Herr Abgeordne ter, bitte kommen Sie zum Ende.

Es kann doch nicht wahr sein, dass der NEV das Recht hat, in diesem Fall in die Kom munen hineinzuregieren und ihnen auch noch zu sagen: „Ihr müsst uns Auskunft über das geben, was bei euch in Strom versorgungsgeschichten Sache ist.“

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)