Dabei stehen wir vor etlichen Herausforderungen. Das gilt zum einen für die Sicherung der Standorte der beruflichen Schulen im ländlichen Raum. Die Enquetekommission emp fiehlt dabei z. B. für die Bildungsangebote, jeden Standort mit mindestens einem Bildungsgang mit Hochschulzugang aus zustatten. Wir wollen, dass mehr Raum für den Dialog der Partner vor Ort entsteht – Schule, Träger, Kammern, Innun gen und natürlich auch Eltern. Deshalb schlagen wir einen Wirtschaftsbeirat an den Berufsschulen vor, der den Dialog, die Kooperation zwischen Wirtschaft und Schule vor Ort er möglichen und vertiefen soll.
Berufliche Schulen qualifizieren nicht nur junge Menschen, sie haben darüber hinaus auch eine Strahlkraft in die Region. So wurde deutlich, dass eine betriebsnahe Beschulungsmög lichkeit auch die Personalgewinnung der Wirtschaft in der Re gion erleichtert. Die beruflichen Schulzentren sind Orte der Bildung, aber immer auch ein Standortfaktor und eine Frage der Qualität der wirtschaftlichen Infrastruktur in einer Regi on.
Dass wir mit unseren Empfehlungen durchaus richtig liegen, zeigen heute schon die ersten Pressereaktionen. Der Arbeit geberverband, aber auch der Berufsschullehrerverband und andere haben bereits eine erste Bewertung vorgenommen, und die fällt durchaus positiv aus.
Die Bindung leistungsstarker junger Menschen an die beruf liche Bildung bzw. das duale System stellt eine weitere Her ausforderung dar. Für Leistungsstarke richten sich die Vor schläge der Enquetekommission darauf, z. B. die Fachhoch schulreife parallel zur Ausbildung erlangen zu können, Zu satzqualifikationen anzubieten und zu zertifizieren. Das reicht vom Schweißkurs, der abgelegt werden kann, über die Fremd sprache, die erlernt wird und zertifiziert werden soll, bis hin zum Ausbau des dualen Berufskollegs vor allem für das Hand werk.
Um andererseits Leistungsschwächere stärker in den Ausbil dungs- und Arbeitsmarkt einzubinden, sieht die Enquetekom mission große Chancen in der Dualisierung des Berufsvorbe reitungsjahrs und des Berufseinstiegsjahrs. Durch berufliche Praxis – zwei bis drei Tage pro Woche im Betrieb – sollen schulmüde Jugendliche motiviert werden. Gleichzeitig soll im Betrieb und für die Jugendlichen bedarfsgerecht Unterstüt zungsleistung durch die Schule gewährt werden, sei es, um noch einmal zu üben, wie man besser rechnet, oder auch, wie man richtig schreibt. Ebenfalls gehört für uns der Ausbau des Bereichs BVJ, BEJ, VAB als Ganztagsschulangebot dazu.
Die Rhythmisierung entlang der Abläufe in der Arbeitswelt erscheint uns wichtig. Zusätzlich erreichen wir auf diese Art und Weise überfachliche Förderzeiten, die den Jugendlichen zugutekommen können. Die Schüler sollen dabei auf der Grundlage einer Kompetenzanalyse noch zielgenauer indivi duell gefördert werden. Schwache wie starke Schülerinnen und Schüler sollen mit der Ausbildung gleichermaßen ein Ti cket für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben erlangen. Das Schlagwort „Karriere durch Lehre“ darf keine Worthül se sein; es muss mit Leben erfüllt werden. Zweijährige Be rufsausbildungsgänge, Ausbildungsbausteine, unterschiedli che Lerngeschwindigkeiten – das sind die richtigen Stell schrauben, um das duale System zukunftsfähig zu machen. Auch darüber bestand ein breiter Konsens.
Noch einige Worte zur Weiterbildung: Hier will ich zunächst das klare Signal senden: Die Weiterbildungsträger müssen sich keine Sorgen machen. Sie dürfen sich darauf verlassen, dass das Land auch weiterhin in der Förderung aktiv bleibt.
Auf der Longline hält die Enquete die Neujustierung der Lan desförderung für angezeigt. Das Angebot im ländlichen Raum soll erhalten und gestärkt werden; zugleich soll über den Weg der Zielvereinbarung mit entsprechendem Controlling die Ef fizienz von Förderprogrammen sichergestellt werden.
Das vorgeschlagene Maßnahmenpaket verbindet die Enquete natürlich auch mit Erwartungen an die Landesregierung. 10 Millionen € wurden bereits im Ersten Nachtrag für das Jahr 2011 bereitgestellt. Dies ist auch wichtig; denn nur so können erste Maßnahmen rasch zur Umsetzung gelangen.
Die Erwartungen an unsere Empfehlungen sind recht groß – und zugleich doch auch klein. Sie sind eher klein, weil nie mand von der Enquete eine sofortige Abhilfe für alle Proble me ernsthaft erwarten kann. Sie sind jedoch groß, weil wir die beruflichen Schulen sowie die Aus- und Weiterbildung fit für die Zukunft machen sollen. Dabei reicht unsere zeitliche Per spektive bis ins Jahr 2030.
Als Kommission des Landtags geben wir Empfehlungen ab. Die Umsetzung muss dann durch die Landesregierung erfol gen. Erste strukturelle Vorarbeiten sind dafür bereits erfolgt. Der Pakt für Ausbildung kann künftig unsere Vorschläge in Bezug auf qualitative Ziele aufnehmen und dabei also über das bisher rein quantitative Ziel hinausgehen. Der Experten rat „Herkunft und Bildungserfolg“ wird in Bälde ebenfalls sei ne Vorschläge vorlegen. Auch das Bündnis für lebenslanges Lernen, das im Frühjahr an den Start gehen wird, wird in die sem Bericht einiges an Aufgaben und Anregungen finden, mit denen es weiterarbeiten kann.
Die Landesregierung hat frühzeitig und vorausschauend die notwendigen Strukturen für eine schnelle und effiziente Um setzung geschaffen. Dafür herzlichen Dank. Die Mitglieder der Enquete und des gesamten Landtags werden den Umset zungsprozess in den kommenden Jahren aufmerksam und kon struktiv begleiten.
So bleibt mir heute nur noch, mich sehr herzlich zu bedanken – zunächst bei den Obleuten der Fraktionen: Herrn Kollegen Bayer, Herrn Kollegen Teufel, Herrn Kollegen Lehmann und Frau Kollegin Berroth. Ich bedanke mich auch bei den weite ren Mitgliedern der Fraktionen und natürlich auch bei unse
ren externen sachverständigen Mitgliedern der Enquetekom mission. Namentlich darf ich dabei nennen: Herrn Futter vom Berufsschullehrerverband, Frau von Wartenberg vom DGB, Herrn Professor Euler von der Universität St. Gallen und Herrn Dr. Ruf von der ZF Friedrichshafen. Ich danke Ihnen allen für die sehr sachliche, aber immer angenehme Atmo sphäre, für die konsensorientierte Beratung. Ich finde es schon bemerkenswert, dass wir nahezu 90 % der Vorschläge einstim mig beschließen konnten.
Danken will ich auch den Expertinnen und Experten, die der Enquetekommission in den sieben Anhörungen mit ihrem fun dierten Wissen zur Verfügung standen.
Danken will ich selbstverständlich auch den Damen und Her ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwal tung, namentlich der Ausschussreferentin Frau Stern, und den Damen und Herren, die das Protokoll für uns geführt haben – was sicherlich nicht immer einfach war. Dafür herzlichen Dank.
Ganz besonders – ich glaube, das darf ich auch im Namen der Obleute tun – gilt mein Dank den parlamentarischen Berate rinnen und Beratern der Fraktionen, die uns fachlich sehr in tensiv unterstützt haben.
Ich darf sie namentlich nennen: Moritz Scheibe und Thomas Hartmann für die CDU-Fraktion, Anna Zaoralek für die SPDFraktion, Charlotte Biskup für die Fraktion GRÜNE und La rissa Seitz für die FDP/DVP. Weil Sie wirklich eine so her ausragende Leistung erbracht haben, erlaube ich mir, Sie von dieser Stelle aus für morgen auf ein Glas Sekt einzuladen. Ich denke, das Nähere teilen wir Ihnen noch mit.
So bleibt mir heute nur noch, wenn Sie sich diesem Dank an schließen, Sie zu bitten, den Bericht der Enquete anzunehmen und dem Beschlussvorschlag zu entsprechen. Ich glaube, wir haben als Enquete ein gutes Stück Arbeit zurückgelegt.
Deshalb, Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, würde ich gern einen Vorababzug unseres Berichts – Sie haben ja jeweils ein Exemplar auf Ihren Plätzen – stellvertretend für die Landes regierung der Frau Kultusministerin überreichen, damit sie über Weihnachten schon einmal anfangen kann zu lesen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Andrea Krueger CDU übergibt Ministe rin Dr. Marion Schick einen Vorababzug des Berichts der Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wis sensgesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Wei terbildung“.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne sehr verehrten Damen und Herren! Die beruflichen Schu len und die berufliche Bildung in Baden-Württemberg sind bundesweit sehr gut aufgestellt. Zugleich stehen wir auch in Baden-Württemberg vor großen Herausforderungen. Unser
Ziel war und ist es, diese Spitzenposition auch in Zukunft zu halten und die beruflichen Schulen, die Aus- und Weiterbil dung in unserem Land für die Zukunft fit zu machen.
Zuallererst geht es um die Menschen in unserem Land. Wir sind verpflichtet, ihnen die bestmögliche Ausbildung zu bie ten. Jeder Einzelne muss seinen individuellen Weg gehen kön nen, der einen erfolgreichen Start ins Leben ermöglicht. Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel sind in al ler Munde. Es geht aber nicht nur um die Zahl der Fachkräf te, sondern es geht auch um die Qualifikation. Kurz: Jeder muss in der Erstausbildung, in der Weiterbildung die bestmög liche berufliche Bildung erhalten. Denn jeder Einzelne ist uns wichtig, und jeder Einzelne wird in Zukunft auf dem Arbeits markt gebraucht.
Für die CDU-Fraktion bildet die duale Ausbildung das Herz stück der beruflichen Bildung. Das duale System mit der ge meinsamen Ausbildung in Schule und Betrieb hat sich be währt. Es verbindet Theorie und Praxis auf ganz einzigartige Weise.
Die Jugendarbeitslosenquote in Baden-Württemberg beträgt 2,9 %; in Finnland, wo es keine duale Ausbildung gibt, liegt sie bei über 20 %.
Die duale Ausbildung hat deshalb für die CDU-Fraktion auch in Zukunft Priorität. Dennoch können wir die Augen nicht vor den Herausforderungen verschließen, vor denen das duale System auch in Baden-Württemberg steht. Auf der einen Sei te gewinnen formal höhere Bildungsabschlüsse an Attraktivi tät. Auf der anderen Seite gibt es trotz aller Anstrengungen Ju gendliche, die keine abgeschlossene Berufsausbildung errei chen. Ihr Anteil beträgt in Baden-Württemberg ca. 15 %. Die ser Wert ist bundesweit am niedrigsten, aber trotzdem zu hoch.
Unsere Überlegung und unsere Überzeugung ist: Wer das du ale System erhalten will, muss es öffnen und aus sich selbst heraus stärken. Leistungsschwächere Jugendliche benötigen einen gleitenden Übergang in eine duale Ausbildung, und Leistungsstärkere müssen wissen, dass die duale Ausbildung viele Wege bis hin zur Hochschulreife bietet. Wir haben uns in der Enquetekommission für zahlreiche Empfehlungen ein gesetzt, um diese Öffnung für Leistungsstarke, aber auch für Leistungsschwächere zu erreichen. Leistungsstarken wollen wir den ausbildungsbegleitenden Erwerb der Fachhochschul reife erleichtern.
Wir wollen die Hochschulen ermuntern, sich stärker für die beruflich Qualifizierten zu öffnen. Wer im Berufsleben steht, braucht andere Studienangebote als jemand, der mit 19 Jah ren direkt von einem allgemeinbildenden Gymnasium kommt.
Wir wollen Englischunterricht an der Berufsschule verbind lich einführen. Auch der Facharbeiter braucht heute in einer globalisierten Welt Fachenglisch.
Wir wollen die beruflichen Gymnasien weiterhin bedarfsge recht ausbauen und fortentwickeln. Die CDU-Fraktion hat den Vorschlag eingebracht, ein neues Profil der Umwelttechnolo gie am Technischen Gymnasium zu schaffen. Erneuerbare
Energien, umweltfreundliche Mobilität – gerade für BadenWürttemberg, das Flächenland Nummer 1 – und moderner Hausbau, das sind die Themen der Zukunft.
Mit all diesen Empfehlungen wollen wir erreichen, dass die beruflichen Schulen und die duale Ausbildung für leistungs starke Jugendliche noch attraktiver werden. Überhaupt wol len wir die vielen Möglichkeiten der beruflichen Schulen bes ser bekannt machen. Die CDU-Fraktion hat dazu die Idee ei nes sogenannten Bildungsnavigators im Internet entwickelt. Dieser Bildungsnavigator soll jedem Jugendlichen zeigen, welche verschiedenen Wege ihm in der beruflichen Bildung offenstehen.
Genauso wie die Leistungsstärkeren liegen uns auch diejeni gen am Herzen, die bisher keine abgeschlossene Berufsaus bildung erreichen können. Jugendliche aus bildungsfernen Schichten kämpfen besonders mit dem Übergang von der Schule in eine Ausbildung. Jugendliche mit Migrationshinter grund besitzen zum Teil keine ausreichenden Sprachkenntnis se oder sind mit dem deutschen Ausbildungssystem nicht ver traut. Männliche Jugendliche tun sich heute oft schwerer als Mädchen. Wer den Begriff „Gender“ zeitgemäß verstehen will, muss heute besonders auf männliche Jugendliche ach ten. Für diese Gruppe wollen wir die duale Ausbildung öff nen.
Die Dualisierung der berufsvorbereitenden Schularten, von BVJ, VAB und BEJ, ist die wichtigste Empfehlung. Gleich zeitig wollen wir die Ganztagsbetreuung in den berufsvorbe reitenden Schularten einführen. So besteht genug Zeit für die individuelle Förderung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach meinen Aus führungen zur dualen Ausbildung und den beruflichen Schu len möchte ich zur allgemeinen und beruflichen Weiterbildung kommen.
Lebenslanges Lernen ist für viele Menschen in Baden-Würt temberg eine Selbstverständlichkeit. Dafür bestehen gute Rah menbedingungen. Doch auch in der Weiterbildung müssen wir uns in der Zukunft noch stärker den bildungsfernen Schich ten zuwenden. Es gibt Menschen, die sich bisher kaum wei terbilden: An- und Ungelernte sowie ältere Arbeitnehmer, Menschen aus bildungsfernen Schichten, Menschen mit Mi grationshintergrund. Für diese Menschen hat die CDU-Frak tion eine gezielte Programmförderung vorgeschlagen. Diese soll ergänzend neben die bestehenden Maßnahmen treten. Aufsuchende Weiterbildungsberatung und neue, passgenaue Lernformen sind dabei unverzichtbar.
Damit komme ich zu einem Anliegen, das der CDU-Fraktion besonders wichtig ist. Wir wollen die beruflichen Schulen, die Aus- und Weiterbildung im ländlichen Raum stärken. In der Weiterbildung wollen wir die Grundförderung entlang der Ta rifabschlüsse im öffentlichen Dienst erhöhen. So bleibt das Land ein verlässlicher Partner für die Weiterbildung vor Ort.
Die Standorte der beruflichen Schulen müssen auch bei sin kender Schülerzahl in der Fläche erhalten werden. Sie sind die beruflichen Kompetenzzentren im ländlichen Raum. Für die duale Ausbildung ist eine betriebs- und wohnortnahe Be schulung von zentraler Bedeutung.
Deswegen ist die Handlungsempfehlung zur Zahl der Berufs bilder wichtig. Bundesweit gibt es über 353 Berufsbilder. Die se Anzahl müssen wir in naher Zukunft reduzieren. Viele Men schen lassen sich nicht mehr vor Ort beschulen und ausbilden. Die Enquetekommission spricht sich daher dafür aus, die Zahl auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um all diese Ziele zu erreichen, hat die Enquetekommission über 53 Handlungs empfehlungen – auf fast 1 000 eng bedruckten Seiten – ent wickelt. Oft wird einer Enquetekommission vorgeworfen, sie bliebe unkonkret und unverbindlich. Heute ist das Gegenteil der Fall. Wir haben Vorschläge entwickelt, die sofort umge setzt werden können. In Zukunft wird jeder Jugendliche in Baden-Württemberg gebraucht, die Leistungsschwächeren wie die Leistungsstarken. Ich bin davon überzeugt, dass die Empfehlungen der Enquetekommission einen wichtigen Bei trag dazu leisten.
Die berufliche Bildung in Baden-Württemberg ist spitze und wird dies auch in Zukunft bleiben. Meine sehr verehrten Da men und Herren, eine Investition in die Bildung bringt noch immer die besten Zinsen.
Herzlichen Dank. – Frau Präsi dentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beginn dieser Enquetekommission und das Zustandekommen ihres Arbeitsauftrags waren ziemlich holprig. Das wissen Sie. Aber auf der Strecke – so meine ich – haben wir uns dann doch ganz gut zusammengerappelt.