Protokoll der Sitzung vom 03.02.2011

Ich möchte zunächst auf etwas anderes eingehen: In Deutsch land gilt die Tarifautonomie.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber nicht für die Beamten!)

Das Grundgesetz regelt das in Artikel 9 Abs. 3. Daher sollten wir in diesem Raum mit Sorgfalt mit diesem Recht umgehen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Für Beamte gibt es doch keine Tarifautonomie!)

Die Tarifautonomie gilt selbstverständlich auch für die Ta rifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes und damit für alle Tarifbeschäftigten des Landes.

Nun war es bisher, seit es das Land Baden-Württemberg gibt, aus gutem Grund Brauch, dass man Tarifverhandlungen ab

wartete, um deren Ergebnis dann in die Besoldung der Beam ten zu überführen. Das hat man immer so gemacht, obwohl vermutete Tariferhöhungen möglicherweise bereits im Haus halt oder in der mittelfristigen Finanzplanung veranschlagt waren. Dieses Verfahren beruht auf einem guten Grund. So erfüllen Beamte und Tarifangestellte oftmals ähnliche Aufga ben und sitzen möglicherweise gemeinsam in einem Büro. Um hier Ungerechtigkeiten gleich gar nicht entstehen zu las sen, war dies, wie gesagt, guter Brauch. Wer, wie die Landes regierung, dies jetzt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf än dern will, der schadet dem Frieden in den Behörden unseres Landes.

Erstens: Sie legen da eine Geringschätzung der grundgesetz lich verankerten Tarifautonomie an den Tag.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Zweitens: Sie zeigen Ihre Geringschätzung auch gegenüber den Vertretungen der Beschäftigten dieses Landes, also dem Beamtenbund und den Gewerkschaften.

Drittens: Sie machen den Steuerzahlern natürlich eine große Freude, weil Sie, ohne dass es in irgendeiner Form einen Zwang gibt, von vornherein 2 % drauflegen. Sie machen auch denjenigen eine große Freude, die jetzt als Verhandlungsfüh rer die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst zu füh ren haben. Denn wer würde sich trauen, einen Abschluss un ter 2 % vorzulegen? Derjenige ist natürlich von vornherein verratzt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wollen Sie das denn? Wollt ihr das?)

Der Bund der Steuerzahler hat dazu – das werden Sie nach gelesen haben – die richtigen Worte gefunden.

Wir haben in diesem Landtag und in diesem Land, seit Minis terpräsident Mappus im Amt ist, schon merkwürdige Hauruck verfahren erlebt.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Wir haben ihn ja nicht mehr lange! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Der hört bald auf!)

Jetzt, so kurz vor der Wahl, will man dann auch noch die Be amten mit einem Zuckerle beglücken. So haben Sie es, mei ne ich, bezeichnet, Herr Kollege Stickelberger. Ich glaube, die Beamtenschaft hat es begriffen: Erst haben Sie sie mit dem Vorgriffsstundenmodell konfrontiert, dann haben Sie ihnen Mitsprachemöglichkeiten bei der Dienstrechtsreform genom men; bei der Dienstaltersgrenze haben Sie lange gebraucht, bis Sie das Ganze wieder zurückgenommen haben. Das Vor griffsstundenmodell haben Sie auch wieder einkassiert. Ich glaube, die Beamtinnen und Beamten haben begriffen, dass es hier um ein Zuckerle geht.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordne ter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Bach mann?

Nein, und schon gar nicht von Herrn Bachmann.

(Heiterkeit – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dessen Zwischenfragen sind so gut, die kann man nicht zulassen!)

Die Beamten haben sicher auch das Motto einer großen Ket te im Mediabereich verinnerlicht: „Wir sind doch nicht blöd!“ Ich glaube, sie werden sich entsprechend verhalten. Sie haben gemerkt, dass hier nur etwas „gekauft“ werden soll.

Wir sagen daher Nein zu dieser Form der Besoldungserhö hung und zu diesem Gesetzentwurf.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das verwundert uns nicht! – Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Wir sagen auch Nein dazu, dass man Tarifverhandlungen aus hebelt. Wir meinen, wir müssen abwarten, welche Ergebnis se die Tarifverhandlungen bringen. Dann gehen wir so vor wie immer und übernehmen das dann in anständiger Weise. Wir wollen hier anständig und sauber arbeiten, so, wie all die Jah re zuvor auch: keine PR-Gags, keine Wahlkampfluftballons, sondern saubere Arbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Herr Kollege, trauen Sie sich morgens noch, in den Spiegel zu schauen?)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Nach dem, was da vor getragen wurde, muss ich schon noch etwas sagen. Herr Sti ckelberger und Herr Schlachter, Sie können einem gerade wirklich leidtun. Nur weil Wahlkampf ist, meinen Sie, Sie müssten alles schlechtreden.

(Abg. Stephan Braun SPD: Jetzt wird es aber unter irdisch!)

Auch wenn ich in der Opposition wäre, würde ich das an die ser Stelle nicht tun und würde nicht einfach das Denken ab schalten, um nur noch dagegen zu sein.

Herr Kollege Hollenbach und, wie ich meine, auch ich haben doch deutlich erklärt, Herr Schlachter, wie wohldurchdacht unser Vorschlag ist. Dabei gibt es verschiedene Aspekte, die auch mittel- und langfristig zum Tragen kommen. Wenn Sie es nicht checken, ist das Ihr Problem.

Die Tarifautonomie ist mir wesentlich heiliger als Ihnen; das kann ich Ihnen sagen. Ich bin in der Metallindustrie groß ge worden. Aber für Beamte gilt keine Tarifautonomie. Ich habe es erläutert: Wir haben Regelungen für die Beamten schon öf ter nach hinten gestellt, und jetzt haben wir sie eben auch ein mal nach vorn gezogen. Was soll denn daran schlecht sein?

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: So ist es!)

Geringschätzung gegenüber dem Beamtenbund ist das mit Si cherheit nicht. Der ist überglücklich mit dieser Lösung.

Herr Kollege Stickelberger, Sie haben von Hickhack gespro chen. Es gab eine kontroverse Diskussion; da haben Sie recht.

Es ist aber in der Demokratie üblich, dass man verschiedene Dinge miteinander erörtert und dann eine Lösung findet. Sie sind jetzt einfach richtig neidisch, weil wir eine so gute Lö sung gefunden haben.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Aber gönnen Sie es uns halt einmal, und gönnen Sie es auch den Beamten. Wir verschieben nämlich nicht Lasten in die Zukunft, sondern wir gewinnen Chancen für heute.

Wenn Sie fragen, wie wir es bei der Polizei machen, dann sa ge ich: Das steht doch in der Regelung klar drin.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stickelber ger?

Nein, ich möchte mei ne Ausführungen zum Ende bringen. Vielleicht habe ich dann schon Teile seiner Frage beantwortet.

Wenn Sie bei der Polizei nachfragen, erfahren Sie: Die Beam ten können ihre aufgelaufenen Überstunden in das Lebensar beitszeitkonto einbringen. Sie können dann z. B. zwischen durch ein Sabbatjahr machen, oder sie können schon ein Jahr früher in Pension gehen und können dadurch vielleicht doch schon mit 60 Jahren aufhören, obwohl man diese Grenze ver schoben hat. Das sind die Möglichkeiten, die beispielsweise die Polizei hierdurch gewinnt. Ich glaube, dass das gerade für die Polizei ein Riesenvorteil ist. Die Beamten können jetzt wählen, ob sie die Überstunden abfeiern wollen oder ob sie sie auf das Lebensarbeitszeitkonto einzahlen.

Ich beschäftige mich mit dem Thema Lebensarbeitszeitkonto schon sehr lange. Deswegen weiß ich, welche vorteilhaften Lösungen das für die Beschäftigten bringt.

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Herr Stickelberger, wenn Sie jetzt eine Frage stellen möchten, könnte ich diese noch beantworten.

Bitte sehr, Herr Abg. Stickelberger.

Frau Kollegin, ich weiß ja, dass Sie andere, vor allem Kolleginnen und Kollegen aus den Oppositionsfraktionen, gern für etwas unterbelichtet halten.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ich habe nicht von Ih nen gesprochen.

Immerhin sind wir aber konzentriert genug, um zu wissen, worüber wir abstimmen.