Protokoll der Sitzung vom 02.03.2011

noch ein Signal zu setzen,

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

dass sie sich einer innovativen Schulentwicklung von unten nicht länger verschließen, dass sie diese innovative Schulent wicklung nicht mehr länger blockieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: „Dagegen-Parteien“ sind halt dagegen! – Gegenruf des Abg. Jörg Döpper CDU – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das wäre ein wichtiges und gutes Signal an die große Zahl der Lehrer und Lehrerinnen in unserem Land, an die große Zahl der Eltern in diesem Land

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie setzen uns mo ralisch unter Druck! – Zuruf des Abg. Franz Unter steller GRÜNE)

und an die große Zahl der Kommunen in diesem Land, die ei ne solche innovative Schulentwicklung von unten für mehr Bildungsgerechtigkeit für die Kinder in unserem Land, für mehr soziales Lernen wünschen,

(Abg. Jörg Döpper CDU: Das wäre ein Chaos!)

eine Schulentwicklung, mit der auch eine Antwort auf die de mografische Entwicklung gegeben wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Motive hier im Land für solche innovativen Schulkonzepte sind unterschiedlich. Es ist zum einen das veränderte Elternwahlverhalten. Die Eltern wünschen eine Schule, in der nach der vierten Klasse alle Op tionen ermöglicht werden und in der die Kinder nicht – nach angeblich drei Begabungstypen – in Gruppen eingeteilt wer den. Diese gemeinsamen innovativen Schulmodelle sind eine Antwort auf die demografische Entwicklung mit dem drama tischen Rückgang der Schülerzahlen. Wenn Sie an Ihrer bis herigen Politik festhalten, werden Sie eine gigantische Flur bereinigungsmaßnahme an wohnortnahen Schulstandorten auslösen. Wir wollen wohnortnahe, attraktive Schulstandorte im Land erhalten und ausbauen.

Diese neuen integrativen Schulmodelle orientieren sich zum anderen an den Ergebnissen der Hirnforschung und der Lern

entwicklungsforschung. Diese zeigen, dass wir einen positi ven, einen wertschätzenden Umgang mit der Vielfalt und Un terschiedlichkeit von Kindern brauchen. Jedes Kind ist anders, jedes Kind lernt anders. Wir brauchen Wertschätzung; wir brauchen keine Schulen, in denen den Kindern droht, abge schult zu werden und sitzen zu bleiben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Oh-Rufe – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Seien Sie nicht so herzlos!)

Das ist der Kern des Anliegens dieser innovativen Schulent wicklung, Herr Kollege Röhm.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bei uns stehen die Kinder im Mittelpunkt! – Gegenruf der Abg. Brigit te Lösch GRÜNE: Aber nur bei Ihnen!)

Dafür setzen wir uns ein.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt tun Sie mir wieder weh, Frau Rastätter!)

Ab und zu muss ich Ihnen leider wehtun, Herr Röhm. Ich brauche Ihnen aber nicht mehr wehzutun, wenn Sie sich end lich auch für diese innovative Schulentwicklung öffnen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kommen Sie doch endlich einmal an unsere Schule! Dann können Sie sehen, dass das Kind im Mittelpunkt steht! – Gegenruf des Abg. Franz Unter steller GRÜNE: Du musst sie halt einladen! – Gegen ruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe sie schon zweimal eingeladen! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Verhalten mangelhaft! – Glocke der Präsidentin)

Ich muss es noch einmal sagen: Im Jahr 2008 lagen 60 Anträ ge von Kommunen vor. Mittlerweile sind weitere Anträge da zugekommen. Es ist sehr interessant, dass solche Anträge zu nächst aus dem Hotzenwald kamen. Die ersten sechs Anträge sind bereits im Jahr 2005 aus dem Landkreis Breisgau-Hoch schwarzwald gekommen. Jetzt liegt die Zahl der Anträge, die gestellt wurden, sicher bei 90 oder 100. Diese werden zuneh mend auch – das ist das Interessante – von Universitätsstäd ten gestellt.

Heute möchte ich noch ganz kurz über den Antrag aus Karls ruhe sprechen. Es ist ein gemeinsamer Antrag des Elternbei rats, der Schulleiter und Lehrkräfte sowie der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe für eine Modellschule nach skandi navischem Vorbild.

(Abg. Ernst Behringer CDU: Um Gottes willen!)

Diese Schule soll in einem neuen Stadtteil gegründet werden, in dem tatsächlich eine große Nachfrage besteht. Kein Zwei fel: Die Nachfrage ist vorhanden.

Deshalb bitte ich Sie: Geben Sie der Stadt Karlsruhe die Chan ce, indem Sie heute ein Signal setzen, mit dem Sie sagen: Ja, der Landtag wünscht diese innovative Schulentwicklung.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Haller-Haid für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir haben es gerade gehört: Wir haben hier im Land über 100 innovative Konzepte, so natürlich auch eines in Tübingen. Dabei handelt es sich um die Französische Schule. Diese Schule heißt übrigens deshalb Französische Schule, weil sie früher einmal die Schule der Garnison war. Sie wurde dann eine Grundschule. Bereits 1993 hat der Tü binger Gemeinderat beschlossen, diese Grundschule bei der Umsetzung eines besonderen pädagogischen Konzepts zu un terstützen. Schon seit damals arbeitet diese Grundschule in novativer als andere Schulen.

Es gibt jahrgangsübergreifende Klassen für die Klassenstu fen 1 bis 3; das funktioniert ganz hervorragend. Bedauerli cherweise muss dieses Konzept in der vierten Klasse gestoppt werden. Dies führt dazu, dass viele Eltern ihre Kinder abmel den und an Privatschulen oder Waldorfschulen anmelden.

In dieser Schule in Tübingen gibt es eine individuelle Förde rung, wie wir sie nur jedem Kind wünschen können. Dort gibt es auch, anders als anderswo, zahlreiche Projekte. Es gibt Schulsozialarbeit. Die Schule liegt am Rande eines Brenn punktviertels bei einem Neubauviertel, wo die soziale Zusam mensetzung noch einmal ganz anders ist. Die Schule wird auch als verbindlicher Ganztagsbetrieb geführt. Leider leidet sie gerade unter den entsprechenden Kürzungen der Stunden für den Ganztagsbetrieb.

Insgesamt sind das alles hervorragende Voraussetzungen, um ein solches Konzept auch in eine Sekundarschule überzufüh ren. Bereits mehr als zehn Jahre lang hat die Französische Schule Tübingen mit einem Konzept für eine solche Sekun darschule gearbeitet. Dies geschah übrigens zusammen mit Wissenschaftlern des Pädagogischen Instituts der Universität Tübingen. Das Konzept ist immer wieder aktualisiert worden, sodass es kompatibel ist und die Schüler eben auch entspre chend an andere Schulen wechseln können. Damit fällt das Argument, ein Wechsel wäre nicht mehr möglich, weg.

Nicht zuletzt deshalb hat der Tübinger Gemeinderat – im Üb rigen gibt es dort auch viele Stimmen der CDU, die sagen, dieses Projekt müsse unterstützt werden – mit großer Mehr heit für diesen Antrag auf Einrichtung einer zehnjährigen Mo dellschule gestimmt. Dabei kam auch das Argument, dass von einem längeren gemeinsamen Lernen alle Kinder profitieren können, sowohl die Leistungsstarken als auch diejenigen, die mehr Förderung bedürfen. Davon ist die große Mehrheit der Eltern, des Gemeinderats sowie der Bürgerinnen und Bürger in Tübingen überzeugt.

Ein halbes Jahr nach dieser Abstimmung im Gemeinderat kam dann vom Kultusministerium die Ablehnung des Antrags. Dass das Kultusministerium ein halbes Jahr dafür gebraucht hat, verwundert, ehrlich gesagt, auch. Die Begründung laute te: Das Konzept beinhalte keine Differenzierung in die unter schiedlichen Schularten. Zudem werde an einer anderen Tü binger Schule das Lernen in heterogenen Lerngruppen er probt.

Ich finde, das Perfide an einer solchen Argumentation ist: Man drückt sich vor jeglicher inhaltlichen Auseinandersetzung.

Das, was mehr als 15 Jahre an pädagogischen Erfahrungen und Erfolgen möglich war, wird letzten Endes keines Blickes gewürdigt und mit einem Federstrich weggewischt. So, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir mit unseren Kommu nen, mit unseren Bürgerinnen und Bürgern und mit den Eltern nicht umgehen, schon gar nicht mit den überaus engagierten Lehrkräften an dieser Schule.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb bitte ich Sie: Korrigieren Sie heute den Fehler, den das Kultusministerium mit seiner Ablehnung gemacht hat. Die Französische Schule in Tübingen verdient es, dass sie ihre er folgreiche Arbeit auch ab Klasse 5 fortsetzen kann. Auch vie le Vertreterinnen und Vertreter von CDU und FDP vor Ort se hen das genauso und würden sich sehr freuen, wenn Sie alle heute unseren Anträgen, den gemeinsamen Anträgen der Frak tion der SPD und der Fraktion GRÜNE, zustimmen würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schebesta für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Niemand bestreitet, dass in Modellschu len, an Modellstandorten mit anderen strukturellen Vorausset zungen gute Arbeit geleistet werden kann. Allerdings machen Sie hier die Debatte über zwei Einzelfälle auf und kritisieren uns dafür, dass wir uns nicht auf die gute Arbeit einließen, die hinter diesen Konzepten stecke. Gleichzeitig erwähnen Sie aber gebetsmühlenartig die Zahl der Anträge, die insgesamt gestellt werden, ohne sich die Frage zu stellen, ob allen die sen Fällen gleichermaßen anspruchsvolle pädagogische Kon zepte zugrunde liegen.

Bei der Frage der Zulassung von Modellen ist doch immer zu bedenken: Ob das Ganze in Modellen gut funktioniert, kann ich leicht beantworten. Das kann ich auch an einzelnen Mo dellschulen nachvollziehen. Wenn ich aber die Öffnung vor nehme, stellt sich die Frage: Führt das in allen Fällen, in de nen die Öffnung genutzt wird, dazu, dass tatsächlich etwas Gutes passiert? Diese Öffnung, die wir in anderen Ländern sehen, führt eben nicht zu einer positiven Entwicklung, die uns in der Bildung flächendeckend voranbringen würde.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sagen Sie das ein mal Ihren CDU-Kollegen, die in NRW Bürgermeis ter sind! – Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Das sage ich in Nordrhein-Westfalen, wenn ich mir die Be lege dafür ansehe, was bei der – –

(Abg. Norbert Zeller SPD: Welche?)

Herr Zeller, Sie nehmen einzelne Schulen. Wenn Sie in an deren Bundesländern die Erfahrungen mit anderen Schulfor men – –

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Ja, das ist eine pauschale Behauptung, weil Sie nur eine pau schale Lösung machen können. Sie können eine Öffnung vor nehmen und können dann sagen: „Qualitativ schaue ich mir

das an.“ Das machen Sie aber nicht, weil Sie alle Anträge als bewilligbar darstellen.

(Beifall des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Genau das ist der Punkt! – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Sie sagen nämlich immer: 60 Schulen haben einen Antrag ge stellt, also sollen die das auch machen.