Ja, das ist klar. Sie reichen die Antwort schriftlich nach, weil Sie die Zahlen nicht dabei haben. Das ist doch selbstverständlich.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg – Drucksache 14/445
Das Präsidium hat für die Aussprache über den Gesetzentwurf nach der Begründung durch die Landesregierung eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, festgelegt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Novelle des Schulgesetzes, die ich heute für die Landesregierung in den Landtag einbringen darf, ist ein Meilenstein in der Bildungspolitik des Landes. Es ist der konzeptionelle Schlussstein der umfassenden Bildungsreform, die wir in den vergangen Jahren auf den Weg gebracht haben. Jetzt müssen die Schulen die notwendige Zeit und Unterstützung bekommen, dies alles wirksam werden zu lassen.
Unsere Schulen sind gut unterwegs. Die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg ist für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet. Wir haben mit der Bildungsplanreform 2004 die Grundlagen für eine größere Eigenständigkeit der Schulen gelegt. Das heißt, wir haben ihnen größere Freiräume und mehr Verantwortung übertragen. Das war eine Lehre, die wir aus der Beschäftigung mit der Schulentwicklung in anderen europäischen Ländern gezogen haben.
Ich erinnere mich noch gut an den Startschuss, wenn Sie so wollen. Es war die Reise des Schulausschusses in die Niederlande und nach Irland im Jahr 1997, die uns viele Einsichten verschafft hat. In den europäischen Ländern, die diesen Weg vor uns eingeschlagen haben – skandinavische Länder, Großbritannien, Niederlande z. B. –, werden Standards gesetzt, über deren Erfüllung regelmäßig Rechenschaft abgelegt werden muss. Damit ist klar, dass die Eigenständigkeit der einzelnen Schulen nicht den Weg in die Beliebigkeit öffnet. Vergewisserung, Erfolgskontrolle, Rückmeldung und offener faktengestützter Diskurs über den weiteren Weg jeder einzelnen Schule sind zwingend erforderlich, wenn das Ziel – bessere Schulen, besserer Unterricht – erreicht werden soll.
Jetzt und heute geht es vor allem um die verpflichtende Einführung der Evaluation in den Schulen. Im Rahmen des vorgesehenen zweistufigen Verfahrens werden alle Schulen dazu verpflichtet, ihre Rahmenbedingungen, Schulentwicklungsprozesse und -ergebnisse systematisch zu untersuchen und zu bewerten. Um hier gleich ein mögliches Missverständnis auszuräumen: Die Evaluation bezieht sich auf die Schule als pädagogische und organisatorische Gestaltungseinheit und nicht auf die Beurteilung der einzelnen Lehrkräfte.
Dies bleibt nach wie vor Aufgabe der Schulleitung bzw. der Schulaufsicht. Wir betonen damit die pädagogische Erst
verantwortung der Schule für ihre eigene Qualität. Die Schule untersucht und bewertet im Rahmen der Selbstevaluation mit ihrem eigenen Personal die Qualität ihrer Arbeit. Dies führt zu einer kritischen Reflexion der pädagogischen Arbeit. Damit kommt der Selbstevaluation eine Schlüsselfunktion im kontinuierlichen Schulentwicklungsprozess zu.
Gegenstand der Selbstevaluation sind beispielsweise die Unterrichtsergebnisse und Unterrichtsprozesse, die Professionalität der Lehrkräfte, Schulführung und Schulmanagement, das Schul- und Klassenklima und die Einbindung der Schule in ihr Umfeld.
Die Schulen können sich auch der Unterstützung sachkundiger Dritter bedienen, um Untersuchungen im Bereich der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung durchzuführen. Beispiele dafür sind etwa die Zertifizierung einer Schule nach ISO 9000, die Nutzung der Evaluationsinstrumente der Bertelsmann-Stiftung oder Evaluationsverfahren, die uns die Wirtschaft bereitgestellt hat, wie die „Qualitätszentrierte Schulentwicklung“, die in der Landesarbeitsgemeinschaft Schule – Wirtschaft begründet wurde. 70 Schulen arbeiten bereits mit diesem Instrumentarium.
Unser Landesinstitut für Schulentwicklung, dessen Hauptaufgabe die Begleitung der Schulen in der Evaluation ist, hat einen Qualitätsrahmen erarbeitet, der den Schulen als Leitfaden zur Verfügung steht. Dort sind fünf Qualitätsbereiche ausgewiesen, die ich vorhin bereits stichwortartig genannt habe. In einem sehr gut aufgegliederten Verfahren können hier wesentliche Erkenntnisse erarbeitet werden.
Alle diese Instrumente sind öffentlich zugänglich. Selbstverständlich werden alle Personengruppen, die die Schule zusammenführt, beteiligt: Schüler und Lehrer, Eltern und Schulleitung, möglichst auch Schulträger und außerschulische Partner. Damit ist die Voraussetzung für Transparenz geschaffen, die wir ausdrücklich auch für die Ergebnisse der Evaluation einfordern. Nichts verschwindet. Alles geht in die Gremien. Über die Schulkonferenz erfahren Eltern und Schüler, was bei der Evaluation herausgekommen ist. Mein Ziel ist es, bis zur Zweiten Beratung auch noch Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden über die Einbindung der Schulträger zu erzielen. Ein Portfolio einer Schule für die Evaluation ist meines Erachtens unvollständig, wenn die Rolle des Schulträgers nicht angemessen berücksichtigt werden kann.
Hartmut von Hentig hat sich in der Einführung in den Bildungsplan 2004 des Landes Baden-Württemberg ebenfalls sehr deutlich zu den Instrumentarien der Evaluation bekannt. Er schreibt:
Selbst- und Fremdevaluation bedingen einander und dienen einer empirisch gesicherten, zielgerichteten und systematischen Qualitätsentwicklung vor Ort.
Deswegen folgt auf die jährliche Selbstevaluation in größeren Zeitabständen die Fremdevaluation durch das Landesinstitut für Schulentwicklung und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei werten die Mitglieder des jeweiligen Evaluationsteams die Qualitätsdokumentation der Schule aus. Bei einem mehrtägigen Besuch der Schule wird durch systematische Gespräche und Beobachtungen der Ge
samteindruck der Schule ergänzt und vertieft. Die Ergebnisse der Fremdevaluation werden in einem Evaluationsbericht festgehalten. Der Bericht enthält Empfehlungen für die weitere Qualitätsentwicklung der Schule. Er spielt auch bei der Erarbeitung von Zielvereinbarungen zwischen Schulaufsicht und Schule eine wichtige Rolle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir mit diesem Instrumentarium wirklich Erfolg haben wollen, dann nützt es nichts, mit Häme oder Schaum vor dem Mund zu meinen, jetzt werde man es denen – wer immer das auch sein mag – endlich einmal zeigen. Qualitätssicherung und -entwicklung haben nichts mit Bloßstellung zu tun.
Wer etwas verbessern will, sollte das nicht auf der Basis ungesicherter Annahmen, sondern auf der Basis gesicherter Erkenntnisse tun. Wir werden es miteinander schaffen müssen, dass sich eine Schulkultur entwickelt, in der offene Rückmeldung und gemeinsame Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten zum normalen Geschäft gehören. Niemand wird dadurch in seiner Stellung beschädigt, wenn er oder sie sich konstruktiv mit Kritik auseinandersetzen muss. Wer zeigt, dass er die Verbesserungspotenziale erkennt und nutzt, stärkt seine Autorität.
Wer sich aber verweigert, hat oder bekommt ein echtes Problem. Die Veränderungen funktionieren nämlich nur im Miteinander in einem Kollegium. Das ist schon der Grundgedanke der neuen Bildungspläne. Verantwortungsvoll mit Ergebnissen von Evaluation umzugehen, das werden alle Beteiligten auch ein Stück weit lernen müssen. Eckhard Klieme, der Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt, sagt dazu:
Evaluation ist zweifellos entscheidungsorientiert. Sie findet ja nur deshalb statt, weil Folgerungen gezogen werden sollen …
Wir verbinden mit dem hier vorgelegten Konzept die Eigenständigkeit der Schulen mit einem klar formulierten Leistungsanspruch, dem sich die Schulen stellen müssen. Evaluation soll den Schulen helfen, ihre eigenen Stärken zu erkennen, Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren und damit die Wirksamkeit ihrer Arbeit zu erhöhen.
Auch internationale Schulleistungsvergleiche haben mit Evaluation – in diesem Fall mit der Evaluation ganzer Bildungssysteme – zu tun. Wir brauchen in vernünftigen Abständen solche systembezogenen Rückmeldungen. Deshalb regeln wir mit dieser Gesetzesnovelle auch die Teilnahmepflicht an Untersuchungen wie PISA, IGLU oder TIMSS. Es wäre einfach lächerlich, wenn einzelne durch Zufallsziehung beteiligte Schulen durch einen Boykott oder durch schlampige Teilnahme dafür sorgen könnten, dass BadenWürttemberg insgesamt aus einer vergleichenden Studie herausgenommen werden müsste. Das ist nicht an den Haaren herbeigezogen. In Hamburg ist das bei der ersten PISA-Studie passiert.
In unserem Gesetzentwurf werden einige weitere Punkte neu geregelt, die hoffentlich Ihre Zustimmung finden.
Unter dem Aspekt der Verwaltungsvereinfachung schlagen wir Ihnen vor, Genehmigungsverfahren für Schulbücher künftig insgesamt auf das Landesinstitut für Schulentwicklung zu übertragen. Heute muss überflüssigerweise eine doppelte Prüfung stattfinden.
Der nächste Punkt betrifft die Stärkung der Schülermitverantwortung. Wir schlagen dem Landtag in zwei Bereichen eine Stärkung der SMV vor. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass diese Vorschläge vom Landesschülerbeirat stammen und dass sich dieses Gremium damit erfolgreich in den demokratischen Willensbildungsprozess eingebracht hat. Bisher kann die Schülergruppe die Einberufung der Schulkonferenz nicht verlangen. Dies soll geändert werden. Zugleich wollen wir es der Schülermitverantwortung ermöglichen, in ihrer Satzung auch die Direktwahl des Schülersprechers und seines Stellvertreters vorzusehen. Wir schreiben das nicht verbindlich vor, aber wir möchten der Schülermitverantwortung die Möglichkeit geben, dies in diesem Sinne selbst zu entscheiden.
Ein besonders wichtiger Punkt betrifft die Anhörungsrechte des Elternbeirats und die Mitbestimmungsrechte der Schulkonferenz. Mit den neuen Bildungsplänen wurde der pädagogische Freiraum der einzelnen Schule ganz erheblich erweitert. Es sind eigenständige Entscheidungen bei der Festlegung des Schulcurriculums, bei der Kontingentstundentafel und bei der Verteilung der Poolstunden, um nur einige Beispiele zu nennen, zu treffen. Wir wollen dazu dem Elternbeirat ein Anhörungsrecht und der Schulkonferenz ein Mitbestimmungsrecht geben. Das entspricht meinen Vorstellungen, dass Eltern an den Schulen Verantwortung übernehmen. Die vielen Eltern, die sich in der Elternarbeit engagieren, sorgen dafür, dass unser öffentliches Schulwesen in der Gesellschaft verwurzelt bleibt. Sie tragen damit entscheidend zum Erfolg der Schulen bei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Hoffnung, dass wir für diese Schulgesetznovelle die Unterstützung des ganzen Hohen Hauses erhalten, weil ich weiß, dass trotz aller Auseinandersetzungen um bildungspolitische Maßnahmen der grundsätzliche Ansatz der Bildungsreform des Jahres 2004 von den Fraktionen des Landtags mitgetragen wird. Es wäre ein gutes Zeichen für die Arbeit in den Schulen, wenn wir im Schulausschuss und in der zweiten Lesung dokumentieren könnten, dass wir bei der Umsetzung der neuen Bildungspläne alle gemeinsam hinter den Schulen stehen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst ein persönliches Wort. Wir bedauern es außerordentlich, Herr Kollege Bayer, dass wir nicht länger mit Ihnen in Ihrer bisherigen Funktion zusammenarbeiten können.
Wir freuen uns aber auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Dr. Mentrup, ebenso. Herr Kollege Bayer, herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit mit Ihnen, die ja andauert, nur in einer anderen Funktion.
Die CDU-Landtagsfraktion unterstützt die vorgesehenen Änderungen, die vom Minister vorgetragen wurden, ausdrücklich. Dies gilt für die zukünftig mögliche Direktwahl der Schülersprecher ebenso wie für das den Eltern und Schülern neu zugestandene Beteiligungsrecht in der Schulkonferenz bezüglich der Kontingentstundentafel und – das ist vor allem wichtig – bezüglich der schuleigenen Curricula.
Die Schulkonferenz kann zudem auf Verlangen der Schülervertreter einberufen werden, ohne dass sie dafür wie bisher Bündnispartner aufseiten der Eltern- oder aufseiten der Lehrerschaft benötigen. Die Position der Eltern wird dadurch gestärkt, dass sowohl die Kontingentstundentafel als auch die Entwicklung der schuleigenen Curricula im Elternbeirat zu beraten sind. Das heißt, man tauscht sich aus und kommt zu einem gemeinsamen Ergebnis.
An dieser Stelle möchte ich allerdings ganz ausdrücklich darauf hinweisen, dass die große Mehrheit der Schulen bei der Umgestaltung vom G 9 zum G 8 den Eltern ebendiese Teilhabe ohne jegliche gesetzliche Vorgabe größtenteils ganz selbstverständlich eingeräumt hat.
Nun zur Verankerung der Selbstevaluation und der Fremdevaluation im Schulgesetz. Die beruflichen Schulen – darauf möchte ich hier hinweisen – sind mit dem Konzept „Operativ eigenständige Schule“, in dessen Mittelpunkt gerade die Entwicklung von Unterrichtsqualität steht, längst auf einem guten Weg. Es ist Zeit, dass auch die anderen, die allgemeinbildenden Schulen nachziehen.