Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Und uns!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stober.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! An dem Tag, an dem wir die EU-Richtlinie zum Bodenschutz im Umweltausschuss beraten haben, bekamen wir zu unserer großen Überraschung erst einmal eine Empfehlung des Europaausschusses vorgelegt, die Richtlinie rundweg abzulehnen.

Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass der Umweltausschuss nach einer, wie ich damals fand, sehr fruchtbaren Diskussion von dieser rein destruktiven Haltung abgekommen ist. Wir brauchen auch beim Thema Bodenschutz in Europa gemeinsame Standards. Ich denke, dass wir darüber wirklich eine gute und fruchtbare Diskussion im Umweltausschuss hatten. Ich finde es nur schade, Herr Kollege Müller, dass davon in der heutigen Parlamentsdebatte keine Rede mehr war.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sauerei!)

Um zu verdeutlichen, warum wir auch beim Bodenschutz einen Ordnungsrahmen auf Gemeinschaftsebene brauchen, möchte ich drei Gründe nennen, die Sie auch in der Begründung zu dieser Richtlinie finden.

Erstens: Die großen Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen führen zu unterschiedlichen Belastungen der Wirtschaftsteilnehmer und damit zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt. Wir sollten darauf achten, dass gerade unsere heimische Wirtschaft in Baden-Württemberg nicht durch Umweltdumping in anderen Ländern der Europäischen Union benachteiligt wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Zweitens: In bestimmten Fällen können durch Bodenschädigungen auch grenzüberschreitende Auswirkungen auftre

ten. Das ist ein direkter Widerspruch auch zu dem, was Sie, Herr Müller, gesagt haben. Als Beispiel hierfür hatte uns das Umweltministerium im Ausschuss die Auswirkung der Bodenerosion auf die Donau und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Integrierten Donauprogramms genannt.

Drittens: Bodenkontaminationen können zu Schadstoffbelastungen in Futter und Lebensmitteln führen, die im Binnenmarkt frei gehandelt werden.

Nichtsdestotrotz darf die EU bei der Erstellung dieser Richtlinie natürlich nicht über das Ziel hinausschießen und übertriebene Berichts- und Kartierungspflichten vorschreiben

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Tut sie aber!)

das ist auch nicht der Streitpunkt –, wie sie vor allem in den Anhängen der Richtlinie leider zu finden sind. Ich glaube, dass das auch nicht der Streitpunkt ist. Da haben Sie recht.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen wirklich dazu kommen, in Zukunft positiv über Europa zu reden und vor allem die Chancen, die sich durch Europa ergeben, in den Vordergrund zu stellen, ohne dabei die in vielen Punkten natürlich auch berechtigte Kritik an überflüssigen und unnötigen bürokratischen Regelungen, wie sie leider auch in dieser Richtlinie zu finden sind, zu übergehen. An diesem Punkt stimme ich auch mit der Kritik von Herrn Kollegen Müller überein. Aber ganz zentral ist: Wir müssen, gerade wenn wir die Menschen von Europa begeistern wollen, auch bereit sein, positiv über Europa zu reden. Wir dürfen Kritik nicht beiseite schieben, sollten aber die Chancen und nicht die Gefahren von Europa in den Mittelpunkt stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Es ist unbestritten, dass wir in Baden-Württemberg im Bereich des Bodenschutzes Vorreiter waren und als erstes Land z. B. ein eigenes Bodenschutzgesetz auf den Weg gebracht haben. Aber trotz unserer Vorreiterrolle müssen auch wir in Baden-Württemberg an der einen oder anderen Stelle noch nacharbeiten.

Als Beispiel möchte ich das Thema Altlasten nennen. Wer auf dem gemeinsam von Umweltministerium und Wirtschaftsministerium organisierten Gewerbeflächentag in Villingen war, wird wissen, dass die ungeklärte Frage der Altlasten immer noch das Hindernis Nummer 1 beim Thema Flächenrecycling ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Herr Oettinger hat in seiner Regierungserklärung zu Recht von der „Nettonull“ beim Flächenverbrauch gesprochen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Unterhaltungen nach außerhalb des Plenarsaals zu verlegen.

Dies werden wir nur erreichen können, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir Investoren beim Kauf eines Grundstücks auch eine Gewissheit über die Altlasten, die sich auf diesem Grundstück möglicherweise befinden, geben können. Da ist z. B. der in Artikel 12 der Richtlinie vorgeschriebene Bodenzustandsbericht auch für uns in Baden-Württemberg bei aller Vorreiterrolle immer noch eine Herausforderung, der wir uns zwingend stellen müssen, um künftigen Investoren die notwendige Planungssicherheit zu geben.

Eigentlich wollte ich – aber hier muss ich meine ursprünglich beabsichtigte Aussage leider korrigieren – auch die Einsichtsfähigkeit der CDU in dieser Frage sehr begrüßen. Im Umweltausschuss hatte ich wirklich den Eindruck, dass die CDU hierbei einsichtsfähig ist. Heute hatte ich diesen Eindruck leider nicht. Das finde ich sehr schade.

Ich fand es sehr positiv, dass Herr Kollege Scheuermann – er ist jetzt leider nicht mehr da – auch noch angefügt hat, dass wir wirklich gemeinsame Standards brauchen. Aber – das ist gerade bei gemeinsamen Standards wichtig – solche Standards machen nur dann Sinn, wenn man auch dafür sorgt, dass sie verbindlich eingehalten werden und eingehalten werden müssen. Standards, die einfach nur auf dem Papier stehen, brauchen wir nicht.

In diesem Sinne werden wir uns heute genauso wie im Umweltausschuss – auch um noch einmal ein Zeichen zu setzen, dass es im Umweltausschuss eine Bewegung gab; eine solche Bewegung sehe ich heute leider nicht mehr – nachher bei der Abstimmung über diese Frage der Stimme enthalten.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Murschel für die Grünen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bodenschutz ist für mich angesichts meiner beruflichen Herkunft als Bodenkundler ganz persönlich ein wichtiges Thema. Die Debatten zu diesem Thema, die ich entweder miterlebt oder zu denen ich die Protokolle verfolgt habe, zeigen mir eigentlich, dass das Thema Bodenschutz in Baden-Württemberg einen viel zu geringen Stellenwert hat.

Lieber Herr Kollege Müller, wenn Sie ausführen, wir hier seien beim Bodenschutz sozusagen Vorreiter in der ganzen Welt oder zumindest in Europa, und damit auch ausdrücken wollen: „Wir brauchen eigentlich nichts zu tun, sondern die anderen sollen etwas tun“, dann ist das ein ganz grober Denkfehler. In der Diskussion, die wir gerade führen, kommt dieser Denkfehler permanent vor. Ich möchte auf ein paar dieser Punkte eingehen, bei denen dieser Denkfehler vorhanden ist.

Was will denn die EU? Die EU hat doch gesagt: Wir stellen fest, dass in Europa eine Bodenzustandsverschlechterung eingetreten ist. Die EU hat in Begleitbriefen und -papieren dazu auch noch quantifiziert, welche Kosten dadurch nach ihrer Schätzung entstehen. Sie nennt 38 Milliarden € an

Kosten pro Jahr, die in der EU auftreten. Da muss man sich fragen, was das für Baden-Württemberg – auf unser Land heruntergebrochen – heißt. Darauf können wir auch gleich kommen.

Wo fallen die Kosten an? Hier nennt die EU einige Bereiche: Schädigung der Infrastruktur durch Sedimenteinträge – Dinge, die z. B. etwas mit Kläranlagen zu tun haben –, Krankheitsbelastungen, Vorsorge vor Krankheiten durch Bodenverunreinigung, Gewässerbehandlungskosten, Wertverlust von Grundstücken in der Umgebung verunreinigter Standorte, erhöhter Aufwand bei Lebensmittelkontrollen und bei Futtermittelkontrollen. Das sind alles Dinge, die in Baden-Württemberg ganz genauso zutreffen.

Jetzt habe ich hier ein paar Argumente gehört und auch verfolgt. Ich will sie gern einmal kurz aufgreifen.

Einer Ihrer Denkfehler, Herr Müller, war, dass Sie sagten, transnationale, grenzüberschreitende Auswirkungen gebe es beim Bodenschutz kaum. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Boden als Schnittmenge zu allen anderen Umweltmedien, z. B. Luft und Wasser, ist genau das Medium, das grenzüberschreitende Auswirkungen hat. So kann z. B. der Boden als Kohlenstoffsenke – so schreibt die EU, so kennt man es aus der Literatur – bis zu 2 % des CO2, also des Klimaerwärmungs-CO2 anthropogener Herkunft, wie es so schön heißt, das in die Luft geht, aufnehmen. Gestern debattierten wir über Kraft-Wärme-Kopplung, über Möglichkeiten, wie man der Klimaveränderung Herr werden kann. Hier haben wir ein Potenzial, dass allein durch Erhaltung der Bodenhumussubstanz eine Minderung der CO2-Belastung um 2 % erreicht werden kann, indem man nur durch Information, durch Anweisung den Landwirten sagt, wie sie es besser machen können und zum Erhalt des Humusspiegels etwas beitragen können. Diese Veranstaltung ist grenzüberschreitend.

(Beifall bei den Grünen)

Um das jetzt abzukürzen, weil es sonst viel zu lang wird, will ich nur noch auf ein paar Argumente eingehen.

Es werden Kosten von 4 bis 5 Millionen € genannt. Das halte ich für völlig aus der Luft gegriffen. Vieles von dem, was die EU will, steht ganz genau so in Frau Gönners Umweltplan drin, sei es Bodenerosion, sei es Flächenversiegelung, sei es Entsiegelung – deckungsgleich. Vieles, was die EU will, z. B. beim Kohlenstoffkataster, ist notwendige Voraussetzung für die Landwirte, damit sie über Cross Compliance Geld erhalten. Dies müsste also ohnehin gemacht werden. Das kann man nicht als Extrakosten aufrechnen, sondern das sind Strukturmaßnahmen, die auch der Landwirtschaft helfen.

Letzte Bemerkung: Wo steht der Bodenschutz in BadenWürttemberg? Auf jeden Fall nicht dort, wo er jetzt gerade hingezaubert wird. Wir haben in der Vergangenheit viel gemacht: Landesbodenschutzgesetz 1991, Bundesbodenschutzgesetz 1998. Seitdem fehlt uns vieles bei der Umsetzung. Der Flächenverbrauch wird nur quantitativ in Quadratmetern und nie qualitativ aufgefasst. Zur Erosion ist keine einzige Strategie vorhanden, was die Landwirte machen sollen. Kohlenstoffkataster gibt es in der Slowakei, aber nicht in Baden-Württemberg usw. usf.

Kurz und gut – und damit will ich schließen –: Ich finde, wir sollten diese Richtlinie als Chance begreifen und nicht wieder nur als Vorschrift, die uns übergestülpt wird, als Chance, den Bodenschutz in Baden-Württemberg zu stärken.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Ehret.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sowohl der Europaausschuss als auch der Umweltausschuss des Landtags haben den Vorschlag der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments für eine Richtlinie zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz auf europäischer Ebene sehr eingehend diskutiert. Ich finde es auch sehr gut, dass wir europäische Themen miteinander behandeln, auch für die Zukunft.

Für die FDP/DVP-Landtagsfraktion kann ich an dieser Stelle erklären, dass wir selbstverständlich für eine europaweite effektive Bodenschutzpolitik eintreten. Aber ich bin einig mit dem Europaausschuss, der festgestellt hat, dass diese Richtlinie des Europäischen Parlaments in der Bundesrepublik und auch hier in Baden-Württemberg nicht wirklich eine aktive Verbesserung des Schutzgedankens bringt, sondern ausschließlich neue bürokratische Erfordernisse, insbesondere durch die ins Auge gefassten und sehr weit reichenden Berichts- und Kartierungspflichten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Thomas Blenke CDU)

Diese Richtlinie widerspricht ganz klar dem Gedanken der Subsidiarität. Ich meine auch, sie verringert unseren Einfluss und den Einfluss des Landes und des Bundes auf die künftige Bodenschutzpolitik.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten. Der Sprecher hat es sonst schwer, durchzudringen.

Wir erreichen mit dieser Richtlinie keinesfalls mehr Bodenschutz, sondern wir schaffen eher Widerstände gegen die unbestrittenen Ziele des Bodenschutzes sowohl in der Politik als auch bei den Betroffenen.