Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Da haben wir keinen Dissens!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war bisher eine sehr ökologische Debatte. Sie hatte nämlich null Emission.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So geht es jetzt weiter!)

Ich verstehe jetzt auch, nach der Rede des Staatssekretärs, warum die Frau Sozialministerin diese Rede nicht selbst halten wollte, sondern sich möglichst weit nach hinten abgesetzt hat. Das, was hier alles vorgetragen worden ist, ist unglaublich banal.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sie haben auch schon gesprochen!)

Es ist vieles falsch. Ich möchte ein paar Punkte aufgreifen, die vom Kollegen Wolf angesprochen worden sind.

Zum Thema Kombilohn: Herr Kollege Rülke, Sie haben sich vorhin auch für den Kombilohn erwärmt. Sie sollten sich einmal mit dem Wirtschaftsminister abstimmen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Der sagt schon noch etwas dazu!)

Der Wirtschaftsminister warnt nämlich vor Kombilohn. So konnten wir es in der Zeitung lesen. Er hat in diesem Fall auch recht, weil nämlich die Beschäftigungswirkungen unsicher sind. Ob es überhaupt welche gibt, ist fraglich. Es gab schon vielfach Kombilohn-Versuche, die längst nicht zu den Erfolgen geführt haben, die man sich erhofft hat. Die finanziellen Risiken, die mit einem solchen Kombilohn verbunden sind, sind gigantisch hoch.

(Glocke des Präsidenten)

Sehr viel besser wäre es für die Beschäftigten mit niedrigem Einkommen, wenn bei den Sozialversicherungsbeiträ

gen nicht sofort der volle Satz abgerechnet, sondern ein progressives Modell eingeführt würde, wonach erst ab einem Bruttoverdienst von 2 000 € die über 40 % Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden. Das hätte für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer Vorteile und würde Anreize bieten, Beschäftigung zu schaffen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wer zahlt das dann, Frau Sitzmann?)

Das sollten wir prüfen, anstatt hier ständig alte Pläne, die von vielen Experten als nicht tauglich bezeichnet worden sind, zu wiederholen.

Frau Abg. Sitzmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Rülke?

Nein, die gestatte ich jetzt nicht. Der Herr Kollege kann uns im Anschluss an seinen Gedanken teilhaben lassen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber dann kön- nen Sie nicht mehr darauf antworten!)

Ein Kombilohn hat also Haken und Ösen. Das, was die Landesregierung getan hat und was Kollege Wolf als Kombilohnmodell bezeichnet, ist keineswegs ein Kombilohnmodell. Es wurden nur Projekte, die es bisher schon ESF-finanziert gab, weitergeführt. Mit Kombilohn hatte das überhaupt nichts zu tun.

Was mich ein bisschen gewundert hat, ist, dass niemand von Ihnen davon gesprochen hat, ob man die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I verlängern soll oder nicht. Da toben ja derzeit bei Ihnen die Debatten. Rüttgers macht jetzt den Lafontaine. Er will ihn links überholen und will die Bezugsdauer dramatisch verlängern. Er hat aber auch in Ihrem eigenen Laden keine Mehrheit dafür.

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, Gerald Weiß, sagt, dass er davon nichts hält. Ich finde, dem sollten Sie sich anschließen, denn es ist völlig unklar, wie der Kollege Rüttgers die längere Bezugsdauer bei den einen finanzieren will. Das heißt doch ganz klar: Er muss sie den anderen wegnehmen, nämlich denen, die nicht so lange in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben. Das wären dann all diejenigen, die unter zehn Jahre einbezahlt haben. Das wäre ja wohl das Absurdeste und Falscheste, was man tun könnte. Die Arbeitslosenversicherung ist eine Risikoversicherung und keine Lebensversicherung, in der man Beiträge anspart und sich diese dann auszahlen lässt.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Sehr interes- sant!)

Sie ist eine Risikoversicherung und soll gerade in einem Arbeitsmarkt, der immer schwieriger wird und der mit immer kürzeren Beschäftigungsverhältnissen einhergeht, die Betroffenen tatsächlich absichern.

(Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Wenn Sie den Älteren mehr Geld geben, nehmen Sie das den Jüngeren und den Frauen sowie den Personen mit we

nig Kündigungsschutz und befristeten Arbeitsverträgen weg.

(Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Wenn Sie das als gerecht bezeichnen, dann würde ich das gern einmal hier von Ihnen hören. Die Landesregierung und die CDU-Fraktion sollten sich dafür einsetzen, dass auf Bundesebene nicht ein solcher Unsinn beschlossen wird und dass es nicht wieder ein neues Instrument gibt, um die Frühverrentung zu fördern. Hier haben Sie dringenden Handlungsbedarf. Tun Sie endlich etwas!

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute gemeinsam festgestellt haben, dass wir hervorragende Mitarbeiter, Arbeitnehmer und Ingenieure haben. Wir haben zudem ausgezeichnete Familienunternehmen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Glücklicherweise haben wir hier im Lande eine Familientradition von Unternehmern. In diesen Unternehmen gibt es kein Hire and Fire, sondern man macht sich Gedanken und versucht gemeinsam, schwierige Zeiten zu überstehen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es, genau!)

Diese Dynamik und Leistungsfähigkeit der Unternehmen müssen wir auch in Zukunft erhalten. Da wird viel getan. Ich möchte nachher noch einige Punkte dazu nennen, wie wir das noch verstärken können.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Eben!)

Meine Damen und Herren, wir haben ein qualitativ hochwertiges Handwerk, das unser duales Ausbildungssystem trägt. Damit möchte ich auf die Jugendarbeitslosigkeit zurückkommen. Dass sie in Baden-Württemberg so niedrig ist, haben wir natürlich vornehmlich dem dualen Ausbildungssystem zu verdanken – dem Handwerk, das die Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt und die jungen Leute befähigt, tatsächlich in den Arbeitsmarkt einzusteigen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das lassen wir nicht zerreden!)

Wir müssen gemeinsam überlegen, ob wir uns im Sinne der schwächeren Jugendlichen, die gerne einen Ausbildungsplatz annehmen würden, vielleicht doch noch einmal das Thema Fachwerkerausbildung durch den Kopf gehen lassen sollten, auch wenn die Gewerkschaften da etwas zögerlich sind. Ich stelle immer wieder fest, dass diese Jugendlichen in irgendwelchen Warteschleifen oder schulischen Ausbildungseinrichtungen landen. Die Unternehmer am Markt sagen mir hinterher: „Eigentlich können wir mit diesen jungen Leuten wenig anfangen“ – weil die praxisbezogene Ausbildung ein nicht zu ersetzendes Element ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das müssen wir weiter forcieren, um gerade den Schwächeren den Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, in den nächsten Jahren haben wir ein großes Problem – darauf weist der Wirtschaftsminister immer wieder hin –: Es gibt ungefähr 45 000 Betriebe, die übergeben werden müssen und neue Eigentümer bekommen sollen. Diese Übergabe ist sehr schwierig. Da möchte ich ein Kompliment an das Wirtschaftsministerium aussprechen. Die dort angesiedelte Initiative für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge – ifex – leistet unter dem Leiter Professor Schäfer hervorragende Arbeit. Diese Institution wurde im Wirtschaftsministerium kontinuierlich weiterentwickelt und konnte für die geleistete Arbeit in diesem Jahr den führenden Preis beim nationalen Auswahlprozess im Rahmen des European Enterprise Awards 2006 in der Bundesrepublik gewinnen.

Meine Damen und Herren, Übernehmer und Existenzgründer werden unsere Zukunft sein. Um das zu bewerkstelligen, müssen wir weiterhin das Thema „Bürokratie und Entbürokratisierung“ in den Griff bekommen.

Da kann ich allerdings feststellen, weder bei den Grünen noch bei der SPD findet man hierbei viel Unterstützung. Ich habe manchmal den Eindruck, alles, was vielleicht noch geregelt und „verriegelt“ werden kann, wird von der Opposition begrüßt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Siehe gestern beim Thema Ladenschluss!)

Dass wir in einer völlig überregulierten Welt leben, habe ich schon vor zehn Jahren festgestellt, als man ein Gesetz verabschiedet hat, demzufolge ein Einpersonenbetrieb mit einer Halbtagskraft einen technischen und einen medizinischen Betreuer braucht.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, bekommen wir – ob das nun HACCP oder etwas anderes ist – laufend neue Bürokratiemonster. Wir müssen im Landtag versuchen, eine Instanz dafür zu schaffen, dass wir Brüssel in manchen vielleicht ja gut gemeinten, aber doch überzogenen Vorschlägen hinsichtlich Bürokratie und Überregulierung bremsen, da wir sonst die Freude am Unternehmertum unterminieren. Es kann nicht sein, dass Unternehmen mit 50 oder 60 Mitarbeitern Statistiken über 900 verschiedene Abfallsorten auszufüllen haben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Seien Sie doch froh, dass es Statistiken gibt! Sonst könnten Sie ja hier nicht dauernd vorlesen!)

Herr Kretschmann, wissen Sie, das wird einfach etwas zu viel. Das werden Sie als Unternehmer mit Sicherheit auch verstehen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Der Staats- sekretär hat eine Statistikstunde gemacht! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das entspricht aber nicht im- mer der Meinung der IHKs, was Sie zu den Statisti- ken sagen!)

Wir sollten diese Anforderungen einfacher gestalten oder ganz vermeiden.