Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

Wir sollten diese Anforderungen einfacher gestalten oder ganz vermeiden.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ohne Sta- tistik können Sie doch gar keine Reden mehr hal- ten! – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich bin der Auffassung: An dieses Thema müssen wir auf jeden Fall heran.

Außerdem muss das Thema Steuerreform weiter vorangetrieben werden. Die früheren völlig überhöhten Steuern, die Unternehmer zu bezahlen hatten,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sie waren doch 97 in der Bundesregierung!)

sodass man Gewinne nicht in den Unternehmen stehen lassen konnte, führten dazu, dass sich die Eigenkapitalquoten der Unternehmen äußerst negativ entwickelt haben. Sie sind jedem Sturm, der in den Branchen und in der Wirtschaft zu Unebenheiten führt, ausgesetzt, und sie können schwierige Zeiten mit dieser geringen Eigenkapitalquote oft nicht durchstehen.

Deshalb müssen wir den Unternehmen mehr Geld belassen, damit es Freude macht, zu arbeiten, und damit sie Dividenden und bessere Löhne und Gehälter bezahlen können und variabler bleiben können, meine Damen und Herren.

Ich möchte jetzt zu den Themen „Mangel an Ingenieuren“, „Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose“ usw. nichts mehr ausführen. Aber wir haben ein breites Feld zu bearbeiten, und wir haben gemeinsam die Aufgabe, im Land für unsere Bürger und Bürgerinnen etwas zu tun, damit wir auch die verdeckte Arbeitslosigkeit, die wir haben – Frau Sitzmann wird dem sicherlich nicht widersprechen, dass wir beispielsweise eine verdeckte Frauenarbeitslosigkeit haben; das ist überhaupt nicht von der Hand zu weisen –, bewältigen können. Daran müssen wir auch in Zukunft arbeiten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Pfister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Baden-Württemberg ist ein Hochlohnland und wird ein Hochlohnland bleiben. Ein chinesisches Lohnniveau werden wir in Baden-Württemberg weder einführen können noch einführen wollen.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Wenn dies aber so ist, dann entzündet sich genau an dieser Stelle die folgende Frage: Es ist schön, dass Baden-Württemberg im Augenblick mit einer Arbeitslosenquote von 5,6 % das beste Bundesland in Deutschland ist. Das ist schön, und das können wir auch alle miteinander feiern. Aber es geht nicht darum, dass wir heute diese günstige Situation bei der Arbeitslosigkeit haben, sondern es geht darum, dass wir diese Spitzenposition in Baden-Württemberg auch noch im Jahr 2020 haben werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deshalb geht es in dieser Debatte darum, dass man alles das, was in Baden-Württemberg über Jahre und Jahrzehnte gemacht worden ist, durchaus positiv würdigen kann. Wir sollten dies in aller Bescheidenheit auch tun; das ist ja völlig in Ordnung.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Aber nicht in jeder Sit- zung dreimal betonen!)

Aber die Frage geht schon noch weiter: Wie können wir erreichen und was können wir dafür tun, dass diese günstige Situation in Baden-Württemberg auch zukünftig anhält? Es ist reiner Zufall, dass gestern in Berlin ein sogenannter „Innovationsindikator Deutschland“ veröffentlicht worden ist. Der ist vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Zusammenhang mit der Telekom und anderen Unternehmen entwickelt und vorgestellt worden. Was ist da gemacht worden? Die 17 wichtigsten Industriestaaten der Welt sind untersucht worden und zusätzlich noch Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen als einzelne Länder.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Pfister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Heberer?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Jetzt schon am Anfang? – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das ist eine sogenannte Vorfrage!)

Bitte schön.

Ich möchte direkt Bezug nehmen auf die Arbeitslosenquote von 5,6 %, die Sie genannt haben und die natürlich sehr gut ist, wenn man sie mit den anderen Ländern vergleicht. Dennoch habe ich folgende Frage: Wir haben im Raum Mannheim 10,6 % Arbeitslosigkeit.

Richtig.

Wie werden Sie dieses Problem lösen? Denn wir haben doch ein sehr starkes Gefälle. Wir reden immer von dieser guten Zahl. Dennoch haben wir auch andere Gewichtungen innerhalb des Landes.

Das ist jetzt reiner Zufall, Frau Kollegin: Ich wollte am Beispiel dieses Innovationsindikators kurz erklären, worum es geht. Man kann das dann auch schön auf Mannheim übertragen.

Was ist da entwickelt worden? Bei diesem Innovationsindikator ist gesagt worden: Es geht nicht um die Frage, ob wir viele Patentanmeldungen in Baden-Württemberg oder in Deutschland haben. Es ist natürlich auch schön, wenn man solche Patentanmeldungen hat. Aber entscheidend ist die Frage, ob und in welchem Zeitraum und mit welcher Dynamik es gelingt, aus diesen Patenten auch marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Das ist die Fragestellung, um die es geht. Auf diese Fragestellung, meine Damen und Herren, wird als Ergebnis dieser Untersuchung festgestellt, dass von den 17 untersuchten Industriestaaten plus die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Baden-Württemberg die Nummer 1 ist. Ich sage das jetzt ohne Pathos. Ich stelle nur fest: In keinem anderen Land in Europa und in der Welt gelingt es so schnell, Wissen in marktfähige Produkte und in marktfähige Dienstleistungen umzusetzen.

Das kann man auch noch an einer anderen Zahl deutlich machen: 6 % der bundesdeutschen Unternehmer schaffen es, innerhalb jedes zweiten Jahres mindestens ein völlig

(Minister Ernst Pfister)

neues Produkt oder eine völlig neue Dienstleistung auf den Markt zu bringen. In Baden-Württemberg sind es immerhin 15 % der Unternehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Karl Rom- bach CDU)

Meine Damen und Herren, ich will damit nur zum Ausdruck bringen, dass es längst nicht mehr reicht, über Innovationsfreude oder Innovationskraft oder Innovationsfähigkeit zu sprechen. Das machen andere selbstverständlich auch. Es geht auch nicht darum, dass wir uns dafür loben, dass wir eine leistungsfähige Hochschul- oder Infrastruktur haben. Das ist gut, das ist die Voraussetzung, aber das ist nicht der entscheidende Punkt, um mittel- und langfristig weiterhin zu Arbeitsplätzen zu kommen. Es geht wirklich um die Frage: Wie können wir aus Geld Wissen machen, aber dann aus Wissen auch wieder Geld machen? Wie können wir es schaffen, möglichst schnell zu neuen weltmarktfähigen Produkten und Dienstleistungen zu kommen? Da wird in dieser Studie Baden-Württemberg eine weltweite Spitzenposition attestiert.

Ich sage das vor folgendem Hintergrund: Wenn BadenWürttemberg in der Vergangenheit diese günstige Arbeitslosenquote erreichen konnte, dann ist dies nach meiner Überzeugung das entscheidende Instrument, das auch in der Zukunft angewendet werden muss. Deshalb gilt unterm Strich: Das Saatgut für zukünftige Arbeitsplätze

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

ist die Technologiepolitik, die Technologietransferpolitik dieses Landes Baden-Württemberg. Wenn wir auch in der Zukunft moderne Arbeitsplätze nicht nur im akademischen Bereich, sondern auch bei der beruflichen Bildung haben wollen, dann dürfen wir dieses Saatgut Technologiepolitik auf keinen Fall verspielen, sondern müssen es in der Zukunft sogar noch stärken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Genau dies, Frau Kollegin Heberer, was ich jetzt gerade gesagt habe und was Sie nicht gehört haben – ich werde es aber nicht wiederholen –,

(Heiterkeit – Abg. Helen Heberer SPD: Ich kann hören und sprechen! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie ist eine Frau!)

kann man jetzt auch gut auf Mannheim anwenden. Sie wissen, dass wir jüngst wieder mit namhaften Millionenbeträgen dafür sorgen, dass diese Technologiepolitik, diese Technologietransferpolitik in den verschiedenen Institutionen in Mannheim vom Land Baden-Württemberg gefördert wird. Wir wissen um den hohen Anteil an Arbeitslosen in Mannheim. Er ist noch immer der höchste im ganzen Land. Da brauchen Sie besondere Maßnahmen. Sie werden zugeben – ich habe die Zahlen jetzt nicht genau im Kopf –, dass sich das Land Baden-Württemberg, wenn es um die Umstrukturierung der alten Industriestadt Mannheim zu einer modernen Dienstleistungsstadt Mannheim geht, in besonderer Weise um die Stadt Mannheim gekümmert hat. Das werden wir auch in der Zukunft tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Sitzmann.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Der Präsident wür- digt mich keines Blickes! Ich hätte eine Zwischen- frage!)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Sitzmann?

Ja, bitte schön.

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass in dieser Studie „Innovationsindikator Deutschland“, die Sie gerade zitiert haben, Baden-Württemberg bei der Umsetzung von Innovationen sehr gut abschneidet,

(Minister Ernst Pfister: Habe ich ja gesagt!)

aber im Bereich der Bildung nur Mittelmaß ist?

Ist Ihnen bekannt, dass ich Wirtschaftsminister des Landes bin?

(Lebhafte Heiterkeit – Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Reinhold Gall SPD: Das wissen viele nicht! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Würden Sie den Bildungsminister auch einwei- hen?)

Wir reden jetzt über Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren. Da ist das, was Sie gesagt haben, völlig richtig.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall)

Lassen Sie mich noch auf einen anderen Aspekt eingehen: Es geht um den Stellenwert von Innovation. Meine Damen und Herren, Frau Sitzmann, wenn Sie sich vergegenwärtigen, dass wir dieses Prädikat, bei der Umsetzung von Wissen besonders schnell zu sein, besonders gut zu sein, bekommen haben, und sich gleichzeitig vor Augen führen, dass – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – 95 % aller Unternehmen in Baden-Württemberg weniger als 50 Beschäftigte haben und 99 % aller Unternehmen in Baden-Württemberg weniger als 500 Beschäftigte haben, werden Sie daraus natürlich ohne Weiteres schließen können: Das besondere Markenzeichen gerade der mittelständischen Wirtschaft – das sind ja alles mittelständische Betriebe – ist genau diese Innovationsfähigkeit und diese Innovationskraft.