Protokoll der Sitzung vom 06.12.2006

Ich glaube nämlich nicht, dass Sie, wie Sie es gesagt haben, heute hier die Position Ihrer Fraktion vortragen. Dieses Thema taugt – das ist auch bei uns so – überhaupt nicht, um zu versuchen, ideologisch geprägte parteipolitische Schlachten zu schlagen. Dazu taugt es nicht.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü- nen und der FDP/DVP)

Wir sind uns doch in vielen Punkten einig, Herr Dr. Lasotta. Es gibt doch überhaupt keinen Dissens darüber, dass wir alle in diesem Haus es uns als ein Herzensanliegen und als dringendes politisches Anliegen vorgenommen haben, jede nur mögliche Hilfestellung und Beratung zur Verfügung zu stellen, damit der Schutz des werdenden Lebens so gut wie irgend möglich unterstützt und verbessert werden kann. Daran gibt es doch überhaupt keinen Zweifel.

Wir sind uns auch darüber einig, dass wir Beratung im Rahmen der pränataldiagnostischen Untersuchung brauchen und vorantreiben müssen, und zwar Beratung vor, während und nach diesen Untersuchungen.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das hat er auch gesagt!)

Dazu gibt es Vorschläge, die auf dem Tisch liegen und die man umsetzen kann.

Worin der Dissens besteht, haben Sie in Ihrem Beitrag in der zweiten Runde sehr deutlich gemacht, und da unterscheiden Sie sich sehr stark von der Ministerin, bei der ich mich an dieser Stelle für ihre differenzierte, dem Thema angemessene Rede sehr herzlich bedanken möchte.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü- nen und der FDP/DVP)

Was Sie wollen, ist, den nach mühsamem Ringen gefundenen Kompromiss beim § 218 aufzuschnüren. Das haben Sie gesagt, und das ist etwas, was mit uns nicht zu machen ist.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen sich schon unsere Einwände gefallen lassen. Wie gesagt: Wir werden alles zur Verbesserung der Beratung unterstützen – dazu ist die SPD-Bundestagsfraktion bereit.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Wie bitte?)

Auch Kurt Beck hat nichts anderes gesagt, als dass man in dieser Frage eine verantwortungsvolle Lösung will. Dazu gibt es die Vorschläge der SPD-Bundestagsfraktion, die schon längst auf dem Tisch liegen. Sie können sich diese

Vorschläge auch anschauen. Sie unterscheiden sich von dem, was Sie wollen, nur darin, dass wir – Frau Kollegin Lösch hat die einzelnen Punkte, die wir damals ja auch schon unter Rot-Grün entwickelt haben, skizziert – in dieser extrem schwierigen Situation der werdenden Mutter und der Familie eben nicht auch noch die zusätzliche Belastung eines Pflichtberatungstermins auferlegen wollen – zumal nicht im Rahmen einer Beratungskommission, so, wie Sie sich das vorstellen. Das halten wir für keinen zielführenden Weg.

Über die Bedenkzeit kann man durchaus reden; auch dazu haben wir einen Vorschlag gemacht. Aber dazu müssen Sie nicht das Gesetz ändern.

Ich würde mir schon wünschen, dass Sie mit der gleichen Intensität, mit der Sie sich jetzt auf dieses Thema geworfen haben, um einen Bereich kümmern würden, der uns in Baden-Württemberg in der Tat beschäftigen muss. Die Ministerin hat über die Konstanz der Zahlen – an denen sich niemand freuen kann, Herr Kollege Lasotta; das ist für uns alle ein schwieriges Thema – bei den Spätabbrüchen geredet. Wir haben aber auch ein Problem mit der steigenden Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen bei Minderjährigen. Darum müssen wir uns hier im Land kümmern, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Zweite, bei dem ich mir die gleiche Leidenschaft von Ihnen in der Debatte wünsche – Sie sprachen vom Schutz des ungeborenen behinderten Lebens –, ist der Schutz des geborenen behinderten Lebens. Da müssen Sie sich in der Debatte schon Folgendes fragen lassen: Sie wissen, dass wir unter allen Bundesländern die niedrigsten Sätze bei der Eingliederungshilfe haben. Wenn in einer solchen Situation der Ministerpräsident, wie er es erst im November dieses Jahres in Bietigheim-Bissingen vor Bürgermeistern getan hat, sagt: „Wir werden Einschnitte machen müssen, und dazu gehören auch Kürzungen in der Eingliederungshilfe“, dann sage ich Ihnen: Das wäre für behinderte Menschen und ihre Familien nicht nur ein Schnitt ins Fleisch, sondern das träfe schon den Knochen. Da sind Sie in einer solchen Diskussion nicht sehr glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Lasotta hat in seinen Ausführungen dargestellt, dass ich in meiner Rede abgewiegelt und keine klaren Positionen bezogen hätte. Deshalb mache ich mir die Mühe, diese klaren Positionen und Fakten zu wiederholen.

Erstens: Frau Ministerin Stolz hat die Zahlen auch genannt. Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, dass die Zahl der Spätabtreibungen zugenommen habe. Falsch! Die Zahl der Spätabtreibungen ist in den letzten Jahren stetig gesunken – ich wiederhole es gerne –, und zwar vom Höchststand von 217 Fällen im Jahr 2003 auf 171 Fälle im Jahr 2005. Das heißt, Spätabbrüche sind extrem selten und machen gleich

bleibend 0,1 % der Gesamtzahl der Schwangerschaftsabbrüche aus.

Zweite klare Position: Ich habe ganz klar gesagt, ich teile Ihre Position, dass der § 218 geändert werden müsse, nicht. Denn Ihre Vorschläge – Pflichtberatung für die Schwangere, dreitägige Bedenkzeit – greifen nicht, weil sie viel zu spät ansetzen. Wir müssen früher ansetzen. Wir müssen ansetzen, bevor die schwangeren Frauen die Pränataldiagnostik in Anspruch nehmen. Da brauchen wir eine Beratung für die Schwangeren und eine Aufklärungspflicht der Ärzte gegenüber den Schwangeren.

(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das haben wir doch gesagt!)

Wir müssen die Richtlinien ändern. Wir müssen die Richtlinien für den Mutterpass ändern, um diese Beratungspflicht aufzunehmen, und wir müssen die ärztlichen Richtlinien für die Pränataldiagnostik ändern, um zu erreichen, dass die Diagnostik und der Abbruch der Schwangerschaft nicht in einem Satz stehen.

Das sind ganz konkrete Vorschläge, ganz konkrete Positionen unserer Seite gewesen. Da hätten Sie zuhören müssen und hier nicht einen künstlichen Konflikt schaffen dürfen, den es in der Realität gar nicht gibt: auf der einen Seite die Lebensschützer und auf der anderen Seite die Verantwortungslosen. Da werden von Ihrer Seite Frauen als verantwortungslos dargestellt, als ob sie leichtfertig den Entschluss fassen würden, ihr Kind abtreiben zu lassen. Betroffene Frauen dürfen in einer solchen Diskussion nicht an den Pranger gestellt werden. Sie haben eine traumatische Lebenssituation zu bewältigen und eine Entscheidung zu treffen, die keine werdende Mutter eines bereits seit über zwölf Wochen oder noch länger ausgetragenen Kindes, auf das sie sich sehr gefreut hat, leichtfertig vornehmen wird.

Wir sehen großen Veränderungsbedarf bei der Pränataldiagnostik. Diese muss weiterentwickelt werden.

Dann sehen wir natürlich auch die Ärztekammer in der Pflicht,

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

auf Bundesebene, aber auch auf Landesebene. Die Kammern haben dafür Sorge zu tragen, dass Beratungsangebote zwischen Beratungscentern und pränataldiagnostischen Praxiszentren entwickelt werden, um die Beratung der Schwangeren durchführen zu können. Das sind auch Forderungen auf landespolitischer Ebene. Aber diese Forderungen habe ich bei Ihren Ausführungen leider vermisst.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 3 ist damit beendet.

Ich muss sagen: Wir hatten mit einer längeren Dauer der bisherigen Tagesordnungspunkte gerechnet

(Abg. Ute Vogt SPD: Jetzt ist es halb eins!)

und hatten an dieser Stelle die Mittagspause vorgesehen. Da es jetzt erst 12:28 Uhr ist, würde ich vorschlagen,

(Präsident Peter Straub)

Punkt 4 noch vor der Mittagspause zu behandeln – obwohl ich heute Morgen die Auskunft erteilt habe, dass Punkt 4 erst nach der Mittagspause aufgerufen wird –, wenn keine Bedenken dagegen bestehen. Sie sind damit einverstanden.

(Abg. Ute Vogt SPD: Nein!)

Dann rufe ich jetzt Punkt 4 der Tagesordnung auf.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Herr Präsident!)

Bitte schön, Herr Abg. Gall.

Da Sie gefragt haben, ob wir mit dieser Änderung einverstanden sind, sagen wir: Wir sind nicht damit einverstanden.

Dann lasse ich abstimmen. Wer dafür ist, dass Punkt 4 noch vor der Mittagspause aufgerufen wird, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Das Erste war die Mehrheit.

Dann rufe ich Punkt 4 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD – Einsetzung und Auftrag des Untersuchungsausschusses „Das Handeln von Landesregierung und Landesbehörden beim Erwerb von Kunst- und Kulturgütern aus dem vermuteten oder tatsächlichen Eigentum des Hauses Baden“ – Drucksache 14/577

b) Wahl der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder, der/des Vorsitzenden und der/des stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Scheffold.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der Einsetzung des beantragten Untersuchungsausschusses. Wir werden beantragen, das Thema in den Ständigen Ausschuss zu bringen und dann dort zu beraten und zu entscheiden.

Zur Begründung dieses Antrags und zur Begründung der rechtlichen Zweifel bitte ich, Herrn Abg. Palm das Wort zu erteilen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das war ein Geschäfts- ordnungsantrag! – Weitere Zurufe von der SPD)