Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jede Diskussion über Bildungspolitik, die ja sehr vielfältig geführt wird, führt dazu, dass man als große Überschrift eigentlich an eine gemeinsame Vision appellieren muss und eine gemeinsame Vision formulieren muss.
Da ist davon die Rede, dass wir Eltern-, Schüler- und Lehrerschaft stärker als Verantwortungsgemeinschaft begreifen müssen und sie nicht als jeweilige Lager ansehen dürfen, die sich in einer Schule in festen Korridoren gegenüberstehen. Wir müssen die Persönlichkeit des Schülers und der Schülerin sowie den individuellen Bildungserfolg in den Mittelpunkt stellen. Es geht am Ende weniger darum, über immer differenziertere Systematisierungen von Zügen und Kleinstschulen ein möglichst breites Spektrum anzubieten, sondern es geht darum, eine Offenheit dafür zu erzeugen, dass der Einzelne mit seiner Biografie, mit seiner Persönlichkeit und mit seiner eigenen Bildungs- und Persönlichkeitsentwicklung im Blickpunkt und dabei im Mittelpunkt aller Beteiligten steht.
Bei der Umsetzung dieser Vision haben wir verschiedene Themen zu bearbeiten, die teilweise im Fortschritt, teilweise im Stocken begriffen sind, die wir teilweise auch als Rückschritt hier umsetzen. Der erwähnte Einstieg in die Bildungspläne ist sicherlich eine sehr sinnvolle Sache. Ich muss allerdings auch feststellen, dass mir das erst als Bildungspolitiker in seiner ganzen Dimension begreifbar wird. Als Elternteil von vier schulpflichtigen Kindern und aus den Erfahrungen, die ich aus der Schule höre, stelle ich fest, dass die Umsetzung noch nicht überall dort angekommen ist, wo wir sie eigentlich gern hätten.
Bei den Schulstrukturfragen müssen wir feststellen, dass durch die Landesregierung zwar die Überschrift Ganztagsschule besetzt wurde, aber es ist noch nicht die Ganztagsschule drin, die wir gerne hätten. Und Sie verweigern sich auch weiter einer festen Integration dieses Schultyps in das Schulgesetz.
Nun steht die Evaluation auf der Tagesordnung, und diese Evaluation gehört auch zu der angesprochenen Vision. Denn sie unterstreicht unsere feste Überzeugung, dass man sich auf gemeinsame Ziele einigen muss, dass man diese Ziele übergreifend und transparent erarbeiten muss, dass man sie aber auch da, wo man sie überprüfen kann, überprüfen muss. Man muss definieren, was vergleichbar und was unvergleichbar ist. Man muss Systeme finden, wie man überprüft, wie verglichen wird und wie die Vergleichbarkeit hergestellt wird. Wir müssen den Prozess anstoßen, der dahintersteht. Es geht nicht um einen Schul-TÜV, bei dem Fachleute alle zwei Jahre einmarschieren und sagen: „Okay, die Übergangszahlen sind erfüllt“, sondern es geht um einen
Prozess, um einen Dialog, der sich aus sich selbst heraus immer wieder überprüft und der sich aus sich selber heraus weiterentwickelt und zu einer besseren Verständigung vor Ort, zu mehr Transparenz und mehr Vergleichbarkeit nach innen und nach außen führt.
Herr Rau, Sie haben damit einen ersten Bildungserfolg erzielt. Wir setzen das jetzt gleich in eine Formulierung im Schulgesetz um. Das ist nötig und sinnvoll, macht aber auch deutlich, dass wir fest entschlossen sind, diese Maßnahmen so umzusetzen.
Einen zweiten Punkt greifen wir hiermit auf, und auch das ist richtig: Wir brauchen mehr Mitwirkungsrechte für alle Beteiligten. Denn ansonsten wäre dieser Prozess von vornherein etwas zu ungleich auf die Schultern der Beteiligten verteilt. Die einzelnen Beteiligten wären dann nicht genügend integriert. Es geht darum, dabei nicht nur mitzureden, sondern auch daran mitzuwirken, die Prozesse mitzugestalten und am Ende auch mit zu verantworten. Das ist auch eine Antwort auf die große Befürchtung, dass man sich gegenseitig immer nur Kritik um die Ohren hauen würde. Was gemeinsam für richtig gehalten wird, muss auch gemeinsam getragen und dabei gerecht auf alle Schultern verteilt werden.
Nun ist die Rede davon gewesen – Sie hatten es erwähnt –, der Gesetzentwurf sei „ein Meilenstein“. Ein Meilenstein, Herr Rau, ist mit einer solchen Schulgesetzänderung möglicherweise initiiert. Ein wirklicher Meilenstein wird aber erst dann daraus, wenn wir auch eine vernünftige Umsetzung der Bestimmungen erreichen. Hier gibt es noch ganz viele kritische Fragen. Wir halten es ein Stück weit für absurd, dass man auf der einen Seite sagt, der Gesetzentwurf sei ein Meilenstein auf dem Weg in eine neue Bildungskonzeption, und auf der anderen Seite als erste Maßnahme jedoch 280 aktive Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst nimmt und sie an das Landesinstitut für Schulentwicklung versetzt. Damit wird ein Signal gesetzt, das deutlich macht, dass dieser Meilenstein in seiner Umsetzung vielleicht doch nicht so gewichtig ist und wir an dieser Stelle vielleicht doch nicht genügend Ressourcen in die Hand nehmen.
Daher werden wir diese Umsetzung weiterhin kritisch begleiten. Wir werden uns dabei sicher auch das eine oder andere Mal streiten. Aber wir werden die noch offenen Umsetzungsfragen jetzt nicht zum Anlass nehmen, die ganze Sache von vornherein abzulehnen.
Sie haben uns zu einem konstruktiven und parteiübergreifenden Dialog eingeladen. Wir haben diesen Dialog im Schulausschuss sehr intensiv geführt, und jetzt liegt ein Gesetzentwurf vor, dem wir als SPD-Fraktion auch so zustimmen können. Zudem liegen ein Entschließungsantrag und zwei Änderungsanträge vor, die aus dieser Diskussion hervorgegangen sind.
Es ist ganz wichtig, die Schulträger einzubinden, und zwar nicht nur im Bereich der Evaluation. Vielmehr wird bereits im ersten Satz des Entschließungsantrags deutlich gemacht: Hier muss die Zusammenarbeit von Kommunen und Land,
hier müssen die verschiedenen Aufgaben, muss die Abstimmung zwischen den Schulträgern einerseits und den Verantwortlichen für die Bildungspolitik, die Landessache ist, andererseits auf eine neue Grundlage gestellt werden. Wir freuen uns, dass man sich hier gemeinsam auf einen Vorschlag verständigen konnte, denn ein solches Signal sollte von dem heutigen Tag auch ausgehen.
Die Rechte der Beteiligten werden festgeschrieben. Wir sind sehr dankbar, dass man dabei eine Formulierung übernommen hat, wie wir sie ursprünglich im Schulausschuss vorgeschlagen hatten. Denn es ist auch ein gutes Mittel gegen Ängste, deutlich zu machen: „Wir wollen, dass sich alle beteiligen.“ Das ist eine Aussage, die sowohl Rechte als auch Pflichten in sich birgt und mit sich bringt. Es ist wichtig, jetzt in der Umsetzungsphase aufeinander abzustimmen, wie das Ganze vollzogen werden soll.
Wir bleiben dabei und möchten hierzu noch einmal einladen: Wenn wir den Begriff der Verantwortungsgemeinschaft ernst meinen, dann muss eine Drittelparität in der Schulkonferenz gewährleistet sein. Das hatten Sie im Schulausschuss noch abgelehnt. Aber vielleicht ist Ihnen in der Adventszeit ja die Erkenntnis gekommen, dass man sich an dieser Stelle doch noch ein wenig verantwortungsvoller und vor allem auch ein bisschen vertrauensvoller aufstellen kann.
dass dieses Lagerdenken dort gar nicht existiert. Das hatten Sie selbst gesagt. Dann aber wäre es doch eigentlich kein Problem, unseren Vorschlag hier umzusetzen.
In diesem Sinne sage ich noch einmal: Wir sollten heute durch eine gemeinsam verabschiedete Schulgesetzänderung die Möglichkeit schaffen, einen Meilenstein zu setzen. Im Prozess der Umsetzung müssen wir dann auch dafür sorgen, dass wirklich ein Meilenstein daraus wird. Auf diese konstruktive und kritische Diskussion freue ich mich ebenfalls.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kultusminister Rau hat bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs gesagt, er habe die Hoffnung, dass eine Zustimmung des gesamten Landtags zu diesem Gesetzentwurf erreicht werden könne. Lieber Herr Kultusminister Rau, diese Hoffnung wird sich heute erfüllen. Wie sich schon abzeichnete, wird auch meine Fraktion diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes zustimmen.
Meine Damen und Herren, es ist ein wichtiges Signal an die Lehrer und Lehrerinnen in diesem Land, an die Schüler und
Schülerinnen, an die Eltern und an die Schulträger, dass der Landtag in zwei zentralen bildungspolitischen Zielsetzungen, nämlich in der Verankerung der Selbst- und der Fremdevaluation und in der Stärkung der Beteiligungsrechte der Schüler und der Eltern an der Schule, Übereinstimmung erlangt hat. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Es zeigt, dass wir in der zentralen Frage der Qualitätssicherung einen Konsens erzielt haben. Dieser Konsens ist wichtig für die Gesellschaft, damit bei bildungspolitischen Auseinandersetzungen in der Gesellschaft auch wahrgenommen wird, dass es zentrale Ziele gibt, die wir an unseren Schulen im Interesse unserer Schüler und Schülerinnen gemeinsam umsetzen wollen.
Meine Damen und Herren, es ist Teil unserer grünen bildungspolitischen Vision, dass wir die Fremd- und die Selbstevaluation an den Schulen verankern wollen. Dazu gehört für uns aber auch, dass wir die Beteiligungsrechte der Schüler und Eltern in der Schule stärken wollen. Deshalb haben SPD und Grüne heute noch einen gemeinsamen Änderungsantrag eingebracht. Wir fordern Sie dazu auf, heute über diese Hürde zu springen,
um damit gleichberechtigte Beteiligungsrechte für Eltern, Schüler und Lehrer an den Schulen zu schaffen.
Meine Damen und Herren, uns liegen heute zwei interfraktionelle Anträge vor. Vielleicht ist auch diese Tatsache ein kleiner Meilenstein, denn das bedeutet, dass wir uns in unseren Zielsetzungen aufeinander zubewegen können. Wir stehen im Bildungswesen vor großen Herausforderungen. Da wünsche ich mir, dass wir uns auch in zentralen Fragen, z. B. was neue Schulmodelle oder die Initiative „Länger gemeinsam lernen“ anbelangt, in der nächsten Zeit ein Stück weit aufeinander zubewegen können.
Mit unserem interfraktionellen Entschließungsantrag haben wir ein wichtiges Anliegen der Schulträger aufgenommen, denn wir haben schon längst nicht mehr die klassische Arbeitsteilung zwischen Land und Kommunen, die besagt, dass die Kommunen für die Sachkosten zuständig sind und das Land für die Lehrer, die Bildungsinhalte und die Qualitätssicherung zuständig ist. Vielmehr sind die Kommunen schon längst dabei, sich aktiv in die Schulen einzubringen. Sie tragen eine Verantwortung für die Betreuung, für die verlässliche Grundschule und für die Schulsozialarbeit. Die Kommunen haben also vielfältige Aufgaben, die sie auch für die Qualitätsentwicklung an den Schulen wahrnehmen. Deshalb ist es auch richtig, dass sie an der Evaluation beteiligt werden. Das ist für sie eine Möglichkeit, ihre Aufgabenwahrnehmung für die Schulen und für die Schüler und Schülerinnen künftig zu verbessern.
Meine Damen und Herren, Sie wissen aber auch, dass bei der Anhörung der Verbände und der Eltern zur Verankerung der Selbst- und der Fremdevaluation zwar eine generelle Zustimmung signalisiert wurde, dass aber gleichzeitig große Kritik an der Umsetzung des neuen Instruments der Qualitätssicherung geübt wurde. Es wird z. B. massiv kritisiert, dass den Schulen zusätzliche Aufgaben aufgebürdet werden, ohne dass genügend Unterstützung gegeben wird.
Viele Schulen, die schon heute Selbstevaluation machen, bräuchten z. B. von Schulprozessbegleitern mehr Unterstützung.
Es wird auch zu Recht kritisiert – wir Grünen kritisieren das ebenso –, dass 280 Stellen für das Landesinstitut für Schulentwicklung abgezogen werden, Stellen, die aus der Unterrichtsversorgung entnommen werden. Wir kritisieren auch, dass 521 Lehrerstellen nicht besetzt werden, mit denen man die Unterrichtsversorgung so beibehalten könnte, dass eine Entlastung der Schulen erreicht wird und sie Zeit für diese neue Aufgabe der Selbstevaluation gewinnen.
Schließlich fehlen auch ganz einfach die Fortbildungsmittel. Schulen müssen auch für die Selbstevaluation fortgebildet werden; diese Aufgabe können Schulen nicht von heute auf morgen leisten. Hier werden Fortbildungsmittel einfach aus anderen Bereichen abgezogen.
Meine Damen und Herren, wir Grünen kritisieren allerdings auch, dass keine konsequente Trennung zwischen Beratung und Aufsicht erfolgt.
Wir werden die Auseinandersetzung um die Umsetzung der Evaluation in den nächsten Monaten fortsetzen. Denn nur dann, wenn es uns gelingt, die Umsetzung so zu gestalten, dass die Schulen die notwendige Unterstützung bekommen, dass die Schulen wissen, sie bekommen eine neue Aufgabe, aber es wird auch alles getan, damit sie diese gut erfüllen können, wird dieses neue Instrument der Qualitätssicherung an den Schulen erfolgreich umgesetzt werden.
Wir brauchen dieses neue Qualitätssicherungsinstrument. Es ist ein Paradigmenwechsel. Wenn er gut gelingt, dann werden sich der Stellenwert der Bildung und die Anerkennung der Leistungen der Lehrer und Lehrerinnen in unserer Gesellschaft endlich verbessern. Ich hoffe auch da, dass wir bei den Fragen der Umsetzung ebenfalls gemeinsam an einem Strang ziehen werden.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie, Herr Minister, sind heute schon mehrfach zitiert worden. Auch ich möchte an eine Bemerkung aus Ihrer Einbringungsrede zum Gesetzentwurf erinnern. Sie haben damals völlig zu Recht betont – ich darf Sie mit Ihrer freundlichen Genehmigung zitieren –: Dieser Gesetzentwurf ist in der Tat – so haben Sie es formuliert –
der konzeptionelle Schlussstein der umfassenden Bildungsreform, die wir in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht haben.
Es handelt sich um eine Bildungsreform, die den Schulen mehr Freiheit, mehr Eigenständigkeit, aber auch mehr Eigenverantwortung bringt. Darüber sind wir von der FDP/ DVP sehr froh; denn das haben wir ja immer gefordert. Dieser größeren Eigenverantwortung müssen die Schulen gerecht werden. Dazu brauchen sie ein Instrument – das
wurde schon mehrfach erwähnt –, das im Mittelpunkt dieses Gesetzentwurfs steht: die Evaluation, die eigene wie auch die fremde von außen.
Herr Schebesta, Sie haben schon darauf hingewiesen, dass sich Schulen bisher freiwillig evaluieren lassen konnten. Sie haben auch die Zahlen genannt. Auch ich möchte darauf hinweisen, dass wir hier sehr gute und ermutigende Ergebnisse bekommen haben. Deshalb begrüßen auch wir es sehr, dass ab dem kommenden Schuljahr alle Schulen aufgefordert sind, die Qualität ihrer Arbeit zunächst selbst zu evaluieren und dann auch von außen begutachten zu lassen.